Arbeitest du als Pflegefachkraft, ist dir medizinisches Cannabis aus deinem Berufsalltag sicherlich bereits ein Begriff. Die Einnahme von Cannabisprodukten kann vor allem die Lebensqualität von Patient:innen, die unter starken chronischen Schmerzen leiden, wieder steigern. Wir erklären, was die Extrakte der Hanfpflanze leisten können, wer Cannabis verschrieben bekommt und wo die Unterschiede zu frei verkäuflichen CBD-Produkten liegen.
Schmerzen, Schlafstörungen, Angstzustände: Der Einsatzbereich von Cannabis in der Medizin ist groß – im Gegensatz zu der Wahrscheinlichkeit, es verschrieben zu bekommen. Denn Cannabis auf Rezept kann nicht jeder erhalten, den einfach nur ein paar Wehwehchen plagen. Wir klären über Wirkweise, Nutzen und Darreichungsform von medizinischem Cannabis auf.
Legalisierung von Cannabis: aktueller Stand
In den Reihen der Bundesregierung wird schon länger darüber diskutiert, den Besitz von Cannabis in kleinen Mengen zu erlauben. Nun liegen konkrete Legalisierungspläne vor.
Geht es nach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, sollen ab 2024 Besitz und Kauf geringer Mengen von Cannabis zu für alle über 18 Jahre legal sein und nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.
Die aktuellen Pläne werden allerdings zunächst der EU-Kommission zur Prüfung vorgelegt. Sofern eine Vereinbarkeit mit geltenden EU-Regeln vorliegt, erfolgt im Anschluss ein konkreter Gesetzesentwurf.
Sonderfall medizinisches Cannabis auf Rezept
Für Cannabis in der Medizin gilt bereits seit 2017 eine Ausnahmeregelung. Sofern eine Indikation für Patient:innen vorliegt, kann Cannabis auf Rezept von Ärzt:innen jeder Fachrichtung verschrieben werden. Der Kauf und Besitz ist in dem Fall legal und wer das Hanfgewächs als anerkanntes Arzneimittel konsumiert, kann strafrechtlich nicht belangt werden.
Cannabis ist bei einer Verschreibung in der Apotheke erhältlich und wird sogar von den Krankenkassen bezahlt, sofern vor Behandlungsbeginn eine Genehmigung der jeweiligen Krankenkasse vorliegt. Im Gesetz heißt es, dass ein solcher Antrag nur in begründeten Ausnahmefällen abgelehnt werden darf. Die Chancen auf eine Kostenübernahme stehen für Betroffene also gut.
Die entsprechenden Produkte werden größtenteils aus anderen Ländern unter Berücksichtigung strenger Qualitätsstandards importiert. In Deutschland darf einzig das Unternehmen Demecan medizinisches Cannabis produzieren. Die Firma deckt dabei sämtliche Herstellungsschritte ab.

Wie wirkt Cannabis und wie wird es in der Medizin dosiert?
Schon seit tausenden von Jahren nutzen Menschen die Hanfpflanze als Heilmittel bei Schmerzen und Appetitlosigkeit oder als Schlafmittel. Grund dafür ist das THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol), der wohl bekannteste Cannabis-Wirkstoff, sowie CBD (Cannabidiol).
THC wirkt entspannend, appetitanregend und schmerzlindernd. Außerdem löst es den bekannten Rauschzustand aus. CBD hingegen lindert Schmerzen und hemmt Entzündungen, löst aber keinen Rausch aus, da es nicht psychoaktiv wirkt. Sowohl Cannabis- als auch THC-haltige Arzneimittel können verschrieben werden – abhängig von der Schwere der Erkrankung.
Je nachdem, wie viel TCH die einzelne Sorte enthält, sollte die anfängliche Dosis zu Beginn der Therapie bei 25-50 mg Cannabisblüten liegen und maximal 100 mg betragen. Alle ein bis drei Tage kann man die Dosis – sofern man Medikamente und Extrakte gut verträgt und sich eine Wirkung einstellt – um 2,5-5 mg steigern. Wichtig für die Einnahmeart und Dauer der Einnahme ist aber immer die Absprache zwischen Arzt/Ärztin und Patient:in.
Cannabis als Medizin: Voraussetzungen für die legale Verordnung
Ärzt:innen können Cannabisblüten und Extrakte aus der Pflanze durch Ausstellen eines speziellen Betäubungsmittel-Rezeptes verordnen. Wer jetzt aber denkt, er kann durch ein Arztrezept schnell und unkompliziert an sein Freizeitvergnügen fürs nächste Wochenende kommen, den müssen wir enttäuschen.
Denn leichtfertig stellen Ärzt:innen keine Rezepte für medizinisches Cannabis aus. Vor allem, weil es nicht nur bürokratische Hürden mit den Krankenkassen gibt. Auch ist es sehr teuer (rund 15 Euro pro Gramm) und überschreitet dadurch schnell das Praxisbudget.
Verschrieben wird Cannabis zu medizinischen Zwecken erst dann, wenn eine diagnostizierte schwere Erkrankung vorliegt, die sinnvoll durch Cannabis begleitet werden kann. Extrakte aus dem Hanfgewächs werden zusätzlich zur medikamentösen Therapie verschrieben und sollen Medikamente ergänzen, nicht ersetzen.
Behandelnde Ärzt:innen nehmen deshalb vorab eine umfassende Einschätzung der Patient:innen und ihrer Krankheitsbilder vor, um begründen zu können, dass durch den Konsum von Cannabis tatsächlich ein Therapieerfolg eintreten kann.
Befürworter des medizinischen Cannabis kritisieren, dass Patient:innen der Zugang zu den Produkten trotz der theoretischen Verfügbarkeit erschwert würde. Beispielsweise aufgrund von Berührungsängsten oder Unwissenheit ihrer Ärzt:innen oder der Komplexität des Verordnungssystems. Weiterhin ist die Pflanze mit dem Stigma der Droge belegt. Die Legalisierung des „Genussmittels“ innerhalb gewisser Grenzen könnte hier zu einer besseren gesellschaftlichen Akzeptanz beitragen.

Bei welchen Krankheiten kann Cannabis wirken?
Grundsätzlich kann medizinisches Cannabis bei jeder Erkrankung verschrieben werden. Für folgende Erkrankungen wurde die Wirksamkeit aber bereits in Studien belegt:
- Palliative Onkologie
- Chronische Schmerzen
- Neuropathische Schmerzen
- HIV-assoziierte sensorische Neuropathie
- Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie
- Spastik bei Multipler Sklerose
- Zentralnervöse Schmerzen bei Multipler Sklerose
- Anorexie und Kachexie bei Chemotherapie
- Anorexie und Kachexie: HIV-/AIDS-assoziiert
Schmerzpatient:innen machen hierbei die größte Gruppe der Konsument:innen aus. Für andere Erkrankungen und Beschwerden ist die Studienlage noch dünn. Medizinisches Cannabis kann aber Untersuchungen und Erfahrungsberichten zufolge seine schmerzlindernde und beruhigende Wirkung auch bei folgenden Krankheiten und Beschwerden entfalten:
- Schlafstörungen
- Epilepsie
- Angst & Depressionen
- Asthma
- Migräne
- Neurodermitis
- Tinnitus
- Darmkrankheiten
- ADHS
- Fibromyalgie
In welcher Form wird medizinisches Cannabis konsumiert?
Die Darreichungsformen von medizinischem Cannabis sind sehr unterschiedlich und die behandelnden Ärzt:innen entscheiden final darüber, welche für eine erfolgreiche Therapie bei entsprechender Erkrankung der Patient:innen sinnvoll ist.
Üblicherweise werden Fertigarzneimittel oder Cannabisextrakte und -blüten verschrieben. Fertige Arzneimittel (Pillen, Dragees oder Mundsprays) enthalten bereits eine angepasste Menge an Cannabis. Sie können aber bei Bedarf auch von Apotheken individuell zusammengemischt werden.
Eine Besonderheit gilt beim Konsum von Blüten oder Extrakten der Hanfpflanze. Bevor man diese konsumiert, müssen sie ausreichend erhitzt werden, damit die Cannabinoide ihre Wirksamkeit entfalten können. Am besten eignet sich dafür ein sogenannter Vaporisator, in dem Blüten und Extrakte 180° bis 210° C heiß werden und die dadurch entstehenden Aerosole dann inhaliert werden.
Blüten und Extrakte lassen sich auch als Tee zubereiten. Bei dieser Darreichungsform ist aber umstritten, ob Cannabis seine volle Wirksamkeit entfaltet. Denn zum einen lösen sich die Wirkstoffe der Blüte nur schlecht auf, zum anderen benötigt der Tee eine sehr lange Ziehzeit, damit die Wirkstoffe überhaupt ins Teewasser übergehen.
CBD nicht verschreibungspflichtig
Medizinisches Cannabis ist nicht mit frei verkäuflichen CBD-Produkten wie zum Beispiel CBD-Öl zu verwechseln, das in den letzten Jahren einen regelrechten Hype erfahren hat. Es wird in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel verkauft und zählt somit nicht zu den Arzneimitteln.
Aber: Auch CBD-Produkte, die durch Extraktion aus den weiblichen Blüten der Hanfpflanze hergestellt werden, können bei kleinen Wehwehchen und Schmerzen dazu beitragen, dass man sich zumindest wohler fühlt. Eine schmerzlindernde Wirkung ist bislang aber nicht wissenschaftlich erwiesen. Das könnte daran liegen, dass CBD-Produkte mit 0,2 Prozent nur einen sehr geringen Teil THC enthalten.
Cannabis in der Medizin ist sicherlich kein Wundermittel. Dennoch kann es für Betroffene, die bereits viele Jahre leidgeplagt sind, die entscheidende Wende bringen. Hast du bei dir auf Station Patient:innen, bei denen herkömmliche Medikamente nicht die gewünschten Erfolge erzielen? Dann erwäge gemeinsam mit den Betroffenen und deren Angehörigen, ob der Konsum von Cannabis eine weitere Möglichkeit wäre, die bestehende Therapie zu begleiten und den Patient:innen im besten Fall wieder mehr Lebensqualität zu schenken.
Katharina Klein


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