Selbstfürsorge als Führungskraft in der Pflege: Tipps und Beispiele

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Gesunde Führung in der Pflege funktioniert nur mit Selbstfürsorge. Wir geben Tipps, wie du die fordernde Arbeit meisterst und worauf du besonders achten solltest.

Du bist in einer führenden Position in der Pflege tätig oder willst einmal eine solche übernehmen? Viele Gründe wie interessante Aufgabenbereiche oder ein besseres Gehalt sprechen dafür. Jedoch ist der Job als Führungskraft in der Pflege auch stressig. So hat zum Beispiel die Corona-Krise die Leiter:innen von Pflegeheimen, Krankenhausstationen oder ambulanten Pflegeteams vor unglaubliche Herausforderungen gestellt. Auch der Arbeitsalltag birgt fordernde Situationen wie Konflikte mit Angehörigen oder Mitarbeiter:innen. Mangelnde Selbstfürsorge kann dann schnell ein Gefühl der Überforderung hervorrufen. Hält dies länger an, können daraus gesundheitliche Probleme oder sogar ein Burnout resultieren. Nur, wer selbst gesund bleibt und sich mit Methoden, Übungen und diversen Strategien der Selbstfürsorge auseinandersetzt, ist in der Lage, sein Pflegeteam sicher zu lenken.

Motivierende und selbstbewusste Führung fordert die eigenen Ressourcen

Menschen zu führen, ihnen berufliche Perspektiven zu geben, ein Team zu bilden und den Anforderungen gerecht zu werden, ist keine leichte Aufgabe. Viele Pflegekräfte entscheiden sich daher gegen eine führende Position in ihrem Beruf. Andere wollen gerade diese Verantwortung übernehmen und ihren Handlungsspielraum erweitern. In der Pflege ist vieles im Wandel. Gut ausgebildete Pflegefachpersonen haben den Wunsch, durch Führung Herausforderungen zu stemmen und den Sektor nach vorne zu bringen.

Im Klinikalltag sind die Arbeitsbedingungen nicht immer leicht. Körperliche und psychische Belastungen sind keine Seltenheit. Neben diesen müssen Pfleger:innen in leitender Position Raum und Kraft haben, sich mit Mitarbeitergesprächen, Meetings, zu pflegenden Menschen und ihren Angehörigen sowie vielen administrativen Aufgaben auseinanderzusetzen.

Vieles verändert sich nach der Übernahme einer Führungsposition. Neben den Aufgaben ist es auch die neue Rolle, in die man sich einfinden muss. Führungskräfte in der Pflege tragen also auch eine große Verantwortung für sich selbst. Nur mit klarem Kopf und bewusstem Umgang mit den eigenen Ressourcen, ist es möglich, ein Team motivierend zu leiten. Die größte Gefahr dabei: die sogenannte Sandwichposition. So finden sich beispielsweise Stationsleitungen zwischen der Pflegedirektion und den Kolleg:innen. War man vor kurzen noch ein gleichwertiges Teammitglied, so ist man nun durch die höhergestellte Position nicht immer automatisch höher angesehen.

So oder so spielt die Mitarbeiterfürsorge eine wesentliche Rolle. In einem Berufsfeld, wo die Fürsorge einen enorm hohen Teil der täglichen Arbeit einnimmt, besteht natürlich auch gerade gegenüber dem Team oft ein besonders hohes Verantwortungsgefühl.

Gut führen kann nur, wer gesund bleibt

„Gut führen kann aber nur, wer gesund ist und bleibt – mitunter eine der größten Herausforderungen. Wer resilient ist, dem fällt es leichter.“ So bezeichnet es Gabriela Koslowski in ihrem Artikel „Stets im Doppelpack: Führung und Selbstfürsorge“. Frau Koslowski ist psychologische Beraterin, Mentalcoach und Mediatorin für Gesundheitsberufe. Sie schreibt: „Vor 14 Jahren bin ich selbst in eine Stressspirale gelangt, aus der ich psychisch und emotional völlig erschöpft herausging. Kurz: Ich hatte ein Burnout. Seitdem weiß ich, wie schnell das gehen kann und vor allem, wie wichtig es ist, auf sich zu achten und die eigenen Grenzen zu akzeptieren.“



Warnzeichen, auf die Führungskräfte achten sollten

Seine Grenzen akzeptieren und sich nicht aufopfern – in Pflegeberufen nicht immer leicht. Pflegedienst- oder Stationsleiter:innen vergessen bei dem Versuch, allen gerecht zu werden oder ihre Mitarbeitenden schützen, oft sich selbst. Doch Warnsignale dürfen nicht zu spät erkannt werden. Sonst befinden sich Pflegefachleute in Führungspositionen bald in einem kritischen Stadium. Gabriela Kowslowski verweist daher auf erste Anzeichen einer möglichen Überforderung:

  • Selbstzweifel und Unzufriedenheit
  • Müdigkeit und Antriebslosigkeit
  • Schlafstörungen und Unruhe
  • Psychosomatische Symptome (z. B. Kopf-und Rückenschmerzen, Magenbeschwerden, Atembeschwerden, Ohrgeräusche)
  • Emotionale Erschöpfung (das Gefühl, den Aufgaben nicht mehr gewachsen zu sein, gekoppelt mit Angst und Hilflosigkeit)
  • Kompensation („Stressabbau“ durch ungesunde Lebensweise, wie Zigaretten-, Kaffee- oder Süßigkeitenkonsum)
  • Kraftlosigkeit (keine Motivation für soziale Kontakte oder sportliche Aktivitäten)
  • Dehumanisierung (auch als Cool-out in der Psychologie bekannt, Emotionen und empathische Züge scheinen „eingefroren“)

Selbstfürsorge-Beispiele für Führungskräfte in der Pflege

Verantwortung sowie Vorbildfunktionen sind ernstzunehmende Fürsorgepflichten. So sendet eine Stationsleitung, wenn sie krank ist und sich keine Zeit zur Genesung gönnt, ein falsches Signal an ihr Team. Pflegekräfte in führenden Positionen sollten als Vorbild mit Methoden und Strategien für eine gelungene Selbstfürsorge vorangehen. Neue Ideen in diesem Zusammenhang sollten im Team-Meeting willkommen sein.

Gabriela Koslowski und bietet Beispiele und Ratschläge für Selbstliebe in Führungspositionen, welche nicht mit Egoismus zu verwechseln ist:

  • Abgrenzung: Höflich darauf hinweisen, dass man nicht immer spontan ansprechbar ist. Lieber auf feste Zeiten verweisen oder einen Termin ausmachen.
  • Definition der eigenen Stärken: Um Führen zu können, bedarf es eines gewissen Selbstbewusstseins. Nicht Arroganz, sondern Selbstwertgefühl, ausgerichtet auf die positiven Eigenschaften. Frauen, insbesondere in führenden Positionen, fällt eine solche Aufwertung der eigenen Person leider noch immer schwerer als Männern.
  • Freiräume schaffen: Auch Führungskräfte benötigen Zeit für sich. Besonders in stressigen Zeiten sollte niemals auf den entspannten Spaziergang in der Natur oder den Besuch im Café verzichtet werden. Den eigenen Akku gilt es regelmäßig aufzuladen.
  • Belohnen statt immer wieder indirekt zu bestrafen: Nach getaner Arbeit direkt die nächste Hürde stemmen? Vielleicht ist es an der Zeit, sich viel öfter selbst ein „Dankeschön“ zu schenken. Wertschätzung funktioniert nicht nur gegenüber anderen Personen. Sich selbst Anerkennung zu geben, ist oft mehr wert, als ein „Schulterklopfen“ durch die Vorgesetzten.

Selbstfürsorge lernen ist gar nicht so schwer

Selbstfürsorge im Beruf bedeutet, Verantwortung nicht mit Aufopferung zu verwechseln. Führen impliziert eine gewisse Vorbildfunktion: gesund bleiben, damit die Mitarbeiter:innen es einem gleichtun. Die sogenannte „Perfektionismusfalle“ kann vielen Führungskräften gefährlich werden. Ist das Selbstwertgefühl schon am Boden, rückt man meist seine Fehler in den Fokus und nicht die Erfolge. Daraus resultiert, dass alles „noch perfekter“ erledigt werden muss, um hier einen Ausweg zu finden. Doch der Wille, immer alles hundertprozentig perfekt zu meistern, kann zu einer enttäuschenden Selbsterkenntnis führen. Sinnvoller ist es, auch in Führungspositionen alles im Beruf mit einer gesunden Relation zum Wohlbefinden zu sehen.

Wer eine Führungsposition in der Pflege hat, stellt sich vielen spannenden und abwechslungsreichen Herausforderungen. Diese können mit der falschen Herangehensweise jedoch kräftezehrend werden und im schlimmsten Fall zu einem Ausstieg führen. Richtig in Angriff genommen, funktioniert gesunde Führung auch in der Pflege und alle profitieren. Je stressiger der Berufsalltag ist, desto wichtiger ist es, die eigenen Emotionen und Bedürfnisse niemals außer Acht zu lassen. Wer sich Raum schafft, seine Stärken und Fähigkeiten anzuerkennen, der kann Wertschätzung auch an andere weitergeben.

Sarah Micucci


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