Ambulante Pflege findet in der häuslichen Umgebung in Zusammenarbeit mit den pflegenden Angehörigen statt. Diese Situation stellt eine große Herausforderung für alle Beteiligten dar. Häusliche Pflege erfordert Koordination, Absprachen und nicht selten kommt es auch zu Auseinandersetzungen zwischen Mitarbeiter:innen des Pflegedienstes und Angehörigen. Wir geben dir 7 Tipps für den Umgang mit schwierigen Angehörigen.
80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland (3,31 Millionen) werden zu Hause versorgt. Meistens übernehmen Familienmitglieder, seltener auch Freunde, die Pflege. Dabei greifen sie häufig auf die Unterstützung von ambulanten Pflegediensten zurück. Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach für den DAK-Pflegereport 2021 können sich rund zwei Drittel der Erwachsenen zwischen 16 und 39 Jahren vorstellen, ihre Angehörigen zu Hause zu pflegen. Bei denen, die sich bereits um pflegebedürftige Familienmitglieder kümmern oder gekümmert haben, liegt der Anteil sogar bei 84 Prozent.
Herausforderungen von pflegenden Angehörigen
Allerdings unterschätzen viele die hohe Belastung, die auf sie zukommt. Die durchschnittliche Pflegezeit liegt bei sechs bis sieben Jahren. Das geht an die Substanz. Teilweise kommen alte, ungelöste Probleme in der Pflegesituation hoch. Manchmal fehlt Angehörigen auch die Zeit, sich auf die häusliche Pflege vorzubereiten. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Pflegebedürftigkeit infolge eines Unfalls oder wegen einer plötzlichen schweren Erkrankung eintritt.
Die Situation pflegender Angehöriger im Blick behalten
Es ist leichter, pflegenden Angehörigen mit Verständnis zu begegnen, wenn du dir ihre Situation bewusst machst. Sie sind emotional involviert und verfügen in der Regel nicht über einen pflegefachlichen Hintergrund. Das bedeutet für die Familie der Pflegebedürftigen vielfältige Belastungen:
- Die Pflege selbst schränkt ihren Alltag ein und bedeutet eine starke körperliche und seelische Herausforderung.
- Manche finden sich unvorbereitet in dieser Rolle wieder.
- Dazu kommt die Angst, den geliebten Menschen bald zu verlieren. Die Auseinandersetzung mit Verlustängsten und Trauer kommt im stressigen Alltag häufig zu kurz.
- Bei demenziell erkrankten Menschen verändern sich die vorherigen Beziehungen und Rollen.
- Viele pflegende Angehörige sind selbst bereits älter und brauchen Unterstützung. Dadurch kann es zu einer ständigen Überforderung kommen. Sie fühlen sich eventuell ausgebrannt, sind erschöpft oder depressiv.
Konflikte zwischen Pflegekräften und pflegenden Angehörigen
Bedingt durch die schwierige Situation der Angehörigen liegen bei ihnen oft die Nerven blank. Das hat mitunter Auswirkungen auf dich als Pflegekraft. Angehörige zeigen sich möglicherweise fordernd. Gleichzeitig versuchen sie, über alles die Kontrolle zu behalten und stellen eventuell sogar deine Kompetenz als Pflegefachkraft infrage.
Mögliche Schwierigkeiten:
- Die Angehörigen haben starken Redebedarf und benötigen viel Aufmerksamkeit. Das kostet wertvolle Zeit.
- Angehörige verlangen Extra-Handlungen von dir. Beispielsweise sollst du die pflegebedürftige Person zusätzlich eincremen, obwohl das nicht nötig ist.
- Sie übertragen eventuell ihre Schuldgefühle gegenüber dem pflegebedürftigen Menschen auf dich. Es kommt zu Anschuldigungen und Vorwürfen.
- Dominante Angehörige zweifeln möglicherweise an deiner Kompetenz und „überwachen“ dich misstrauisch. Manche installieren Videokameras, um die Pflege zu filmen.
- Vielleicht konfrontieren sie dich auch mit unrealistischen Therapieerwartungen.
7 Tipps für den Umgang mit schwierigen Angehörigen in der ambulanten Pflege
Angehörige wünschen sich, dass du viel Zeit mitbringst. Allerdings ist das kaum machbar. Für längere Aufenthalte und ausführliche Gespräche fehlt während der häuslichen Pflege meistens die Zeit. Trotzdem ergeben sich kurze Kommunikationsmomente während der Pflege. Wichtig ist, dass du dich bei der ersten Begegnung vorstellst. Nenne deinen kompletten Namen und auch deine Berufsbezeichnung. Das zeigt deine fachliche Kompetenz und schafft Vertrauen.
Tipp 1: Begegne auch schwierigen Angehörigen mit Offenheit
Versuche, auch das Verhalten schwieriger Angehöriger offen anzunehmen und nicht zu bewerten. Mach dir bewusst, dass hinter ihrem dominierenden, kontrollierenden Verhalten häufig Angst und Sorgen stecken. Sie möchten das Beste für ihren geliebten Menschen. Selbst können sie die häusliche Pflege nicht komplett allein stemmen. Aber sie haben (noch) Schwierigkeiten, dir zu vertrauen. Dieses Vertrauen kann sich aber entwickeln.
Tipp 2: Beziehe die Angehörigen mit ein
Erkläre den Angehörigen, was genau du warum tust. Lass sie teilhaben an der Versorgung. Wenn sie etwas nicht verstehen oder kritisieren, erkläre ihnen den Hintergrund für das, was du tust.
Tipp 3: Halte dich an Vereinbarungen
Sprich mit der Familie ab, wann du das nächste Mal vor Ort sein wirst. Falls du dich verspätest, ruf von unterwegs kurz an. Oder erkläre vorab, dass es auf deiner Tour immer Verzögerungen geben kann, zum Beispiel weil du im Verkehr stecken bleibst oder es einen Notfall gibt. Dir ist das bewusst, den Angehörigen höchstwahrscheinlich nicht.
Tipp 4: Frage Angehörige nach ihren Wünschen
Es hilft, wenn du von Anfang an für Klarheit sorgst. Manchmal haben Angehörige unrealistische Wünsche oder Erwartungen. Besprich mit ihnen deine Möglichkeiten, aber auch deine Grenzen. Vielleicht kannst du ihnen Tipps geben, wie sie sich weitere Unterstützung holen können.
Tipp 5: Sprich die Gefühle der Angehörigen an
Wenn du merkst, dass Trauer, Sorge, Hilflosigkeit und Angst hinter einem besonders herausfordernden Verhalten von Angehörigen stehen, sprich diese Gefühle an. Am besten ist es, Ich-Botschaften zu verwenden. „Ich spüre, dass Sie sich große Sorgen um Ihren Mann machen“ oder „Ich merke, dass Sie Angst um Ihre Mutter haben“, hilft vielleicht schon, um einer Auseinandersetzung eine vollkommen andere Wendung zu geben.
Tipp 6: Lass dich nicht in familiäre Konflikte hineinziehen
Auch wenn es schwerfällt: Bewerte die Situation, das Verhalten oder die Beziehung der Menschen untereinander nicht. Nimm die Gefühle der Angehörigen an, wenn diese über Konflikte erzählen. Signalisiere, dass du sie verstehst und dass du zuhörst. Bewerte aber nicht die familiären Probleme.
Tipp 7: Hol dir Rückendeckung von der Pflegedienstleitung
Sollten Angehörige dich offen oder versteckt per Video überwachen, sprich mit deiner Pflegedienstleitung. Dahinter steckt mangelndes Vertrauen. Das lässt sich möglicherweise im Gespräch mit der Pflegedienstleitung klären. Heimliches Filmen ist verboten, denn es stellt einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar. Außerdem verletzt es dein Recht am eigenen Bild. Dein Einverständnis ist in jedem Fall nötig. Es kann bei pflegebedürftigen Menschen mit einer Demenzerkrankung sinnvoll sein, eine Kamera aufzustellen. Diese muss aber abgeschaltet werden, wenn du während deiner Anwesenheit nicht gefilmt werden möchtest.
Konflikte mit schwierigen Angehörigen und herausfordernde Situationen kommen in der ambulanten Pflege immer wieder vor. Wenn du dich pflegenden Familienmitgliedern gegenüber offen zeigst und ehrlich sowie wertschätzend kommunizierst, kannst du viele Konflikte entschärfen. Allerdings brauchst du nicht alles allein zu regeln: Hol dir Unterstützung von deiner Pflegedienstleitung, wenn es nötig sein sollte.
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