Wie könnte die Gesundheitspolitik einer möglichen Koalition von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen aussehen? In den kommenden Tagen stellen Politiker:innen der drei Parteien die Weichen für die Pflege bis 2025. Was in den Koalitionsverhandlungen besprochen wird und was sich für Pflegekräfte ändern könnte, liest du in unserem Artikel.
In den zurückliegenden Wochen haben die drei Ampel-Parteien sondiert: Es ging darum, vorzufühlen, ob man eine Basis für grundsätzliche Verhandlungen über die größten und wichtigsten Themen finden kann. Nun befinden sich SPD, FDP und Grüne in Koalitionsverhandlungen. Am Ende dieser Gespräche soll im Idealfall ein Koalitionsvertrag und damit eine neue Regierung stehen.
Zu den drängendsten Themen der Verhandlungen zählt die Pflege. Breiter Konsens besteht darin, dass der Pflegenotstand, der sich durch den demografischen Wandel noch verschärfen wird, bekämpft werden muss. Auch darüber, dass dieses Ziel nur durch attraktive Arbeitsbedingungen erreicht werden kann, sind sich die Politiker:innen einig. Unklar hingegen bleibt, wie eine konkrete Umsetzung dieser Vorhaben aussehen soll. Erste Anhaltspunkte liefert ein Eckpunktepapier der drei Parteien.
Als Ergebnis ihrer Sondierungsgespräche veröffentlichten SPD, FDP und Grüne ein zwölfseitiges Ergebnispapier, in dem von einer „umfassenden Erneuerung unseres Landes“ die Rede ist. Das Dokument enthält auch vorläufige Beschlüsse zum Thema Pflege. So heißt es im Abschnitt zu sozialer Sicherheit:
Außerdem sollen Pflegekräfte mehr Zeit für die Patient:innen haben. Dies wollen die Parteien durch die Nutzung digitaler Technologien, bundeseinheitliche Vorgaben bei der Personalbemessung und Entbürokratisierung gewährleisten. Eine Bürger:innenversicherung, wie sie SPD und Grüne in ihren Wahlprogrammen vorgeschlagen haben, wird es nicht geben. Die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Kranken- und Pflegeversicherung soll bestehen bleiben.
Das Eckpunktepapier stößt nicht nur auf Wohlwollen. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) beklagten das Fehlen wichtiger Punkte wie die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder die Reform der Krankenhausstrukturen.
Der Sozialverband VdK, der sich für soziale Gerechtigkeit und Teilhabe engagiert, appelliert an die Parteien, Pflege- und Gesundheitsfragen in den Koalitionsverhandlungen stärker in den Blick zu nehmen. VdK-Präsidentin Verena Bentele bezeichnete das Papier gegenüber dem Ärzteblatt als „ideenlos“. Die Stärkung der häuslichen Pflege als Antwort auf den Personalmangel und die Pflegereform seien mit keinem Wort erwähnt worden. Gegen den Fachkräftemangel in der Pflege sei „die X-te Offensive“ geplant, auf Worte sollten endlich Taten folgen. Kritisch sieht sie auch, dass gesetzliche und private Kranken- und Pflegeversicherung erhalten bleiben sollen. „Das Tempo auf Autobahnen begrenzen und dafür mit Vollgas in Sozialversicherungssysteme für alle zu investieren, wäre zukunftsorientiert.“
Es werde deutlich, dass die drei Parteien noch keine überzeugende gemeinsame Antwort auf die drängenden Fragen gefunden hätten, hieß es vonseiten der Diakonie. Der Verband fordert eine Reform der Pflegeversicherung, die die Eigenanteile begrenzt, den Pflegeberuf attraktiv gestaltet und pflegende Angehörige entlastet.
Für die Koalitionsverhandlungen gibt es 22 Arbeitsgruppen, darunter „Innovation, Wissenschaft und Forschung“, „Digitale Innovationen und digitale Infrastruktur“ und „Moderner Staat und Demokratie“. In den Gruppen sollen Fachpolitiker:innen die Details des Koalitionsvertrags aushandeln. Für die Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“ wurden folgende Vertreter:innen bestimmt:
Am 27. Oktober wurden die Gespräche in den Arbeitsgruppen aufgenommen. Erste Details sind bereits nach außen gedrungen: So möchte die SPD die Digitalisierung in der Pflege stärker vorantreiben. Apps auf Rezept, elektronische Rezepte sowie die elektronische Patientenakte sollen bei der Digitalstrategie im Zentrum stehen. Außerdem ist eine Ausweitung der Gesundheitsforschung geplant. Die Löhne in der Pflege sollen steigen, der Eigenanteil für Pflegebedürftige gedeckelt werden. Einen Schwerpunkt in den Verhandlungen stellt die Rolle der Länder im Gesundheitswesen dar. Laut Kritiker:innen erschwert diese die Digitalisierung der Krankenhauslandschaft und die Krankenhausfinanzierung. Zudem wird über den Vorschlag regionaler Versorgungsnetze diskutiert, in denen ambulante und stationäre Bereiche enger zusammenarbeiten. Wie genau diese Neuerungen umgesetzt werden sollen, ist noch offen.
Die im Sondierungspapier festgehaltenen Beschlüsse zur künftigen Pflegepolitik sind wenig konkret und sorgen für Kritik bei Krankenkassen, Verbänden und Interessenvertreter:innen der Pflege. Die Koalitionsverhandlungen werden in dieser Woche fortgesetzt, bis Ende November soll der Koalitionsvertrag stehen. Es bleibt zu hoffen, dass die Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“ nachhaltige Lösungen entwickelt, um dem Personalmangel entgegenzuwirken und die Arbeitsbedingungen von Pflegekräften nachhaltig zu verbessern.
Judith Marlies Barth
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