Eine Anlage Mitten im Grünen vor den Toren Berlins. Große Mosaik-Fenster, mit Säulen verzierte Eingangsbereiche, eigene Badehäuser und eine Stille, die es in der Großstadt so nicht mehr gibt. Wer die Beelitzer-Heilstätten betritt, merkt sofort, dass hier mal eine Vorzeige-Klinik gestanden haben muss.
Heute allerdings, wirkt der Ort gespenstisch. Man sieht ihm sein Alter und die Vernachlässigung an - die Wände sind mit Graffitis überzogen und Fenster eingeworfen, die Natur bahnt sich ihren Weg durch das Mauerwerk. Bäume wachsen auf den halb eingestürzten Dächern.
Was ist hier passiert? Wer wurde in den Heilstätten früher untergebracht? Und wieso verfällt das Gelände heute zu einem Lost Place der Medizin.
Ende des 19. Jahrhunderts war Tuberkulose eine hochansteckende bakterielle Krankheit und wesentliche Todesursache für knapp 50 Prozent aller 15- bis 40-Jährigen in Deutschland. Besonders in großen Städten wie Berlin, in denen hygienische Standards niedrig und der Wohnraum beengt war, wurde Tuberkulose zu einer zentralen Herausforderung und es entstanden Heilstätten.
Zwischen 1898 und 1902 wurde dann an jenen in Beelitz gebaut. Auf einer Gesamtfläche von circa 200 Hektar entstanden 60 Gebäude. Getrennt durch eine Bahnlinie, wurden im Süden Sanatorien zur Behandlung nicht ansteckender Krankheiten errichtet, im Norden wiederum die Lungenheilstätten. Nach Geschlecht wurde außerdem getrennt: erkrankte Frauen waren in westlichen, die Männer in östlichen Bereichen untergebracht.
Im Ersten und Zweiten Weltkrieg wurden die Beelitzer Heilstätten als Lazarett und Sanatorium für verwundete und erkrankte Soldaten genutzt. Zwischen 1914 und 1918 konnten in Beelitz rund 17.500 Rekonvaleszenten aufgenommen werden. Darunter befand sich auch Adolf Hitler, der von Oktober bis Dezember 1916 in Beelitz untergebracht war.
1942 wurde südlich des Frauen-Sanatoriums ein Ausweichkrankenhaus für Potsdam gebaut, welches als Fachklinik für Lungenkrankheiten und Tuberkulose im zivilen Dienst beansprucht wurde.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde 1945 das gesamte Gelände von der Roten Armee übernommen. Bis 1994 wurden die Heilstätten dann als das größte Militärkrankenhaus der sowjetisch-russischen Armee im Ausland genutzt. In dieser Zeit war auch der an Leberkrebs erkrankte Erich Honecker in Beelitz untergebracht.
Mit Abzug der sowjetischen Truppen, begann dann der Vandalismus an de verbliebenen Beelitzer Heilstätte. Buntmetall wurde aus den Wänden gerissen, Graffiti gesprüht, altes Mobiliar geklaut und einige Bereiche der Gebäude komplett zerstört. Was darauf folgte war die Absperrung des Areals, um die unter Denkmalschutz stehenden Häuser vor weiterer Zerstörung zu bewahren.
Aktuell wird das Gelände ständig durch einen Wachschutz vor Ort und die Polizei bewacht. 2008 fand sich außerdem ein Käufer und es finden täglich unterschiedliche Führungen statt, zu denen man das Gelände besuchen darf. Einige von ihnen sind kostenlos, für andere zahlt man etwas.
Für eine Millionensumme wurde dann 2015 ein erster Baumkronenpfad installiert. In einer Höhe von knapp 20 Metern, führt er über den Wald und das ehemalige Frauensanatorium. Als Attraktion soll der Pfad zusätzliches Leben und Tourismus in den Beelitzer Betrieb und die umliegende Ortschaft bringen.Bis 2028 soll außerdem auf dem Gelände ein ganzer Stadtteil entstehen: mit 750 Wohneinheiten, Gewerbeflächen, Kitas, Schulen, Arzt- und Pflegeeinrichtungen.
Mittlerweile kommen aus ganz Europa Geisterjäger und Sensationstouristen. Denn alleine der Gedanke an ein abgelegenes Waldareal auf dem ein verlassenes Krankenhaus steht, indem Patienten natürlich auch gestorben sind, ist für viele spannend. Teilweise haben bereits illegale Führungen auf dem Areal stattgefunden. Es wird berichtet von unerklärbaren und gruseligen Szenarien: von Türen und Gegenständen, die sich wie von selbst plötzlich bewegen, Schritte auf den Gängen und Schreie, die aus den alten Räumen der Chirurgie zu hören sind. Der Investor der Beelitzer Heilstätten allerdings, verweist bei all diesen Geschehnissen auf fantastische Erzählungen. Nicht zuletzt, weil durch solche Geschichten, auch Besucher abgeschreckt werden und damit ein wirtschaftlicher Schaden für die Betreiber besteht.Tatsächlich aber, sind Morde auf dem Gelände schon passiert.
1991 ermordete die “Bestie von Beelitz”, eine ehemaliger Polizist, die Frau des russischen Chefarztes und ihr Baby, als diese in den Wäldern von Beelitz spazieren ging. Die Mordserie wurde später in Dokumentarfilmen und Theaterstücken thematisiert. Ein zweiter Mord geschah 2008, als ein Hobbyfotograf sein Fotomodell im ehemaligen Pförtnerhaus erwürgte.
Nicht durch einen Mord verübt, starb ein weiterer Mensch, zwei Jahre später, 2010. Ein Mann stürzte aus dem vierten Stock in den Tod. Nur wenige Tage später kam es zu einem weiteren Unfall. Ein 32 Jahre alter Mann wurde schwer verletzt geborgen. Er war in einen Schacht gefallen.
Wer sich das Gänsehaut-Feeling und die Gruselszenarien wünscht, der sollte sich den Film “Heilstätten” anschauen. Hier gehen YouTuber den Gruselgeschichten von Beelitz nach und bemerken erst zu spät, in welche Situation sie sich begeben haben.
Auch wenn der Film nicht in Beelitz, sondern in Grabowsee gedreht wurde, animierte er im Folgenden Geisterjäger und Adrenalinjunkies, das Gelände zu erkunden – auch nachts und illegal. Die Betreiber versuchen seither, von dem Grusel-Image der Heilstätten wegzukommen und mit dem Barfuß- und Baumkronenpfad einen sanften Tourismus zu fördern.
Vanessa Winkler