Der Streik der Krankenpflege vs. Prominente im Krankenhaus

Inspiriert von der faszinierenden Welt der Medizin und Pflege, möchte unser Redaktionsteam sich mit Fachkräften austauschen, Perspektiven aufzeigen mit Interviews und Reportagen, um die Vielfalt des Pflegealltags zum Ausdruck bringen.

Stefan Heyde


Vier Wochen hat die Pflege in Berlin gestreikt. Und die Medien haben darüber berichtet. Es ging um den Kampf, den die Pflegekräfte angeblich nie kämpfen wollten: Es ging um eine angemessene Bezahlung, um Gehaltsunterschiede von bis zu 900 Euro. Es ging um verbindliche Personalquoten, damit endlich mehr Fachkräfte am Patientenbett sind und dort Notfälle verringern, schneller reagieren oder einfach nur menschenwürdige Pflege durchführen können.

Jetzt hat sich Verdi mit den Kliniken geeinigt und das Thema verspricht keine Schlagzeilen mehr. Ähnlich war es auch mit dem flächendeckenden Tarifvertrag in der Altenpflege, dessen Umsetzung letztlich gescheitert ist. Kaum jemand, der nicht in der Pflege arbeitet, wird sich an die Diskussion darüber erinnern, war sie doch nur eine Randnotiz in den Medien. Zurück bleiben die Pflegekräfte mit ihrer psychischen und physischen Belastung, die schon vor Corona enorm hoch war.



Hätte die Pflege nur einen Tag lang den gleichen medialen Stellenwert wie die aktuellen Koalitionsverhandlungen, würde jede:r in Deutschland über die Situation der Pflegekräfte Bescheid wissen. Und jede:r sollte Bescheid wissen, denn Pflege betrifft früher oder später uns alle. Wie wir regiert werden wollen, ist mit der Frage, wie wir gepflegt werden wollen, unmittelbar verknüpft.

Ich befürchte, viele Menschen haben sich im Rahmen von Corona an der Pflege „satt gesehen“. Noch nie stand die Berufsgruppe so im Fokus. Doch nun reichen die „normalen“ Pflegekräfte nicht mehr und SAT.1 schickt für die Reportage-Reihe „Die Herzblut-Aufgabe“ Prominente ins Krankenhaus. Natürlich zeigt man auch auf diese Weise die Zustände dort. Doch die Vermutung liegt nahe, dass es hier vor allem um die Quote geht, die durch die schockierten Promis und ihre Tränen erzielt werden soll. Dass sie dem ohnehin überlasteten Personal wahrscheinlich eher im Weg stehen, ist irrelevant.

Leid, Schicksale und bekannte Gesichter verkaufen sich eben besser als streikende Pflegekräfte. Auf der heimischen Couch kann man sich daran berauschen, sich ekeln oder darüber aufregen und: Wieder abschalten, wenn man keine Lust mehr hat.

Stefan Heyde

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