Vorteile digitaler Dokumentation und Kommunikation in der Pflege

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Mehr Zeit für Patient:innen, weniger Fehler und ein störungsfreies Miteinander: Die digitale Dokumentation und Kommunikation in der Pflege hat viele Vorteile. Sie erfolgt zeitnah, Ärzt:innen und Pflegekräfte unterbrechen sich nicht gegenseitig bei der Arbeit. Trotzdem nutzt die Mehrheit der stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen nach wie vor analoge Patientenakten.

Wenn jemand aus dem Krankenhaus ins Pflegeheim kommt, bringt er eine dicke Akte mit. „Wir tippen das dann von Hand ab“, erklärt die Altenpflegerin Kerstin W. Dabei können Fehler passieren. Dazu kommt der Zeitaufwand. Auch an anderer Stelle wäre digitale Kommunikation hilfreich. Manche Ärzt:innen, so Kerstin W., verschicken nach wie vor handschriftlich verfasste Faxe. Nicht immer sind diese gut lesbar. Oft bleibt nur, per Telefon nachfragen. „Sonst gibt es Chaos.“ All das ließe sich durch digitale Dokumentation und Kommunikation zwischen Mediziner:innen, Pflegefachkräften und Apotheker:innen vereinfachen.

Modellprogramme im Juni 2021 gestartet

Bis 2024 sollen Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur (TI) angebunden werden. Die TI vernetzt Akteure des Gesundheitswesens miteinander und bietet ihnen einen sicheren Rahmen für den schnellen und geschützten Austausch von Informationen.

Mit dem im Sozialgesetzbuch verankerten„Modellvorhaben zur Einbindung der Pflegeeinrichtungen in die Telematikinfrastruktur“ hat der GKV-Spitzenverband den Auftrag erhalten, von 2020 bis 2024 ein Modellprogramm zur Einbindung von Pflegeeinrichtungen in die Telematikinfrastruktur einzurichten. Dazu wurden 88 ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen in Deutschland ausgewählt. Es geht unter anderem darum, Standards für den bundesweiten Einsatz zu entwickeln. Die Einrichtungen erproben die Integration in die TI und die gesetzlich vorgesehenen Anwendungen. Dazu gehört zunächst der E-Mail-Dienst KIM („Kommunikation im Medizinwesen“). Gestartet sind die Projekte im Mai 2021. Das Ziel ist eine flächendeckende, sektorübergreifende Vernetzung.

Welche medizinischen Anwendungen bietet die Telematikinfrastruktur?

Die erste verfügbare Anwendung war das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM). Die Telematikinfrastruktur ist mit der Krankenkasse verbunden. Wer eine hausärztliche Praxis aufsucht, scannt zunächst die eigene Gesundheitskarte. Diese verbindet sich mit dem Stammdatenmanagement. Hierbei wird unter anderem geprüft, ob der Versicherungsschutz bei der Krankenkasse nach wie vor besteht. Wenn sich beispielsweise wegen eines Umzugs die Adresse der versicherten Person geändert hat, aktualisieren sich die Daten, ohne dass eine neue Karte ausgestellt und verschickt werden muss.

Weitere medizinische Anwendungen im Überblick

  • Der elektronische Medikamentenplan (eMP): Alle verschriebenen Medikamente inklusive Dosierung werden auf der Gesundheitskarte gespeichert. Apotheken können damit bei Bedarf prüfen, ob es möglicherweise Wechselwirkungen zwischen verschriebenen und frei verkäuflichen Medikamenten gibt.
  • Das Notfalldatenmanagement (NFDM): Auf der Gesundheitskarte werden die Notfalldaten hinterlegt. Dazu gehören neben Allergien die Kontaktinformationen der Menschen, die bei einem Notfall verständigt werden sollen.
  • Kommunikation im Medizinwesen (KIM): Dabei handelt es sich um eine Erweiterung für das eigene E-Mail-Programm, beispielsweise für Microsoft Outlook. Das macht einen sicheren Austausch von E-Mails in der Telematikinfrastruktur möglich.
  • E-Rezepte: Elektronische Rezepte ersetzen über kurz oder lang Rezepte auf Papier. In den nächsten Jahren folgt der Wechsel zu digitalen Alternativen.
  • Die elektronische Patientenakte (ePA): Eigentümer:innen sind die Versicherten. Sie entscheiden, wer auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen darf. Wenn Patient:innen beispielsweise nicht möchten, dass bestimmte Befunde dort gespeichert werden, können sie das verweigern oder die Befunde später eigenhändig löschen. Sie sind auch nicht dazu verpflichtet, Einblicke in die elektronische Patientenakte zu erlauben.

Seit dem 1. Juli 2021 können sich Entbindungspfleger:innen und Physiotherapeut:innen freiwillig an die TI anbinden. Die Pflege ist ab dem 1. Januar 2024 zur Anbindung verpflichtet. Schlusslicht sind die Hilfs- und Heilmittelerbringer, die ab dem 1. Januar 2026 endgültig dazustoßen.


Pflegekraft vor Computer mit headset


Wie sicher ist die Telematikinfrastruktur?

Für die TI gilt die Schutzstufe E. Das ist die höchstmögliche Sicherheitsstufe in Deutschland. Für Onlinebanking gilt Sicherheitsstufe C. Verantwortlich für das Netzwerk ist die gematik. Die Zertifizierung ist Aufgabe des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik.

Die Gesellschafter der gematik sind:

  • das Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
  • die Bundesärztekammer (BÄK)
  • die Bundeszahnärztekammer (BZÄK)
  • der Deutsche Apothekerverband (DAV)
  • die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG)
  • der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-SV)
  • die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
  • die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV)
  • der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV)

Vorteile der digitalen Dokumentation und Kommunikation für die Pflege

Die Digitalisierung vereinfacht die Dokumentation und die Kommunikation erheblich. Gleichzeitig verschnellert sie den Informationsfluss: Autorisierte Personen – Ärzt:innen, Pflegekräfte und Therapeut:innen – können digital auf sämtliche hinterlegten Daten zugreifen. Das funktioniert zeitlich unabhängig. Dadurch lässt sich die Pflege qualitativ deutlich verbessern.

Was die digitale Dokumentation der Pflege bringt

Die handschriftliche Dokumentation auf Papier birgt gewisse Risiken:

  • Der Aufwand ist hoch. Es kostet wertvolle Zeit, alles von Hand einzutragen und zu notieren.
  • Nicht alle Handschriften lassen sich gut lesen.
  • Gerade umfangreiche Akten werden schnell unübersichtlich. Ein zügiges Suchen nach bestimmten Informationen ist kaum möglich.
  • Dokumente könnten beschädigt werden, doppelt vorkommen oder in der Akte komplett fehlen.
  • Der Zugriff auf die Unterlagen ist nur begrenzt möglich: Wenn eine Person die Akte hat, können andere nicht darauf zugreifen, wenn sie sich nicht im selben Raum aufhalten.Die digitale Dokumentation vereinfacht all das enorm. Das Tippen geht schneller als das Schreiben von Hand. Außerdem ist ein am Computer eingegebener Text problemlos lesbar. Auf die digitalen Patientenakten kann jede Person zugreifen, die dazu befugt ist. Das macht die gemeinsame Versorgung von kranken und pflegebedürftigen Menschen einfacher.

Wie die digitale Kommunikation deinen Alltag als Pflegefachkraft erleichtert

Ein Beispiel: Angenommen, du bist als Altenpflegerin tätig. Morgens klagt ein Bewohner deiner Pflegeeinrichtung über starke Schmerzen. Möglicherweise kann er seine Hausärztin oder seinen Hausarzt nicht eigenständig kontaktieren. In dem Fall stellst du den Kontakt zur Ärztin oder zum Arzt her. Während der offiziellen Praxiszeiten ist die Telefonleitung allerdings vermutlich oft besetzt. Falls du durchkommst, heißt es warten, denn du unterbrichst die Sprechstunde. Schlimmstenfalls erklärst du mehrfach, warum du anrufst: erst den Medizinischen Fachangestellten, dann der behandelnden Ärztin bzw. dem Arzt. Am Telefon festzuhängen, ist frustrierend, denn du kommst nicht zu deiner eigentlichen Arbeit. Einfacher geht die Verbindung zwischen den Sektoren digital: Du als Pflegefachkraft kannst in der Akte eine Notiz hinterlassen. Die Hausärztin oder der Hausarzt sieht den Vermerk und kann direkt reagieren.

Wenn alle Beteiligten in die Umstellung einbezogen und entsprechend geschult werden, hat die Anbindung an die Telematikinfrastruktur für Pflegeeinrichtungen entscheidende Vorteile. Der Informationsaustausch und die Vernetzung gelingen schnell und unkompliziert. Sämtliche Informationen zu Patient:innen und Bewohner:innen sind digital zugänglich. Die papierlose Verwaltung spart zudem Platz und ist umweltfreundlich. Die Kommunikation zwischen den Akteur:innen ist dank KIM sicher. Und das Wichtigste: Die Vereinfachung der Dokumentation und Kommunikation macht Ressourcen für die eigentliche Pflege der Menschen frei.


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