Warum jede Minute im Wald dein Immunsystem stärker macht

MEDWING
August 20, 2024

Kennst du das gute Gefühl nach einem Waldspaziergang? Hier erfährst du, woher es kommt und warum es so gesund ist.

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    Ein Uhu ertönt in der Ferne, im Hintergrund leises Vogelgezwitscher. Der Wald – seit Jahrtausenden ein Sehnsuchtsort für Menschen. Studien belegen, dass der Wald eine besondere Wirkung auf moderne Menschen hat. Kein Wunder, für viele zehntausend Jahre ist er unsere Heimat gewesen – und diese besondere Verbindung besteht noch heute.

    Das erfährst du gleich:

    • Der Wald, die Bäume, die Tiere – warum dieser Lebensraum so kostbar ist
    • Warum das japanische „Waldbaden" Shinrin Yoku das Immunsystem stärkt
    • Wodurch die positiven Effekte des Waldes entstehen
    • Wie du die positiven Effekte des Waldes für dich nutzt
    • Warum der Wald ein Wunderland ist

    Der Wald – ein Wunderwerk der Natur

    Tiere und Pflanzen sind die Hauptbewohner unserer Wälder, und auch wir Menschen haben Jahrtausende in Wäldern nach Nahrung und Schutz gesucht. Viele hundert Jahre haben wir Menschen die Wälder um uns herum ausgebeutet, sie als wirtschaftliche Einnahmequelle gesehen und behandelt – denn es lohnt aus vielerlei Hinsicht, einen Baum zu fällen: Aus einer 25 Meter hohen Fichte lassen sich etwa 670 Kilogramm Papier herstellen. Als Vergleich: Eine Schulklasse mit 30 Schülern verbraucht pro Jahr im Durchschnitt 7.290 Kilogramm Papier. Dies entspricht etwa 11 Fichten.

    Die unterschiedlichen Verwendungsarten von Bäumen:

    • Möbel und Baumaterial
    • Spanplatten und Holzkohle
    • Papier
    • Kork
    • Gerbstoffe für die Lederproduktion
    • Harz und Latex

    Neben den Ozeanen und Meeren – den wichtigsten Ökosystemen auf unserem Planeten – sind es die Wälder, die zu Land den größten Einfluss auf unser Klima haben. Ein Baum liefert Holz, filtert Schadstoffe, bietet Schatten und hält vor allem in Gebirgen die steilen Hänge durch sein Wurzelwerk zusammen. Nicht zuletzt sind Wälder mitverantwortlich für den stetigen Wasserkreislauf der Trinkwasserversorgung. Die deutschen Waldflächen speichern etwa 1,23 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in der lebenden Biomasse – jährlich entzieht der deutsche Wald der Atmosphäre etwa sieben Prozent der Treibhaus-Emissionen. Dies entspricht etwa 62 Millionen Tonnen CO2.

    Gut zu wissen: Unsere Ahnen rodeten die Wälder ohne Rücksicht auf Verluste, während wir heute durch eine geregelte Forstwirtschaft den Bäumen genügend Zeit geben, um nachzuwachsen. Seit 2012 ist der Baumbestand um sechs Prozent gestiegen, wie Forscher bei der Bundeswald- und Kohlenstoffinventur 2019 feststellten.

    Shinrin Yoku: medizinisches Waldbaden aus Japan

    Gerade die terpenhaltige Waldluft ist es, die unserem Herz-Kreislauf-System sowie unserem Atemapparat guttut. Der Blutdruck sinkt nach einem ausgiebigen Waldspaziergang enorm ab, wobei die Lungenkapazität steigt. Die anschließend erhöhte Elastizität der Arterien ist für Arteriosklerose-Patienten ein Pro-Punkt, um öfter in den Wald zu gehen. In Japan gibt es den Begriff „Shinrin Yoku“, der sinngemäß mit „Waldbaden“ übersetzt wird.

    „Shinrin Yoku“ war 1982 eine Marketingkampagne des japanischen Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft und Fischerei, um die Bevölkerung zu ermutigen, öfter und länger in der Natur zu verweilen. Als einer der Begründer und Erfinder dieser Therapieform gilt der Mediziner Prof. Dr. Qing Li, der mit seiner jahrzehntelangen Forschungsarbeit einen erheblichen Beitrag geleistet hat. Er machte deutlich, dass, wenn wir den Wald mit anderen Augen sehen und ihn regelmäßig besuchen, sich unsere Gesundheit maßgeblich verbessert.

    Seit jeher fördern die japanischen und südkoreanischen Behörden die Forschungen von Shinrin Yoku auf Universitäten. Während das „Waldbaden“ in Deutschland noch hie und da auf Skepsis und Misstrauen stößt, gilt Shinrin Yoku beispielsweise in Südkorea als staatliche Präventions- und Gesundheitsmaßnahme mit gesamtgesellschaftlichem Nutzen. Kliniken, Krankenhäuser und private Praxen wenden das Konzept des „Waldbadens“ erfolgreich und therapieunterstützend an.


    Erklärung mit Shinrin Yoku


    Die medizinische Wirkung des Waldes

    Nach einem anstrengenden Tag mit ungeduldigen Patienten eignet sich ein kleiner Spaziergang im Wald hervorragend zum Abschalten – dabei reichen oftmals 20 Minuten. Jeder Schritt befreit deinen Kopf von belastenden Gedanken, dein Puls beruhigt sich nachhaltig, und die herrliche Waldluft erfrischt und belebt deine Sinne. Dass ein Spaziergang im Wald die Entspannung fördert, ist die eine Seite der Medaille – und allerorts bekannt. Eine Studie aus Japan belegt, dass ein kurzer Spaziergang im Wald die Aktivitäten der natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) erhöhe.

    Es wurden 13 gesunde Krankenschwestern im Alter zwischen 25 und 43 Jahren zu einem drei-tägigen Waldprogramm eingeladen. Am ersten Abend gingen alle Probandinnen zwei Stunden in einem bestimmten Waldgebiet spazieren. Am zweiten Tag waren es vier Stunden – zwei am Morgen und zwei am Abend. Nach der zweiten Nacht fuhren die Frauen nach einer Blutentnahme und einem abschließenden Fragebogen zurück nach Tokio. Im Urin, wie im Blut maßen die Ärzte folgende Werte

    • NK-Aktivität
    • Anzahl der NK- und Tumor-Zellen
    • Granulysin-, Perforin- und Granzym-A/B-Werte
    • Konzentrationen von Estradiol und Progesteron im Serum
    • Konzentrationen von Adrenalin und Noradrenalin im Urin

    Die Ergebnisse der Waldexkursion der Krankenschwestern ließen die Wissenschaftler staunen. Die NK-Aktivität und die Anzahl der NK-, Perforin-, Granulysin- und Granzym-A/B-exprimierenden Zellen erhöhten sich signifikant. Außerdem sank der Prozentsatz der Tumor-Zellen sowie die Konzentrationen von Adrenalin und Noradrenalin im Urin ebenfalls signifikant.

    Wodurch entstehen die positiven Effekte?

    Heute weiß die Wissenschaft, dass Pflanzen nicht nur untereinander kommunizieren, sondern auch mit Tieren und Menschen. Die einzigartigen Farben und Gerüche mancher Blumen locken nur bestimmte Insekten an - eine Form von Kommunikation. Wenn Pflanzen sich unterhalten oder mit uns kommunizieren, nutzen sie keine Laute und Worte, sondern Farben und vor allem Duftstoffe. Heute kennt die Forschung beinahe 2.000 Duftvokabeln aus 900 Pflanzenfamilien. Der größte Teil dieser Duftstoffe sind sekundäre Pflanzenstoffe und heißen Terpene. Du riechst sie, wenn du eine Mandarine schälst, Tannennadeln verbrennst, oder einen Pfefferminztee trinkst. Bestimmte Terpene kommunizieren mit unserem Immunsystem und sind für die immunsteigernde Wirkung der Waldluft verantwortlich (Zum Beispiel: alpha-Pinen, beta-Pinen, Limonen, 1,8-Cineol). Terpene werden seit vielen Jahren in der Krebstherapie und gegen Malaria eingesetzt. Ihre positive Wirkung gilt heute als erwiesen.

    Wie nutzt du die Heilkräfte des Waldes optimal?

    Um das volle Potenzial von Wald und Terpenen auszuschöpfen, empfiehlt Professor Qing Li:

    • Du solltest mindestens zwei Stunden im Wald bleiben und dabei einen Weg von etwa 2,5 km gehen. Hast du vier Stunden Zeit, gehst du ungefähr vier km gemütlich durch den Wald und kommst mit einem Terpen-Flash nach Hause.
    • Du solltest dich nicht anstrengen, sondern entspannt schlendern. Genieße die Umgebung, mache eine Pause, wenn du müde wirst und gönne dir ein mitgebrachtes Pausenbrot. Im Sommer findest du auch Walderdbeeren und andere Wildbeeren, die richtig lecker sind.
    • Suche dir einen Platz, den du magst und verweile dort. Lies ein Buch, denke nach oder fühle die Stille.
    • Willst du die Anzahl und Aktivität der Killerzellen und der Anti-Krebs-Proteine dauerhaft oben halten, gehe jeden Monat zwei bis drei Tage in einen Wald. Selbstverständlich geht auch ein Stadtwald oder Park - Perfektion ist hier nicht der Anspruch. Wann immer du kannst: Halte dich so lange es geht im Wald auf. (Anm. d. Red.: Eine Hängematte ist der Mega-Tipp für einen Nachmittag im Wald)

    Zusätzlicher Hinweis

    Selbstverständlich ist die Terpenkonzentration im Wald während der Sommermonate am höchsten. Sie steigt im April/Mai sprunghaft an (Blätter und Blüten entstehen - bestäubende Insekten werden herbeigerufen) und erreicht ihren Höhepunkt von Juni bis August. Die Konzentration ist im Waldesinneren höher als am Rand - und in Bodennähe stärker als in den Baumwipfeln. Besonders stark ist sie nach Regengüssen und wenn der Nebel durch die Wälder zieht. Riechst du den frischen Waldgeruch nach einem Sommerregen? Das sind Terpene. Atemübungen aus dem Qi Gong oder Yoga helfen deinem Körper bei der Aufnahme der heilsamen Stoffe während du im Wald bist.

    Wie „bade“ ich im Wald, wenn ich in der Stadt lebe?

    Du wohnst in der Innenstadt und weit und breit ist kein Wald zu sehen? Das macht nichts. Du brauchst keinen Urwald, um die positiven Effekte eines Waldspazierganges zu erleben. Sieh dich in deinem Wohngebiet um und halte Ausschau nach einem kleinen Waldpark oder einem städtischen Wäldchen. Du wirst auch hier die gewünschten Wirkungen erzielen. Denn bereits einzelne Bäume heben nachweisbar die Stimmung und erzielen in kleinerem Ausmaß dieselben Wirkungen wie Shinrin Yoku.

    Gehe öfter in den Wald – und erlebe Wunder

    Vor vier Jahren veröffentlichte der Förster Peter Wohlleben sein Buch „Das geheime Leben der Bäume“ im Ludwig Buchverlag. Hier erzählt der waldbegeisterte Autor über Bäume, die Empfindungen haben, Gefühle und ein Gedächtnis. Das Erstaunliche an seinem Buch ist, dass er wissenschaftlich belegte Fakten mit seinen über 25 jahrelangen persönlichen Erfahrungen als Beamter der Landesforstverwaltung, Förster und Waldarbeiter kombiniert. Heute führt Peter Wohlleben die Waldakademie „Wohllebens Waldakademie“ in Wershofen, in der er seinen Schülern neue Wege in dem Umgang mit Wäldern vermittelt. Bäume kommunizieren miteinander, helfen den Jungbäumen beim Wachsen und pflegen die Kranken. Wir Menschen können demnach viel von Bäumen lernen – und alles fängt mit einem Spaziergang an.

    Peter Wohlleben, “Das geheime Leben der Bäume”

    Moritz Waldner

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