Dass der Pflegeberuf stressig ist, ist kein Geheimnis. „Einfach mal durchatmen“ mag da erstmal schwierig klingen. Aber: Gezielte Atemübungen können unseren Körper und Geist tatsächlich positiv beeinflussen. Wie das geht, verraten wir dir jetzt.
Bist du oft gereizt, angespannt und kannst auch nach der Arbeit nicht richtig zur Ruhe kommen? Dann stehst du vermutlich ganz schön unter Stress. Atemtraining kann dich dabei unterstützen, zurück in die Balance zu kommen. Wir zeigen dir die 5 effizientesten Atemübungen und wie sie funktionieren – auch für zwischendurch geeignet.
Evolutionsbedingt ist Stress eigentlich eine gute Sache. Denn durch die Stressreaktion bereitet sich der Körper auf einen erhöhten Sauerstoffbedarf vor. Dies war einst ein wichtiges Reaktionsmuster, um uns in Gefahrensituationen bereit für den Kampf gegen oder die Flucht vor einem wilden Raubtier zu machen. So sicherten unsere Vorfahren ihr Überleben.
Doch was früher lebensrettend war, bewirkt in unserer zivilisierten Welt inzwischen eher das Gegenteil. Denn auch, wenn wir längst in Sicherheit leben, reagiert unser Körper in herausfordernden Situationen immer noch so, als sei ein wildes Raubtier hinter uns her. In diesen vermeintlichen Gefahrensituationen werden also weiterhin Stresshormone ausgeschüttet. Die Reaktion – das Flüchten oder Bekämpfen des Raubtieres und der dadurch resultierende Stressabbau – bleibt aber aus. Und genau da liegt das Problem.
Das, was damals ein sinnvoller Schutz für den Körper war, macht uns heute krank. Zumindest, wenn Stress zum Dauerzustand wird. Und dies ist im Pflegeberuf leider oft der Fall. Werden die freigesetzten Stresshormone nämlich ständig ausgeschüttet, aber nicht abgebaut, steigt die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Schlaganfall oder Herzinfarkt.
Nicht nur Gereiztheit, Herzklopfen, hoher Blutdruck oder Kopfschmerzen sind kurzfristige Reaktionen bei zu viel Stress, sondern auch eine flache, gepresste Atmung. Vermutlich hast du dich auch schon mal dabei erwischt. Geht es auf Station drunter und drüber und wollen mal wieder alle Kolleg:innen und Patient:innen gleichzeitig etwas von dir, stehst du in der Pflege ordentlich unter Strom.
Du atmest schneller und flacher. Die Luft wird beim Einatmen nicht vollständig in den Bauch gesogen, sondern der Atemzug endet im Brustkorb. Dadurch nimmt der Körper weniger Sauerstoff auf und gibt auch weniger Kohlendioxid ab. Das Ergebnis: Die Muskeln sind länger als nötig angespannt. Das Gehirn wird mit weniger Sauerstoff versorgt, als es bräuchte, um optimal zu funktionieren. Langfristig betrachtet eine ziemlich ungünstige Kombi, wenn man eh schon gestresst ist.
Das Paradoxe daran: Während wir mit einer falschen Atmung die Situation oft noch verschlimmern, ist die richtige Atmung eine der effizientesten Sofortmaßnahmen gegen Stress. Denn durch die aktive Veränderung unserer Atemzüge lässt sich das vegetative Nervensystem beeinflussen und Stress quasi wegatmen. Wie das geht? Ganz einfach und überall durchführbar. Hier kommen 5 SOS-Atemübungen gegen Stress, innere Unruhe und Nervosität – für Pflegekräfte und alle anderen, die mal wieder durchatmen möchten.
Atemübungen, Pranayama genannt, sind ein wichtiger Bestandteil der Yogalehre. Für Yogis bedeutet der Atem (Prana) die Lebensenergie, die die Verbindung zwischen Körper und Geist herstellt. Je mehr Prana im Körper angesammelt wird, desto mehr Energie kann er bereitstellen.
Klingt für dich alles ein wenig zu esoterisch? Dann können wir dir versichern, dass sich auch die Wissenschaft schon häufig mit dem Zusammenhang der Atmung aufs Wohlbefinden und dem stressmindernden Einfluss auf das vegetative Nervensystem beschäftigt hat. Zum Beispiel Forscher:innen der „Stanford University School of Medicine“ oder der „Yale School of Management“. Die Teilnehmer:innen der jeweiligen Studien wurden achtsamer und ihre Stimmung besserte sich. Vielleicht hilft richtige Atmung ja auch dir, den Stress wegzuatmen.
Die Wechselatmung, auch Anuloma Viloma genannt, ist eine der Grundübungen aus dem Yoga. Sie soll dabei helfen, sich ausschließlich auf die eigenen Atemzüge zu fokussieren, die Herzfrequenz zu beruhigen und den Körper dadurch schnell zu entspannen. Diese Atemtechnik wird als Wechselatmung bezeichnet, weil man sich abwechselnd bei Ein- und Ausatmung ein Nasenloch zuhält. Machst du diese Übung das erste Mal, wirst du vielleicht noch etwas herumprobieren müssen, um die Finger richtig einzusetzen. Lass dich davon nicht irritieren, nach ein paar Versuchen hast du die Abläufe drauf. So funktioniert’s:
Versuche mehrere Wiederholungen dieser Abläufe. Merkst du schon, dass du ruhiger und gelassener wirst? Prima, dann hast du deine erste Atemübung gleich mit einem Erfolgserlebnis gemeistert. Wenn es nicht sofort klappt: Zwing dich nicht, diese Übung gleich bei den ersten Versuchen korrekt auszuführen, das bewirkt nämlich oft genau das Gegenteil. Merkst du also, dass du zu Beginn nicht so lange wie angegeben ein- oder ausatmen kannst, verkürze einfach die Zeit so, wie du dich wohlfühlst.
Diese Form der Atemtechnik wird nicht umsonst auch „Entspannungsatmung” genannt. Sie arbeitet mit tiefen, rhythmischen Atemzügen und soll Angstzustände lindern, beim Einschlafen helfen und den Blutdruck senken. Wie diese Übung funktioniert, verrät bereits ihr Name:
Diese Übung ist eine Erfindung des amerikanischen Schlafexperten Dr. Andrew Weil und kann dir am Abend auch dabei helfen, schneller und entspannter in den Schlaf zu finden.
Die folgende Atemübung ist vor allem dann perfekt, wenn du im wuseligen Stationsalltag nicht die Möglichkeit hast, dich zurückzuziehen, aber trotzdem unbemerkt von deinen Patient:innen deine Atmung als Tool gegen Stress nutzen willst. Hierbei ist vor allem der Kontakt von Zunge und Gaumen der entscheidende Faktor zur Stressminderung. Und so funktioniert die Atemtechnik:
Für diese Atemtechnik arbeitest du mit einem imaginären Quadrat. Da du dich darauf fokussieren musst, empfiehlt es sich, einen ruhigen Ort aufzusuchen, damit die Übung auch wirklich gelingt. Nimm dir also ein paar Minuten Auszeit vom Stationsalltag, um dich voll und ganz auf deinen Atem und diese Übung zu konzentrieren. So läuft sie ab:
Diese Übung lässt sich zurecht als Expressübung bezeichnen. Denn innerhalb von nur 30 Sekunden soll sie dir dabei helfen, innere Unruhe, Nervosität und Stress abzubauen. Was du dafür brauchst? Ein ruhiges Fleckchen und deine Finger. Und so geht der Atemtrick:
Nicht nur deinen Patient:innen muss es gut gehen, sondern auch dir. Nutze unsere Atemübungen gegen Stress, um deinem Körper und deiner Psyche zwischendurch bewusst eine Auszeit zu geben. Mit ein bisschen Routine kann das Atemtraining vielleicht dafür sorgen, dass du etwas gelassener durch deine Pflegeschichten kommst.
Katharina Klein