Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Umsetzung und Konsequenzen

Ab heute gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Ob und wie sie die Bundesländer umsetzen, liest du hier.

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Seit der Ankündigung der einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht sind Krankenhäuser und Pflegeheime im Stress. Morgen soll sie in Kraft treten, doch viele Fragen sind ungeklärt. Wie soll sie umgesetzt werden, wie viele Pflegekräfte betrifft sie und wie wirkt sie sich auf die Personalsituation in den Einrichtungen aus? Wir geben einen Überblick.

Während in Österreich die allgemeine Corona-Impfpflicht vor Kurzem ausgesetzt wurde, gilt in Deutschland ab morgen die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Im Dezember 2021 beschloss die Bundesregierung durch das „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie“, dass sämtliche Mitarbeitenden (auch Ehrenamtliche und Honorar- bzw. Zeitarbeitskräfte) aller Gesundheitseinrichtungen bis zum 15. März vollständig geimpft sein müssen. Damit einher ging unter anderem eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Diese Regelung soll vulnerable Personengruppen vor einer Ansteckung mit dem Virus schützen. Die Mitarbeitenden sind verpflichtet, ihrem Arbeitgeber einen analogen oder digitalen Impfnachweis vorzulegen. Die zweite Impfung muss mindestens 14 Tage zuvor stattgefunden haben. Auch Genesenennachweise kann der Betrieb akzeptieren, wenn sie vor mindestens 28 Tagen ausgestellt wurden und nicht älter als sechs Monate sind. Wenn medizinische Gründe gegen eine Corona-Impfung sprechen, können sich Arbeitnehmer mit einer ärztlichen Bescheinigung von der Impfpflicht befreien.

Erfüllen Pflegekräfte und Co. diese Bedingungen nicht oder legen sie keinen neuen Nachweis vor, nachdem der alte seine Gültigkeit verliert, muss der Arbeitgeber dies dem örtlichen Gesundheitsamt melden. Dieses prüft den Fall und kann ein Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot aussprechen. Somit gilt dieses nicht pauschal ab dem 16. März und Arbeitgeber können nicht von sich aus ungeimpfte Pflegekräfte freistellen.



Werden die Gesundheitsämter bei fehlenden Nachweisen nicht benachrichtigt oder wird anderweitig gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen, drohen Sanktionen sowohl für die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer. Dies können Bußgelder von bis zu 2.500 Euro sein oder, im Falle der Arbeitnehmer, Abmahnungen, der Wegfall des Vergütungsanspruchs oder Kündigungen.

Der Beschluss gilt zunächst bis zum 31. Dezember 2022. Doch schon im Februar stellte sich heraus, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht wohl nicht so durchzusetzen sein wird, wie das Gesundheitsministerium sich das vorgestellt hat.

Überlastete Gesundheitsämter: Bundesländer gehen eigene Wege

Nachdem die Gesundheitsämter vielerorts davor gewarnt hatten, mit den Kontrollmaßnahmen überfordert zu sein, kündigten mehrere Bundesländer an, die Impfpflicht ab Mitte März nicht zuverlässig umsetzen zu können. Ein weiteres Argument gegen die vorschnelle Einführung war der neue, alternative Impfstoff der Firma Novavax.

Hoffnung auf Totimpfstoff

Seit Februar sind in Deutschland nicht nur mRNA-Impfstoffe erhältlich, sondern auch der Totimpfstoff des Herstellers Novavax. Einige Einrichtungen haben die Hoffnung, dass sich damit einige impfskeptische Pflegekräfte noch überzeugen lassen. würden, Impfaktionen in Bundesländern. Bisher hat das proteinbasierte Vakzin die allgemeinen Impfquoten jedoch nicht maßgeblich erhöht. Bundesweit hatten sich Anfang März nur gut 13.000 Bürger damit impfen lassen.

Bundesverfassungsgericht lehnt Eilantrag gegen Impfpflicht ab

Die Ablehnung der verpflichtenden Impfung zog ihre Kreise bis nach Karlsruhe. Nach Verkündigung des Gesetzesbeschlusses zur Impfpflicht waren beim Bundesverfassungsgericht 74 Verfassungsbeschwerden von circa 300 Kläger:innen eingegangen. Das Gericht lehnte Anfang Februar einen dieser Anträge auf Aussetzung der Impfpflicht im Eilverfahren ab. Über die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit wird jedoch im Hauptverfahren noch entschieden.

Bundesländer wollen Impfpflicht stufenweise umsetzen

Mittlerweile gibt es für die meisten Bundesländer konkrete Infos, wie sie mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht umgehen werden. Es wurden bzw. werden digitale Meldeverfahren entwickelt, um den Gesundheitseinrichtungen die Einhaltung der Regelung zu erleichtern.

Bayern stellte kürzlich sein Konzept zur Umsetzung der Impfpflicht vor. Es beinhaltet zwar die Meldung ungeimpfter Mitarbeiter:innen an das Gesundheitsamt und mögliche Bußgeldverfahren sowie Betretungsverbote als letzte Konsequenz. Bis es soweit kommt, wird den Betroffenen jedoch ein Beratungsangebot gemacht und Bedenkzeit eingeräumt. Außerdem sollen die Einrichtungen bei der Entscheidung über das Beschäftigungsverbot einbezogen werden, um den „Aspekt der Versorgungssicherheit angemessen berücksichtigen“ zu können, wie der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek bekanntgab. Aufgrund des gestuften Verfahrens rechnet er mit potenziellen Betretungsverboten erst im Sommer. Pflegekräfte, die ab 16. März eingestellt würden, müssten aber schon jetzt den entsprechenden Nachweis vorlegen.

Die anderen Bundesländer gehen ähnlich vor. Eine strikte Umsetzung ab dem morgigen Stichtag wird es wohl nirgendwo geben. Die Gesundheitsämter haben Ermessensspielräume, die beispielsweise die Personalsituation und die Versorgungssicherheit berücksichtigen. Die Einzelfallprüfungen können sich über Monate hinziehen. Da die betreffenden Personen bis zu einer Entscheidung des Gesundheitsamtes weiterarbeiten können, ist in den nächsten Wochen nicht damit zu rechnen, dass Pflegekräfte aufgrund der Impfpflicht gehen müssen. Angestellte, die während der Prüfung ihre Meinung ändern und sich impfen lassen, müssen voraussichtlich nicht mit Bußgeldern oder anderen rechtlichen Konsequenzen rechnen.

Wie viele Pflegekräfte sind bisher geimpft?

75,6 Prozent der deutschen Bevölkerung sind vollständig geimpft. Der Anteil geimpfter Pflegekräfte ist weitaus höher, wie mehrere Erhebungen zeigten. Ein Monitoring des Robert-Koch-Instituts ergab Ende 2021, dass 81 Prozent der Pflegenden in Langzeitpflegeeinrichtungen vollständig geimpft waren. Dazu hatte das RKI die Daten von gut 1.000 vollstationären Einrichtungen ausgewertet. Nach einer Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts in diesem Januar, an der sich 246 Krankenhäuser beteiligten, sind in den patientennahen Berufsgruppen der Häuser im Durchschnitt 89 Prozent mindestens zweimal geimpft. Die Alice Salomon Hochschule (ASH) veröffentlichte Anfang März Ergebnisse einer Studie, bei der 1.800 Einrichtungen des Gesundheitswesens zu den Impfquoten ihrer Mitarbeitenden befragt wurden. Von den 130.000 Pflegenden dieser Betriebe waren der Online-Befragung zufolge Anfang des Jahres 82 Prozent geimpft.

Die Impfquote der Pflegekräfte schwankt allerdings von Einrichtung zu Einrichtung und von Bundesland zu Bundesland. In Bundesländern, die unter der Gesamtbevölkerung eine niedrigere Quote aufweisen, sind auch weniger Pflegekräfte gegen Corona geimpft.

Verschärft die einrichtungsbezogene Impfpflicht den Personalnotstand in der Pflege?

Anfang Februar machte die Nachricht die Runde, dass sich 12.000 Pflegekräfte bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet hätten und damit weitaus mehr als üblich. Auch Umfragen und Recherchen diverser Medien, zum Beispiel des MDR und des Handelsblatts, ergaben, dass deutschlandweit bei Gesundheitsunternehmen Kündigungen eingegangen sind. Die Stadt Dresden will deshalb einen Freiwilligenpool aufbauen, wie der MDR berichtete. Einige Kliniken und Pflegeeinrichtungen verstärken derzeit ebenfalls ihre Springerpools, um auf mögliche Personalausfälle schnell reagieren zu können. Eine Stichprobe des Deutschen Krankenhausinstituts ergab, dass zwei Drittel der Häuser befürchten, ungeimpftes Personal freistellen zu müssen und dass dies Einschränkungen der Patientenversorgung verursacht. In der Diskussion um die Impfpflicht betonten der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe und der Deutsche Pflegerat mehrmals, dass sich das deutsche Gesundheitswesen nicht leisten könne, weitere potenzielle Kündigungsgründe für Pflegekräfte zu schaffen. Wie viele ungeimpfte Pflegekräfte genau ihren Beruf pausieren oder sogar verlassen, wenn es erste Entscheidungen der Gesundheitsämter gibt, ist derzeit jedoch schwer abzusehen.

Pflege und Medizin plädieren für allgemeine Impfpflicht

Medizinische Fachverbände und Gesellschaften sowie Pflegeverbände fordern seit Monaten die Einführung der allgemeinen Impfpflicht. Die Experten sind sich einig: Eine vollständig geimpfte und geboosterte Gesamtbevölkerung ist der schnellste Weg aus der Pandemie.

Auch auf den Intensivstationen landen mehrheitlich Ungeimpfte. Statt die Pflegekräfte weiter unter Druck zu setzen, müssen sie endlich entlastet werden. Das richtige Signal in diese Richtung ist nicht eine Impfpflicht für Berufsgruppen, die sowieso schon mehrheitlich geimpft sind, sondern eine allgemeine Impfpflicht. Das Ergebnis des nachlässigen Umgangs der Gesundheitspolitik mit dem Pflegenotstand ist, dass Personalausfälle in der Pflege kaum kompensiert werden können. Pflegekräfte, die sich nun zur Impfung gezwungen sehen, aber weiter ungeimpfte Patient:innen versorgen müssen, fühlen sich zu Recht wieder einmal als Opfer der unentschlossenen Corona-Politik. Vor allem, wenn am 20. März wider aller Kritik auf dem Höchststand der Inzidenz fast alle Schutzmaßnahmen fallen.

Friederike Bloch

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