Konflikte mit Angehörigen im Pflegeheim entschärfen

Wie du Konflikte mit Familienmitgliedern von Patient:innen entschärfen oder gar verhindern kannst, liest du hier.

„Zu Hause hat mein Mann nie so früh gegessen!“ Kritische und überfürsorgliche Angehörige bringen die Routine im Pflegeheim durcheinander. Im hektischen Pflegealltag kostet das nicht nur wertvolle Zeit, sondern auch Nerven. Negatives Feedback belastet und geht an die Substanz. Wie du Konflikte mit Familienmitgliedern entschärfen kannst, erfährst du hier.

Der Umzug eines pflegebedürftigen Menschen in ein Pflegeheim ist für Angehörige belastend: Oft haben sie ihre Eltern, Großeltern oder ihre:n Ehepartner:in über Monate oder Jahre hinweg aufopferungsvoll gepflegt. Aber manchmal lässt sich die häusliche Pflege nicht aufrechterhalten. Dieser Übergang führt häufig zu Schuldgefühlen. Trotzdem haben Angehörige eine genaue Vorstellung davon, wie die optimale Pflege für ihr Familienmitglied aussehen sollte. Schließlich waren sie lange Zeit selbst dafür verantwortlich. Allerdings lassen sich diese Wünsche nicht unbedingt mit der Realität des Pflegealltags vereinbaren. Oft sind es kleine Dinge wie die ungekämmten Haare des Opas oder ein Fleck auf der Bluse der Ehegattin, die zum Stein des Anstoßes werden.

Angehörige sind fachlich, zeitlich oder emotional überfordert mit der Pflege. Im Pflegeheim erleben sie Personal, das ebenfalls am Limit arbeitet. Sie machen sich Sorgen um ihre pflegebedürftigen Angehörigen. Rund eine Million Menschen in Deutschland werden in Pflegeheimen versorgt. Überall herrscht Personalmangel. Für Gespräche und menschliche Zuwendung bleibt oft nur wenig Zeit. Wenn dann Angehörige den Ablauf durcheinanderbringen, liegen deine Nerven vermutlich blank. Konflikte dieser Art belasten. Auf Dauer machen sie sogar krank, denn der Stress führt zu Nervosität und Unruhe, löst Ängste aus und mündet nicht selten in einem Burnout.

7 Möglichkeiten, um Konflikte mit Angehörigen von Anfang an zu verhindern

Oft hilft es, Angehörigen die Angst zu nehmen und sie in die Abläufe innerhalb des Pflegeheims einzuweihen. Angehörigenarbeit ist wichtig, denn die Angehörigen sind es, welche die Einrichtungen auswählen. Zufriedene Angehörige äußern sich lobend, hinterlassen positive Bewertungen und verbessern die Außenwahrnehmung des Pflegeheims.

#1 Transparenz zeigen

Wie arbeitet das Pflegeheim? Das lässt sich bei einem Tag der offenen Tür vermitteln, aber auch durch Werbematerialien und Offenheit in Gesprächen.

#2 Angehörige einbeziehen

Bei Einzug der neuen Bewohnerin/des neuen Bewohners ist es sinnvoll, die Familie zu den Gewohnheiten, Wünschen und Bedürfnissen der pflegebedürftigen Person zu befragen. Zum einen bringt das der Familie Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegen. Zum anderen kann das Angesprochene im Idealfall in der Pflege berücksichtigt werden. Besonders hilfreich ist das, wenn der pflegebedürftige Mensch dement ist und/oder sich selbst nicht mehr äußern kann.

#3 Personal vorstellen

Es stärkt das Vertrauen in die Einrichtung, wenn kritische Angehörige ausgewählte Mitarbeiter:innen des Pflegeheims persönlich kennenlernen. Bei der Vorstellung sollten unbedingt ihre Kompetenz und Erfahrung betont werden. Diese Pflegekräfte können später als Ansprechpartner:innen zur Verfügung stehen.

#4 Team wertschätzen

Wichtig ist, an einem Strang zu ziehen und gegenüber Angehörigen als ein Team, dessen Mitglieder sich gegenseitig wertschätzen, aufzutreten. Dadurch sind die Teammitglieder als Einzelpersonen weniger angreifbar.

#5 Info-Abende veranstalten

Themenabende zu Inkontinenz, Diabetes, Demenz oder Parkinson geben Angehörigen Einblicke in den Alltag ihrer Lieben und in ihren Tagesablauf. Hier kann Verständnis für bestehende Abläufe geweckt werden.

#6 Konfliktfähigkeit verbessern

Die Kommunikation zwischen kritischen, fürsorglichen Angehörigen und Pflegekräften kann in Form von Schulungen und Rollenspielen geübt und verbessert werden.

#7 Deutschkenntnisse vertiefen

Wichtig ist auch, Mitarbeiter:innen mit anderer Muttersprache zu schulen, damit sie sich Auseinandersetzungen mit Angehörigen gewachsen fühlen.

Konflikte zwischen Familie und Pflegepersonal entschärfen

Kritik bezieht sich häufig auf den Tagesrhythmus des Pflegeheims, die Art und den Umfang der Pflegeleistungen sowie auf die Sprachkenntnisse der Pflegenden. Nimm die Kritik ernst. Aber lass dich nicht auf einen Streit ein. Versuch, ruhig und gefasst zu bleiben. In den meisten Fällen handelt es sich nicht um persönliche Kritik an dir und deiner Arbeit. Vielmehr bringen Angehörige ihre Sorge um das Wohlergehen ihrer Angehörigen zum Ausdruck. Manche quälen sich mit Schuldgefühlen. Sie wollen zeigen, dass sie für ihr Familienmitglied da sind, auch wenn es jetzt in einem Pflegeheim lebt.

Streitpunkt Tagesrhythmus

Im Pflegeheim ist der Tagesablauf in der Regel straff organisiert. Strukturen geben den Bewohner:innen Halt und Sicherheit. Aber dahinter steckt gleichzeitig die Notwendigkeit, alles in der vorgegebenen Zeit zu schaffen. Das Qualitätsmanagement regelt, wie lange die jeweiligen Handlungen und die Kontakte zu einzelnen Pflegebedürftigen dauern dürfen.

Wir geben dir ein paar Beispiele für typische Kritikpunkte und machen Vorschläge, wie du darauf reagieren kannst, um den Konflikt schnellstmöglich zu entschärfen.

Kritikpunkte von Angehörigen:

  • „Zu Hause gehen wir nie so früh ins Bett.“
  • „Abendessen um 17 Uhr? Meine Frau isst aber später zu Abend.“
  • „Wir verbringen immer den gesamten Tag zusammen.“

Mögliche Reaktion:

Zeige dem Angehörigen, dass du seine Situation verstehst. Es bedeutet eine enorme Anpassung, den eigenen Lebensrhythmus aufzugeben. Aber auch du als Pflegekraft hast keine Wahl: Du musst dich an die Vorschriften halten. Versuche, genau das zu erklären und ein Wir-Gefühl herzustellen.

  • „Ich verstehe, dass das für Sie beide eine Umstellung bedeutet. Wir tun unser Bestes, jede:n unserer Bewohner:innen individuell zu betreuen. Aber wir müssen uns an den Tagesablauf des Pflegeheims halten. Gemeinsam schaffen wir es bestimmt, Ihre Frau daran zu gewöhnen.“ (Auf diese Weise verbündest du dich mit dem besorgten Angehörigen.)
  • „Bei uns gibt es Besuchszeiten. Sie haben all die Jahre so viel Zeit und Liebe in die Pflege Ihrer Frau investiert. Gönnen Sie sich ruhig eine kleine Auszeit. Machen Sie auch mal etwas Schönes, nur für sich. Bei uns ist sie in guten Händen, und morgen können Sie sie ja wieder besuchen und ihr damit Freude machen.“ (Das beruhigt das Familienmitglied und mildert das schlechte Gewissen.)

Streitpunkt Pflegeleistung

Angehörige haben ein bestimmtes Bild von ihren Angehörigen im Kopf. Vielleicht war die Großmutter zeitlebens eine elegante Dame, die zu Hause am liebsten Blusen, Röcke und Strumpfhosen trug. Im Alter fällt es ihr aber möglicherweise leichter, eine bequeme Jogginghose und einen Pullover überzuziehen. Das ist den Familienmitgliedern nicht unbedingt bewusst. Sie denken möglicherweise, dass ihre geliebte Oma schlecht versorgt wird. Dabei geht der veränderte Kleidungsstil vielleicht sogar auf ihren eigenen Wunsch zurück. Hier hilft es, wenn du der Familie die Situation in aller Ruhe erklärst.

Manchmal ist es auch eine gute Idee, die Angehörigen in die Versorgung mit einzubinden. Das gibt ihnen das Gefühl, immer noch in die Pflege involviert zu sein und ihren Teil beitragen zu können. Gleichzeitig erleben sie Wertschätzung, wenn du als Pflegefachkraft ihren Einsatz lobst.

Kritikpunkte von Angehörigen:

  • „Mein Mann ist ja immer noch nicht geduscht.“
  • „Wieso trägt er denn immer noch das gleiche Shirt? Ziehen Sie ihm denn gar keine frische Kleidung an?“
  • „Meine Mutter ist ja ungekämmt!“

Mögliche Reaktion:

  • „Ihr Mann hat morgen seinen Duschtag. Möchten Sie ihn unterstützen und ihn trocken reiben?“ (Falls seine Ehefrau sowieso am nächsten Morgen vor Ort ist.) Oder: „Für Ihren Mann ist das Duschen sehr anstrengend. Er möchte lieber nur einmal die Woche geduscht und sonst gewaschen werden.“ (Wenn das der Realität entspricht.)
  • „Wenn Sie möchten, legen Sie gern Kleidung für ihn raus. Das hilft uns sehr, denn dann wissen wir, was er gern trägt. Die frischen Sachen ziehen wir ihm morgen früh gleich an.“ (Damit drückst du Wertschätzung für die Mithilfe aus.)
  • „Sie haben Recht, ihr Haar sitzt wirklich nicht gut. Möchten Sie sie kämmen? Wir freuen uns, dass Sie mithelfen und Ihre Mutter so unterstützen.“ (Auch das bestätigt die Angehörigen.)

Streitpunkt Sprachkenntnisse

Viele Pflegekräfte haben Migrationshintergrund. Sie beherrschen die deutsche Sprache unterschiedlich gut. Selbst mit einem B2-Zertifikat ist nicht gesagt, dass sie sich im Alltag sicher verständigen können. Auch das kann zu Problemen mit der Familie der/des zu Pflegenden führen.

Kritikpunkte von Angehörigen:

  • „Ich möchte nicht, dass Frau Wiśniewska meinen Großvater pflegt.“
  • „Meine Mutter versteht Frau Wang ja überhaupt nicht.“

Mögliche Reaktion:

  • „Frau Wiśniewska kümmert sich sehr liebevoll um Ihren Großvater. Vielleicht klappt es sprachlich noch nicht hundertprozentig. Aber unsere Kollegin holt immer mehr auf.“
  • „Wir sind sehr dankbar, dass wir Frau Wang bei uns haben. Sie ist eine hochqualifizierte Fachkraft. Ihr Deutsch ist vielleicht noch nicht so gut, aber sie lernt sehr schnell.“

Es ist wichtig, Kolleginnen und Kollegen, die im Deutschen noch nicht sattelfest sind, zu unterstützen. Zeige bei Kritik, dass du hinter ihnen stehst und sie als wertvolle Teammitglieder empfindest. Das hilft, Vorurteile abzubauen.

Konflikte mit Angehörigen sind im Pflegeheim keine Seltenheit. Es gibt Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken: Vor allem durch Transparenz, das Auftreten als Team und die Einbeziehung der Familienmitglieder lassen sich Probleme vermeiden oder schnell aus der Welt schaffen. Trotzdem sollte die Kritik ernstgenommen werden. Mach dir bewusst, dass hinter kritischen Anmerkungen meistens Schuldgefühle und Sorgen stehen. Dann fällt es dir hoffentlich leichter, dich dagegen ein Stück weit abzuschotten.

Michaela Hövermann

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