In Deutschland herrscht Pflegenotstand und Fachkräftemangel in den Pflegeberufen, nicht erst seit der Corona-Krise. Die Gründe dafür sind unter anderem der frühzeitige Berufsausstieg von Pflegekräften. Sie verlassen ihre Jobs oder wechseln in andere Branchen. Dort finden sie oft das, wofür die Pflegebranche seit Jahren kämpft: bessere Arbeitsbedingungen, ein höheres Gehalt und mehr Anerkennung.
Es ist für die Gesellschaft enorm wichtig, genau zu verstehen, aus welchen Gründen die Pfleger:innen aus ihrem Beruf aussteigen und was sich an den Arbeitsbedingungen verändern muss, damit sie bleiben oder zurückkehren. Nur so können alle Akteure langfristig daran arbeiten, den Personalmangel zu beheben.
Um mehr über die Beweggründe herauszufinden, hat MEDWING eine Umfrage unter 386 Pflegekräften, die nicht mehr im Pflegeberuf arbeiten, durchgeführt. 40 Prozent von ihnen arbeiteten dabei früher als examinierte Gesundheits- und Krankenpfleger:innen, 33 Prozent als Pflegehilfskraft/ -assistenz und fünf Prozent als Altenpfleger:innen. 25 Prozent der Befragten gaben bei ihrer Ausbildung Sonstiges an. 80 Prozent der Befragten waren weiblich. Außerdem arbeiteten sie vorwiegend in Vollzeit, nämlich zu 57 Prozent und zu 45 Prozent zuletzt in einem Krankenhaus.
Die allermeisten Pfleger haben die Gesundheitsbranche komplett verlassen. Nur zehn Prozent gingen weiterhin einem Job in dieser Branche nach.
Die Teilnehmer:innen wechselten dabei überwiegend in die Dienstleistungsbranche (15 Prozent).
40 Prozent gaben an, dass ein zu niedriges Gehalt ein wichtiger Grund war, die Pflegebranche zu verlassen. 23 Prozent nannten als weiteren Nachteil zu viele Nacht-, Feiertags- und Wochenenddienste, 22 Prozent die ungünstigen Arbeitszeiten, die beispielsweise nicht mit den Schulzeiten der Kinder kompatibel sind. Weitere triftige Gründe, die Pflege zu verlassen, waren zu wenig Zeit für Patienten (41 Prozent) und zu wenig Personal pro Patient (40 Prozent). Auch die geringen Karriere- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten gaben 24 Prozent der Pflegekräfte als wichtigen Grund an, warum sie den Job gewechselt haben, ebenso die mangelnde Anerkennung durch andere Berufsgruppen (23 Prozent) oder die Einrichtungsleitung (25 Prozent). Mangelnde Wertschätzung durch die Patienten scheint kaum ein Problem darzustellen, 58 Prozent der Umfrage-Teilnehmer:innen sahen darin keinen Grund, die Pflege zu verlassen.
43 Prozent der Befragten gaben an, jetzt deutlich zufriedener zu sein, im Vergleich zu ihren alten Jobs in Altenpflegeeinrichtungen und Krankenhäusern. Die Gründe: bessere Planbarkeit (48 Prozent) und höheres Gehalt (37 Prozent). Die Kehrseite der Medaille: 48 Prozent vermissen das Arbeiten mit Patienten sehr, 41 Prozent sehr stark die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit.
Als Hinderungsgrund, in einen Pflegeberuf zurückzukehren, wurden folgende Aspekte als sehr wichtig gewertet: Zu niedriges Gehalt (46 Prozent), ungünstige Arbeitszeiten (32 Prozent) und zu wenig Personal je Patient (41 Prozent).
Gefragt, was den Ex-Pflegekräften helfen würde, sich zukünftig wieder für einen Beruf in dieser Branche zu entscheiden, gaben mehr als die Hälfte Folgendes an: mehr Informationen zum aktuellen Gehalt. Auffällig: Gerade bei den ehemaligen, examinierten Altenpfleger:innen scheint das ein besonders wichtiger Punkt zu sein (72 Prozent). Immerhin noch 40 Prozent gaben mehr Informationen über Wiedereinstiegsmöglichkeiten an.
Die gute Nachricht: Ingesamt gaben 36 Prozent der ehemaligen Pflegekräfte an, dass sie sich eine Rückkehr in die Pflege absolut vorstellen können. Unter den richtigen Bedingungen könnte das Fachkräftepotential in Zukunft also besser genutzt werden. Vor allem muss die hohe Arbeitsbelastung des Pflegepersonals finanziell besser honoriert werden.
Julia Wagner