Wie du die Pflege mit ihren Anliegen in den (sozialen) Medien und für die Politik sichtbar machst, erfährst du hier.
Im ersten Teil unserer Übersicht, wie sich Pflegekräfte engagieren können, haben wir dir verschiedene berufspolitische Möglichkeiten wie Berufsverbände, Gewerkschaften und Betriebsräte vorgestellt.
In diesem Teil geht es weiter mit
Es gibt sie, die aktiven Pflegekräfte. In den letzten Jahren haben sie zahlreiche Initiativen, Kampagnen und Aktionsbündnisse ins Leben gerufen, um der Pflege und ihren Belangen Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Regelmäßige Demonstrationen, Informationsveranstaltungen und Kundgebungen gehören ebenso zum Repertoire der Pflege-Aktivist:innen wie Medienarbeit und die Beteiligung an Kongressen oder (politischen) Diskussionsrunden. Die Bündnisse und Initiativen sind untereinander sowie mit weiteren Interessengruppen wie dem Pflegerat oder Pflege-Berufsverbänden vernetzt. Sie erstellen gemeinsam Petitionen oder schreiben offene Briefe an Regierungsvertreter:innen, in denen sie beispielsweise ein höheres Gehalt fordern. An all diesen Aktionen kannst du teilnehmen und du kannst sie unterstützen, indem du ihre Botschaft in sozialen Netzwerken teilst, spendest oder aktiv deine Mithilfe anbietest. Dies kann zum Beispiel die Gestaltung von Plakaten und Flyern sein oder die Arbeit an Infoständen.
Der Krankenpfleger und Medwing-Kolumnist Stefan Heyde sagt über die Gründung seiner Initiative „Pflegekräfte in Not“: „Ich stand vor einem Wendepunkt in meinem beruflichen Leben und konnte mich zwischen ‚Pflexit‘ und ‚weiterkämpfen‘ entscheiden.“ Er entschied sich, zu kämpfen, „da ich es nicht akzeptieren will und kann, dass Menschen die noch nie in der Pflege gearbeitet haben und nicht wissen wie unglaublich wichtig, vielfältig und menschlich dieser Beruf ist, diesen mit ihrer Unwissenheit und Profitgier zerstören und eine menschenwürdige Pflege und menschliche Arbeitsbedingungen unmöglich machen.“
Weil viele aktive Pflegekräfte so denken und ihren Frust in Energie umwandeln, gibt es zahlreiche lokale und bundesweite Gruppen, denen du dich anschließen kannst. Sie alle haben Webseiten oder Social Media-Kanäle, auf denen sie über ihre Arbeit und Aktionen informieren.
Hier nur einige:
Um selbst eine Initiative zu gründen, braucht es laut Stefan Heyde „vor allem Mut, Kraft und Engagement. Es geht weniger um rechtliche Voraussetzungen, eine Protestaktion/Initiative kann man formlos gründen. Man sollte sich einen guten Namen im Vorfeld überlegen und erste Punkte festlegen die man persönlich als wichtig empfindet.“
Stefan Heyde empfiehlt, „sich nicht an eine bestimmte Partei binden, sondern übergreifend arbeiten und ansprechen. Um die sozialen Medien kommt man heute nicht mehr herum, dort benötigt man als Grundstock eine kleine Homepage und Profile in den unterschiedlichen Netzwerken. Dann benötigt man enorme Geduld. Menschen anzusprechen ist einfach, sie für die gemeinsame Sache dann auch aktiv zu gewinnen, ist enorm schwer. Gerade zu Beginn ist die Netzwerkarbeit sehr wichtig und man findet schnell Anschluss an andere Initiativen und Gewerkschaften. Auch ein erster Kontakt zur Lokalpresse ist immer gut, um eine bestimmte Bekanntheit zu erreichen und neue Interessierte anzulocken, denn manche Menschen trifft man nur auf diesem Wege. Es ist Fleißarbeit.“
Alexander Jorde, Ricardo Lange, Caro Holzner, Nina Böhmer, Dustin Struwe – diese Namen sind vielen Pflegekräften ein Begriff. Sie gehören zu Menschen, die in pflegerischen und medizinischen Berufen arbeiten und ihre Meinung sagen.
Alexander Jorde war 2017 noch Auszubildender, als er in der ARD-Sendung „Wahlarena“ im Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel den Umgang der Bundesregierung mit der Pflegeproblematik scharf kritisierte. Seither wird der Intensivpfleger immer wieder um Interviews gebeten, tritt in Dialog mit Politikern wie dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz und hat das Buch „Kranke Pflege“ verfasst. Auch Nina Böhmer ist Pflegefachkraft und Buchautorin. Der Titel ihres Buchs sagt alles: „Euren Applaus könnt ihr euch sonst wohin stecken“.
Ricardo Lange wurde durch seine Kolumne im Tagesspiegel bekannt, in der der Intensivpfleger von der Corona-Station berichtet. Seine hartnäckigen Versuche, mit Regierungsvertretern über den Pflegenotstand zu sprechen, haben schließlich zu einer Einladung zur Bundespressekonferenz geführt. Dort brachte er Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit seinen emotionalen Schilderung in Erklärungsnot.
Diese Pflegekräfte sorgen, genau wie Notfallmedizinerin Caro Holzner, Altenpfleger Dustin Struwe und viele andere, vor allem in den sozialen Medien für Aufmerksamkeit. In ihren Videos und Posts finden sie klare Worte für die Fehler der Gesundheitspolitik, Corona-Leugner oder fragwürdige Kampagnen wie #allesdichtmachen. Ihr Engagement und Kampfgeist zeigen, dass die Pflege laut und sichtbar werden muss, um ernst genommen zu werden.
„Sobald nun die Wahlprogramme aller Parteien veröffentlicht sind, werd ich ggfs. auch die Kandidaten für den Bundestag meines Wahlkreises zum Thema Pflege kontaktieren“, schreibt ein Mitglied der Facebook-Gruppe „Wir sind die Pflege“, in der unsere Redaktion gefragt hat, wie sich die Pflegekräfte engagieren. Politiker sind nicht unerreichbar. Du kannst sie schriftlich kontaktieren oder sie ansprechen, zum Beispiel auf Diskussionsveranstaltungen im Vorfeld von Wahlen oder in Sprechstunden in ihrem Wahlkreis. Befasse dich damit, was die Parteien für die Pflege tun wollen und nutze die Möglichkeit, konstruktive Kritik oder Lösungsvorschläge anzubringen.
Du kannst auch versuchen, eine Petition im Landtag oder Bundestag einzureichen, sofern du genügend Unterschriften gesammelt hast. Dazu kannst du in den sozialen Medien oder in Kooperation mit einem Berufsverband aufrufen.
Die Corona-Pandemie hat die Pflege ins Rampenlicht gerückt. Um Probleme langfristig zu lösen, kommt es darauf an, dass sie auch dort bleibt. Jede Pflegekraft kann dazu beitragen. Du bist auf Instagram, Facebook oder Twitter angemeldet? Dann teile die Posts der Pflege-Influencer. Nur weil #allemalneschichtmachen, #pflegteuchdochselbst und Co. tausendfach geteilt wurden, sind die Medien darauf aufmerksam geworden und berichteten über die Kritik der Pflegekräfte.
Noch besser ist es, wenn du selbst über deine Erfahrungen als Pflegekraft schreibst. So wie Gesundheits- und Krankenpflegerin Anna, die sich berufspolitisch für die Pflege engagiert und die wir kürzlich interviewt haben. „Der Pflegenotstand war ja schon vor den letzten Bundestagswahlen Thema. Als mir dann klar wurde, es ändert sich doch nichts, dachte ich, ich muss gezielt was machen.“
Auch deine Kommentare unter Artikeln und Beiträgen über die Pflege oder Leserbriefe zeigen den Sendern und Verlagen, dass die Berichte relevant sind. Erzähle aus deinem Arbeitsalltag, dabei darf es ruhig etwas emotionaler werden, denn diese authentischen Geschichten greifen die Medien gerne auf. Dabei gibt es meistens die Option, anonym zu bleiben. Je mehr Reaktionen, desto eher behalten die Medien das Thema im Fokus.
Erschreckend oft sehen die Mitglieder der Facebook-Gruppe „Wir sind die Pflege“ nur einen Weg, sich gegen die Missstände in ihrem Beruf zu wehren und schreiben: „Es bleibt nur ein Ausweg: Pflexit“ oder: „Vorerst letzte Berufspolitische Aktion: Pflege verlassen.“ Das setzt deutliche Zeichen, hilft der Pflege aber nicht weiter. Glücklicherweise umgehen viele Pflegekräfte den kompletten Ausstieg, indem sie andere Arbeitsmodelle wählen. Hier wurde am meisten die Zeitarbeit als berufiche Alternative genannt. Beispielsweise von einer Intensiv-Pflegerin: „…die beste Entscheidung meines Lebens. Seitdem bin ich wieder zufrieden, habe wieder Freude am Job u. Lebensqualität.“
Eine Pflegekraft schrieb: „Ich bin in die Zeitarbeit gegangen und liebe es seitdem.“ Auch für einen anderen Nutzer war es „die richtige Entscheidung“ und drei Mitglieder antworteten, dass sie sich nicht vorstellen könnten, wieder in die Festanstellung ohne Flexibilität und Mitsprachrecht zurückzugehen. Pflegekräfte haben ihren Beruf aus gutem Grund gewählt. Die Beispiele zeigen, dass es Möglichkeiten gibt, Pflegejobs mit besseren Rahmenbedingungen zu finden und in der Pflege zu bleiben. Dazu zählen auch Arbeitsplätze ohne Schichtdienst.
Du siehst, es gibt verschiedenste Möglichkeiten, dich für den Pflegeberuf einzusetzen. Sie erfordern weder viel Geld noch politische Erfahrung. Du bist nach dem Dienst zu erschöpft und weißt nicht, woher du bei all den Überstunden die Zeit nehmen sollst? Genau diese Dinge wollen diejenigen ändern, die deine Unterstützung benötigen. Dazu brauchst du teilweise nur deinen Laptop oder dein Smartphone und musst noch nicht einmal das Haus verlassen.
Du hast Angst vor Konflikten mit deinem Arbeitgeber? Dann frage dich, ob eine Einrichtung, die ihre Pflegekräfte unter Druck setzt und nicht die bestmöglichen Bedingungen schafft, deine Arbeitskraft verdient hat. Du möchtest Menschen helfen, statt auf die Straße zu gehen oder mit Politikern und Medien zu reden? Berufspolitisches Engagement für die Pflege hilft auch den Menschen, die ihrer bedürfen. Denn bessere Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte bedeuten mehr Zeit für Patient:innen oder Bewohner:innen und eine bessere Pflegequalität, die unmittelbar mit dem Wohl dieser Menschen verbunden ist.
Über 1,7 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland in der Kranken- und Altenpflege. Stell dir vor, jede Pflegekraft wäre Mitglied eines Berufsverbandes, würde nur einmal auf eine Demo gehen, einen kritischen Beitrag teilen, einen Euro an ein Pflegebündnis spenden, einen Kommentar oder Brief schreiben. Ihr seid viele und ihr habt es in der Hand.
Friederike Bloch
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