Die Pflegereform – ein trojanisches Pferd kurz vor der Bundestagswahl

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Stefan Heyde


Nun ist es doch noch passiert: Die Pflegereform von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wurde auf den Weg gebracht. Daran geglaubt hatten wohl nur noch die Wenigsten, gehofft auf ein besseres Ergebnis wohl die Meisten.

Aber kommen wir zum springenden Punkt, denn laut Pflegereform sollen Altenpflegekräfte künftig einheitlich bezahlt werden und das Lohndumping ein Ende haben. Erst einmal kurz tief Luft holen und feiern. Klingt doch fürs Erste sehr gut. Aber da wäre noch das Kleingedruckte und die damit verbundenen Spielräume, mit denen Pflegeeinrichtungen abermals Schlupflöcher geöffnet werden, durch die sie dann doch wieder zu niedrigen Tarifen bezahlen können.

Wie das funktioniert? Ja, auch ich musste mich da ein wenig in die Formulierung einlesen, aber dann konnte ich nur den Kopf schütteln. Denn es zeigt sich abermals, wie wenig sich die Altenpflege im Moment auf die Politik verlassen sollte und wie wichtig es ist, sich zu informieren und kritisch zu bleiben.



Diese Pflegereform birgt bei genauerem Hinsehen das Risiko, dass sie für einen Großteil der Altenpflegekräfte nicht greifen könnte, denn: Durch die gewählten Formulierungen hat jede einzelne Pflegeeinrichtung eines Bundeslandes die Möglichkeit, einen eigenen und damit eben auch sehr niedrigen Tarifvertrag auszuwählen. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser Vertrag dann nur für wenige Pflegekräfte seine Wirksamkeit hat. Weitere Einrichtungen in diesem Bundesland könnten sich ebenso an derartigen „Dumping-Tarifverträgen“ orientieren, wodurch das regionale Lohnniveau in der Altenpflege sogar noch weiter sinken würde.

Einen Mechanismus, um dies zu verhindern, findet man in dieser Pflegereform nicht – ein Schelm wer Böses denkt.



Einen Kampf gewonnen für die Altenpflege. Hauptsache irgendwie etwas verabschiedet – kurz vor der nächsten Wahl. Wie es danach weitergeht, kann ihm doch vollkommen egal sein. Er wird dieses Amt höchstwahrscheinlich nicht mehr ausüben. Der Berg an einer dringenden, ganzheitlichen Reform bleibt für die nächste Regierung liegen.

Ich überlege und mir kommt dazu eine Geschichte aus dem alten Rom in den Sinn. Dort gab es das Ritual, dass hinter dem siegreichen Feldherrn beim Triumphzug jemand stand oder ging und ihm einen Lorbeerkranz über den Kopf hielt und ununterbrochen mahnte: „Bedenke, dass auch du sterben wirst. Bedenke, dass auch du ein Mensch bist. Sieh dich um und bedenke, dass auch du nur ein Mensch bist.“

Ja, es wäre schön, wenn hinter so manchem Politiker jemand stünde und diese alten Verse ständig aufsagen würde. Vielleicht würde es diesen wieder in die Gegenwart zurückholen. Eine Gegenwart, in der jeder von uns alt und krank wird. In der jeder eine menschenwürdige Pflege verdient hat. Und in der es dann vielleicht irgendwann mal ausreichend qualifiziertes und angemessen bezahltes Pflegepersonal gibt – ohne Ausnahmen.

Träumen darf man ja noch.


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