Stefan Heyde: „Wie viel ‚Herzblut‘ muss die Pflege noch ertragen?“

Inspiriert von der faszinierenden Welt der Medizin und Pflege, möchte unser Redaktionsteam sich mit Fachkräften austauschen, Perspektiven aufzeigen mit Interviews und Reportagen, um die Vielfalt des Pflegealltags zum Ausdruck bringen.

Stefan Heyde


Vor einer Woche startete auf Sat.1 „Die Herzblut-Aufgabe“, bei welcher Prominente zum Wohle der Quote für den Sender in die Pflege dürfen. Nicht ohne vorherigen „Crashkurs“ von zwei Tagen mit einer Abschlussprüfung. Ein Schlag ins Gesicht aller Pflegekräfte, die unendlich viel Zeit mit Aus- und Fortbildungen verbracht haben.

Was dann folgte, kann Pflegekräfte einfach nur kopfschüttelnd und wütend zurücklassen. Es wird wieder einmal das große Klavier gespielt: Gefühle, Emotionen und Aufgaben. Ein Promi mit zweitägiger „Ausbildung“ zieht einen Drainageschlauch. In diesem Moment stockte mir der Atem. In meiner Ausbildung durfte ich das erst nach zweieinhalb Jahren. Vorab musste ich etliche Male alles dazu aufzählen und wiederholen, ich musste Grundlagen erlernen und mich vorbereiten. Der Sender feiert es derweil mit einem Tweet bei Twitter.



In einer anderen Situation sticht sich ein anderer Promi an einer Nadel, immerhin noch steril. Welch ein Glück, aber was wäre gewesen, wenn eben dieser Promi vorher einen Patienten damit gestochen hätte? Ein unglaubliches Gefahrenpotential für alle Beteiligten. Wieder einmal spielt man die berühmte „pflegen-kann-jeder“-Karte.

Ich muss mir vorstellen, wie es für die Beteiligten ist. Auf der einen Seite die Pflegekräfte, in Unterbesetzung und normalem Alltag mit einem zusätzlichen “Praktikanten“ inklusive Kamerateam am Bein. Und auf der anderen Seite die Patient:innen mit ihren Krankheiten, Nöten und Ängsten, die sie wahrscheinlich vor der Kamera verbergen oder unterdrücken. Welcher Mensch hat schon in solch einer „Ausnahmesituation Krankenhaus“ dann auch noch gern die Kamera im Gesicht und dazu einen Promi im Zimmer?

Als die Sendung vorbei ist, bin ich fassungslos. Ich sitze einige Minuten da und kann meinen Zorn kaum in Worte fassen. Wie vielen Pflegekräften wird es in diesem Moment ähnlich gehen? Nach einigen Minuten besinne ich mich. Ich denke nach, werde traurig und nachdenklich und kann dann nur eines schreiben:

Liebe Pflegekräfte, die ihr da draußen seit unzähligen Jahren, für zu wenig Lohn und unter miserablen Arbeitsbedingungen arbeitet und den Beruf von der Pieke auf gelernt habt. Genau ihr seid für mich die Menschen, welche den Job täglich mit Herzblut machen - keine Möchtegern-Promis für Einschaltquote, Aufmerksamkeit und Bekanntheit.

Stefan Heyde

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