Von der Krise zur Stärke: So revolutionieren wir unser Gesundheitssystem

Johannes Roggendorf
March 20, 2025

Erstklassige Versorgung braucht gutes Personal: Wege aus der Gesundheitskrise.

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    Ein Gesundheitswesen am Scheideweg

    Das deutsche Gesundheitssystem steht vor beispiellosen Herausforderungen. Eine alternde Bevölkerung, ein schrumpfender Arbeitsmarkt und strukturelle Ineffizienzen setzen Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen unter Druck. Die Zahl der Pflegebedürftigen ist von 2 Millionen im Jahr 2000 auf 5,5 Millionen heute gestiegen und wird Prognosen zufolge bis 2030 auf 7,5 Millionen anwachsen, wenn die Babyboomer-Generation in den Ruhestand geht. Gleichzeitig verlassen Fachkräfte die Branche — 20 % erwägen, innerhalb der nächsten sechs Monate aufzuhören — während Kliniken Betten und ganze Abteilungen schließen, weil sie nicht genügend Personal haben. Das Bild eines Krankenhausjobs als „sichere Bank“ verblasst rapide.

    Gerade jetzt, im März 2025, steht Deutschland mitten in der Bildung einer neuen Regierung — ein Prozess, der sich vom Februar noch über Wochen oder Monate hinziehen könnte. Diese Phase ist entscheidend, denn die Wahl des neuen Gesundheitsministers oder der neuen Gesundheitsministerin wird maßgeblich beeinflussen, wie die Krise im Gesundheitswesen angegangen wird. Aus meiner Erfahrung beim Aufbau von MEDWING und im Austausch mit zahlreichen Menschen aus der Gesundheitsbranche halte ich tiefgreifende Veränderungen für notwendig, um das deutsche Gesundheitswesen zukunftssicher zu machen. Dieser Artikel zeigt, wie wir mit Flexibilität, innovativem Recruiting und politischen Reformen ein System schaffen können, das nicht nur überlebt, sondern für eine hohe Qualität gesundheitlicher Versorgung und eine hohe Zufriedenheit für Mitarbeitende im Gesundheitssektor sorgt. Es ist Zeit zu handeln — jetzt.

    Die drohende Krise: Die Zahlen sprechen Bände

    Die Daten zeichnen ein düsteres Bild. Zwischen 2035 und 2055 wird der Ruhestand der Babyboomer nicht nur die Arbeitskräfte dezimieren, sondern auch die Zahl der Pflegebedürftigen drastisch erhöhen. Bereits jetzt stehen 47.000 Stellen im Gesundheitswesen unbesetzt — eine Lücke, die bis 2049 auf bis zu 690.000 anwachsen könnte, wenn die aktuellen Trends anhalten. Krankheitsraten unter Gesundheitsfachkräften liegen über dem Durchschnitt, die Fluktuation ist hoch und das Wachstum der Arbeitskräfte stagniert. Krankenhäuser, einst Eckpfeiler lokaler Gemeinschaften, konsolidieren sich. Spätestens seit der Verabschiedung der Krankenhausreform im Dezember 2024 ist klar: Krankenhäuser werden schließen. Experten sagen voraus, dass ein Drittel schließen wird, insbesondere kleinere Einrichtungen im ländlichen Raum. Das wären ca. 500 Krankenhäuser! Das bedeutet längere Wege für Patienten und Mitarbeiter, eine stärkere Spezialisierung der verbleibenden Kliniken und eine Zunahme ambulanter Versorgung.

    Doch die Krise geht über Zahlen hinaus. 41% der Fachkräfte denken über einen Ausstieg nach, getrieben von Überlastung, mangelnder Wertschätzung und fehlender Flexibilität. Kliniken reagieren paradox: Einerseits werden Betten geschlossen, weil Personal fehlt, andererseits wird aus Budgetgründen die Einstellung neuer Kräfte vermieden. Dieser Teufelskreis zeigt: Das System braucht einen Wandel.

    Wo fehlen die Fachkräfte am meisten?

    Der Personalmangel ist flächendeckend, doch regional und funktional gibt es Unterschiede:

    • Städte: Hoher Bedarf, vor allem in der Pflege. Während Ärzte und Ärztinnen in urbanen Zentren verfügbar sind, fehlt Pflegepersonal — oft wegen hoher Lebenshaltungskosten, die Wohnen und Leben unerschwinglich machen.
    • Ländliche Räume: Extremer Ärztemangel trifft auf einen ohnehin hohen Bedarf. Das Angebot an Fachkräften ist hier besonders dünn.
    • Funktionen: Intensivstationen (ITS) sind besonders betroffen, ebenso Notfall- und Anästhesiebereiche. Pflegekräfte fehlen überall, während administrative und patientenferne Aufgaben wieder häufiger von examinierten Kräften übernommen werden — eine Entwicklung, die viele als Rückschritt sehen. Hintergrund dafür sind das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG, 2020) und das Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG, 2023). Diese Gesetze sorgen dafür, dass Pflegehilfskräfte nicht mehr refinanziert werden können. In der Konsequenz ist ein sinnvoller Skill-Mix kaum noch umsetzbar.

    International liegt Deutschland im Mittelfeld. Skandinavien lockt mit besseren Gehältern und Work-Life-Balance, während wir zurückfallen. Doch es gibt Ansätze, die Hoffnung machen.

    Flexibilität als Schlüssel: Ein neues Arbeitsmodell

    Die Arbeitswelt im Krankenhaus verändert sich grundlegend. Weniger Kliniken bedeuten längere Distanzen, höhere Spezialisierung und eine stärkere Ambulantisierung. Doch wie können wir die Arbeitsbedingungen attraktiver gestalten? Flexibilität ist das Zauberwort.

    • Planbarkeit und Wertschätzung: 44% der Fachkräfte würden mehr arbeiten, wenn Schichten planbar wären, 63% bei besserer Bezahlung. Spontanes Einspringen mag kurzfristig funktionieren, doch auf Dauer brennt es aus. Gutes Management, Teamarbeit zwischen Pflege und Ärzten/innen sowie Entwicklungsmöglichkeiten sind gefragt.
    • Poollösungen und Zeitarbeit: Plattformen wie MEDWING zeigen, wie es geht. Mit über 660.000 registrierten Fachkräften — etwa 60% für Krankenhäuser, 30% für Altenheime und 10% für andere Bereiche — bietet MEDWING nicht nur Festanstellungen, sondern auch Zeitarbeit und Ausfallmanagement (z. B. via „Insitu“ mit einer Buchungsquote von 89%). 77% des Stammpersonals befürworten Zeitarbeit, weil sie entlastet. Kliniken bleiben handlungsfähig und Patientensicherheit wird gewährleistet, trotz hoher Krankenquoten (29 Tage/Jahr).
    • Skill-Mix statt Überlastung: Aktuelle Gesetze wie das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG, 2020) fördern nur examinierte Kräfte, während Pflegehilfskräfte aus der Refinanzierung fallen. Das zwingt gut ausgebildete Fachkräfte zu patientenfernen Tätigkeiten — ein Widerspruch zur angestrebten Akademisierung. Länder wie die Niederlande zeigen mit ihrem „Skill-Mix“-Ansatz, wie Hilfskräfte entlasten könnten, wenn sie finanziert würden.

    Flexibilität bedeutet nicht nur Zeitarbeit, sondern auch, Personal zwischen Abteilungen einzusetzen und auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzugehen. Kliniken, die das schaffen, gewinnen.

    Recruiting neu denken: Nachhaltigkeit statt Hochglanz

    Recruiting im Gesundheitswesen steht vor einer Zeitenwende. Traditionelle Methoden — Hochglanzbroschüren, teure Plakataktionen oder Lockangebote wie Autos — greifen zu kurz. Die größten Fehler?

    • Langsamkeit: Gute Leute sind in Tagen weg. Wer zögert, verliert.
    • Falsche Anreize: Einstiegsprämien oder Abwerbepauschalen heizen die Fluktuation an, statt loyale Teams zu schaffen. In Bayern sind solche Praktiken sogar verboten.
    • Flexibilitätsmangel: Bettenplanung und Personalplanung müssen Hand in Hand gehen. Unrealistische Versprechen oder riesige Marketingbudgets bei Google und Meta bringen wenig, wenn das Matching fehlt.

    MEDWING bietet eine Alternative: eine Plattform, die examinierte Fachkräfte nicht nur in irgendeinen Job bringt, sondern in den besten. Mit KI-gestütztem Matching, persönlicher Beratung und Fokus auf langfristige Matches erreicht sie, was Hochglanz nicht kann. Kliniken zahlen für Vermittlung, Zeitarbeit oder Software-Lizenzen — Bewerber/innen nichts. Das Ergebnis? Schnelle, nachhaltige Lösungen statt Strohfeuer.

    Was erwarten Bewerber/innen? New Work, Partizipation, Verlässlichkeit, Weiterbildung und ein Management, das „Walk the Talk“ lebt. Jobangebote mit flexiblen Schichten, klaren Benefits und Ehrlichkeit statt Buzzwords haben die besten Chancen.

    Strukturreform: Politik muss liefern

    Die Politik hat in den letzten Jahren Gesetze verabschiedet — vom Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (2008) über die Pflegestärkungsgesetze (2015–2017) bis zum Pflegestudiumstärkungsgesetz (2023) — doch sie lösen die Probleme nicht. Das KHPflEG (2020) etwa, seit 2023 in Kraft, finanziert nur examinierte Kräfte und ignoriert Hilfskräfte. Das Ergebnis: Überlastung statt Entlastung.

    Ein Blick ins Ausland zeigt Alternativen. In den Niederlanden werden Budgets pauschal verteilt, sodass Kliniken selbst entscheiden, wie sie examinierte und Hilfskräfte einsetzen. Schweden kombiniert staatliche und kommunale Mittel, um gemischte Teams zu finanzieren. Deutschland könnte lernen: Ein Skill-Mix würde Effizienz steigern, doch die aktuelle Finanzierung bremst das aus. Ohne Anreize für Hilfskräfte bleiben examinierte Kräfte überfordert — ein Reformbedarf, den die Politik angehen muss.

    Auch internationale Fachkräfte könnten helfen. Länder wie Vietnam oder die Philippinen bieten Potenzial, doch Visa und Anerkennungsprozesse bremsen. Zeitarbeit könnte eine schnellere Integration fördern, wird aber politisch blockiert.

    Fazit: Drei Schritte in die Zukunft

    1. Nachhaltiges Recruiting: Plattformen wie MEDWING sind effizienter als teure Kampagnen. Matching schlägt Lockangebote — langfristiges Matching statt kurzfristiger Anreize.
    2. Flexibilität gewinnt: Zeitarbeit und Poollösungen entlasten und machen Jobs attraktiver. Kliniken müssen anpassungsfähig werden — für Patient/innen und Mitarbeitende.
    3. Strukturen reformieren: Die Politik muss die Finanzierung öffnen — ein Skill-Mix aus examinierten Fachkräften und Hilfskräften ist effizienter als der jetzige Fokus auf Examinierte. Druck auf sinnvolle Änderungen ist nötig.

    Das deutsche Gesundheitswesen kann die Krise meistern — mit Mut zu Flexibilität, klugem Recruiting und politischer Weitsicht. Die Zeit zu handeln ist jetzt.

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