Gelotologie – Was wir von der Lachforschung lernen können

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Der Mensch lacht meistens dann, wenn er einen Grund dazu hat. Beispielsweise wenn er etwas komisch findet, einen Witz hört oder wenn er ganz einfach überglücklich ist. In gesundheitlichen oder persönlichen Krisen ist Lachen jedoch oft Mangelware. Dabei ist gerade hier ein dickes, lautes Grinsen wichtige Voraussetzung, um herausfordernde Situationen besser meistern zu können – also quasi jeder Stationsalltag. Hier kommt die Gelotologie ins Spiel.

Die Gelotologie erforscht das Lachen und beschäftigt sich mit den körperlichen und psychischen Auswirkungen. Was zunächst wie ein modischer Zungenbrecher klingt, hat auf der Ebene der Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. So begannen Wissenschaftler bereits in den 60er Jahren damit, sich mit den therapeutischen Aspekten des Lachens zu beschäftigen. In Tests brachten sie Probanden zum Lachen und untersuchten dabei deren Blutwerte. Die Ergebnisse waren erstaunlich: Das Lachen schien sich so positiv auf das Immunsystem der Testpersonen auszuwirken, dass es mit einer vermehrten Produktion an Abwehrkräften reagierte. Diese Erkenntnisse waren bahnbrechend für die Geburtsstunde der Gelotologie, denn damit war die Voraussetzung für die wissenschaftliche Forschung gegeben: Die Wirkung des Lachens auf Mensch und Körper wurde messbar.

Lachen als Form des inneren Joggings

Als Begründer und Pionier der Gelotologie gilt der US-amerikanische Psychiater William F. Fry. Er forschte 1964 an der Stanford University erstmals über die Einflüsse des Lachens auf den menschlichen Körper. Seither sind zahlreiche Studien über die positiven Auswirkungen von Lachen und Humor erschienen, die auf der Grundlage der psychoneuroimmunologischen Forschung (PIN) diskutiert werden. Der Begriff der Gelotologie - die Wissenschaft vom Lachen - leitet sich dabei vom griechischen „gelos“ ab, das übersetzt „Gelächter“ bedeutet.

Wirft man einen Blick auf die Bilanz der täglichen Heiterkeit, sind uns die Kleinsten allerdings weit voraus: Während Kinder rund 400 Lacher am Tag haben, sind es bei Erwachsenen durchschnittlich nur noch 15 am Tag. Dabei dauert ein Lacher in der Regel zwei Sekunden und sieben schnelle „Hahas“. Das macht sich auch im Körper bemerkbar: Das Zwerchfell hüpft, der Puls rast, die Pupillen erweitern sich, die Fingerkuppen werden feucht. Währenddessen erschlafft die Muskulatur der Beine und der Blase. Der Atem hingegen bläst mit rund 100 km/h aus dem Mund. Da beim Lachen über 300 verschiedene Muskeln aktiviert werden, spricht man hier nicht selten auch vom „inneren Jogging“.

Wie sich das Lachen positiv auf unseren Körper auswirkt

Atmung

Durch das Lachen wird die Atmung stark angeregt, wodurch es zu einem beschleunigten Austausch von verbrauchter Luft mit Sauerstoff angereicherter Luft kommt. In Folge dessen werden die Verbrennungsvorgänge im Körper gefördert.

Herzschlag

Lachen beschleunigt zunächst den Herzschlag, der sich im Anschluss wieder verlangsamt. Dadurch wird der Blutdruck gesenkt, die Muskulatur entspannt sich und es kommt zu einer verbesserten Durchblutung. Die Verdauungsdrüsen werden angeregt und Stresshormone abgebaut.

Schmerzempfinden

Lachen lenkt von Schmerzen ab. Die Produktion der Stresshormone Cortisol und Adrenalin werden vermindert und Endorphine freigesetzt, die sowohl schmerzlindernd als auch schmerzunterdrückend wirken. Gerade Schmerzpatienten erlangen durch wenige Minuten Lachen eine große Erleichterung, die mehrere Stunden anhält. Dabei kann Lachen auch zu einer schnelleren Genesung beitragen.

Immunsystem

Durch das Lachen wird das körpereigene Immunsystem aktiviert. Hier konnte bereits wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass bei regelmäßigen Lachern die Anzahl der Gamma-Interferon, Killer T-Zellen und Antikörper steigen. Gamma-Interferon ist eine hormonartige Substanz, die die Produktion von körpereigenen Abwehrstoffen aktiviert und koordiniert. Die Killer T-Zellen hingegen vernichten bereits infizierte Zellen.

Stress

Durch Lachen werden Glückshormone ausgeschüttet, wobei sich selbst unliebsame Alltagsbegleiter wie Verspannungen, Kopfschmerzen oder Schlaflosigkeit lösen lassen. Festgefahrene Gedankenmuster können gelockert werden und nicht selten ändert sich auch die Sicht auf aktuelle Themen und Widrigkeiten, die uns beschäftigen.

„Bleib ein Kind im Herzen“ – Einblicke in die moderne Lachforschung

Hat man sich erst einmal bewusst gemacht, was Lachen alles bewirken kann, fällt es vielleicht leichter, es auch öfters mal zu tun – selbst dann, wenn einem aufgrund persönlicher oder beruflicher Lebensumstände alles andere als zum Lachen ist. Experten raten: „Bleib ein Kind im Herzen, weil Kinder glücklich sind". Wir sollten uns also häufiger von unseren kleinen Lebensgenossen inspirieren lassen. Und auch so paradox es klingen mag: Lachen kann trainiert werden. Es ist wie bei einem Kreislauf – je häufiger wir lachen, desto leichter fällt es uns. Wir müssen bloß den Antrieb finden.

Lachen offenbart die offensichtliche Lebendigkeit des Menschen und hält Trauer und Frust kurzfristig fern – in seiner ganz ursprünglichen Weise. Man überlässt sich seinem Körper selbst und verzichtet auf Kontrolle. Als physischer Akt wird das Lachen also auch mit einer Art Befreiung gleichgesetzt, die Selbstheilungskräfte mobilisiert und Euphorie freisetzt.

In England gibt es gar „Lachen auf Rezept“, bei dem speziell ausgebildete Lachtherapeuten ihren Patienten das Frohsein wieder näher bringen. Seit einigen Jahren beginnt sich das Lachen auch hierzulande in den Krankenhäusern Bahn zu brechen. Immer häufiger ziehen Klinikclowns ihre Runden durch die Flure und bringen mit ihren fröhlichen Visiten heilsamen Humor in die Krankenzimmer. Mit skurriler und provokanter Situationskomik wird versucht, den Patienten zum Lachen zu bringen, was wiederum den Heilungsprozess beeinflussen soll und die Stimmung hebt. Die Idee des Klinikclowns kommt dabei ursprünglich aus den USA. Hier wurde die Empfehlung des griechischen Arztes Hippokrates, man solle den Patienten fröhlich, heiter und strahlend begegnen, schon früh beherzigt.

Sabrina Lieb

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