Unter- und Mangelernährung im Krankenhaus verhindern

Was Mangelernährung bei Krankenhauspatient:innen bedingt und wie du ihr verbeugst, liest du hier.

Gesundes Essen fördert die Genesung und bedeutet für Patient:innen ein Stück Lebensqualität. Trotzdem ist die Verpflegung in vielen Krankenhäusern verbesserungsbedürftig. Deshalb geben sich oft vor den Kliniktüren die Lieferdienste die Klinke in die Hand. Doch was ist mit denen, die sich nichts bestellen können? Unter- und Mangelernährung ist in deutschen Krankenhäusern ein häufiges Problem.

Hans ist knapp 70, Krebspatient und seit fast drei Wochen im Krankenhaus. Das Essen an seinem Bett hat er kaum angerührt. Und das nicht nur, weil ihm die Nahrungsaufnahme ohnehin schwerfällt. Auf dem Tablett stehen Nudeln mit Tomatensauce. Die Nudeln sind überkocht, die Tomatensauce hat eine bittere Note. „Da bin ich schon nach einer Gabel satt“, sagt Hans. Es ist nicht das erste Mal, dass er das Essen zurückgehen lässt. Er freut sich auf den täglichen Besuch seiner Frau. Wegen der geltenden Corona-Maßnahmen darf sie offiziell nur eine Stunde bleiben. Allerdings schaut niemand streng auf die Uhr. Sie bringt selbst gekochtes Essen mit ins Krankenhaus. „Damit er nicht noch mehr abnimmt“, erklärt sie.

Mangelernährung im Krankenhaus ist keine Seltenheit

Das Pflegepersonal ist froh über diese Initiative. Zum einen ist Hans kooperativer, wenn seine Frau anwesend ist. Zum anderen isst er dann tatsächlich etwas mehr. Trotzdem hat ihr Mann seit seiner Aufnahme Gewicht verloren. Für den Krebspatienten ist das schwer wieder aufzuholen. Unterernährung im Krankenhaus und auch im Pflegeheim ist kein Einzelfall. Klinische Studien zeigen, dass 30 bis 80 Prozent der stationär aufgenommenen Patient:innen an Gewicht verlieren. Mangelernährt sind laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) bis zu 30 Prozent der Patient:innen und bis zu 25 Prozent der Bewohner:innen.

Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Die Krankenhauskost schmeckt nicht.
  • Der Gewichtsverlust bestand eventuell bereits vor der Hospitalisierung. Laut Studien trifft jede:r vierte Patient:in bereits unter- oder mangelernährt in der Klinik ein. Im Zuge des Krankenhausaufenthalts kann sich diese Situation verschärfen.
  • Schlecht sitzende Prothesen, verlegter Zahnersatz oder Zahnschmerzen erschweren eventuell die Nahrungsaufnahme.
  • Der Geschmackssinn der Patient:innen ist möglicherweise verändert. Auch Medikamente können sich negativ auf den Appetit auswirken.
  • Es bleibt teilweise unbemerkt, dass Patient:innen das Essen unberührt zurückgehen lassen.
  • Geschwächte Menschen brauchen manchmal Hilfe bei der Nahrungsaufnahme. Ist das Essen bereits erkaltet, wenn diese eintrifft, führt das unter Umständen zu weniger Appetit.
  • Ältere Patient:innen trinken häufig sehr wenig. Entweder, sie verspüren kaum Durst. Oder das Wasserglas ist zu schwer zu erreichen. Manche schämen sich für ihre Inkontinenz. Es kommt vor, dass sie gezielt wenig Flüssigkeit zu sich nehmen, um Toilettengänge beziehungsweise die Bettpfanne zu vermeiden. Das kann zu einer Dehydrierung führen.
  • Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin schätzt, dass die Unter- und Mangelernährung im Krankenhaus Folgekosten in Höhe von fünf Milliarden Euro verursacht.

Kostenfaktor Krankenhaus-Verpflegung

Die Klinikküchen sind in vielen Häusern in die Jahre gekommen: Durchschnittlich 30 Jahre ist das Inventar alt. Eine Modernisierung wäre dringend nötig. Allerdings fehlt überall das Geld. Mehrheitlich kochen die Krankenhäuser zwar noch selbst. Aber immer mehr Häuser entschließen sich dazu, das Essen extern zubereiten und anliefern zu lassen. Im Mittel stehen für die Versorgung pro Patient:in 14 Euro am Tag zur Verfügung. Das ist das Ergebnis der 5. Care-Studie des Deutschen Krankenhaus Institutes (DKI) und der K&P Consulting GmbH. 2019 haben sie die Verpflegung in deutschen Krankenhäusern genauer unter die Lupe genommen. Im Rahmen der repräsentativen Fragebogen-Untersuchung wurden 1.300 Allgemeinkrankenhäuser angeschrieben. 378 Häuser gaben Auskunft. Ein weiteres Ergebnis: Es werden immer häufiger industrielle Fertigprodukte verwendet. Schwer kranke Menschen und Patient:innen, die sich von Operationen erholen, sind allerdings auf eine vitaminreiche, gesundheitsfördernde Kost angewiesen.

Negative Folgen der Unterernährung im Krankenhaus:

  • Wer krank ist und unter Unterernährung leidet, kann Infektionen schlechter bekämpfen.
  • Die Wundheilung kann beeinträchtigt sein.
  • Es dauert länger, bis sich Kranke erholen. Möglicherweise können sie nicht an Rehabilitationsmaßnahmen teilnehmen, weil ihnen die Kraft fehlt.
  • Auch ein Vitamin-D-Mangel ist bei Krankenhauspatient:innen ein bekanntes Problem.

Es gibt Kliniken, die trotz knappem Budget hochwertiges Essen anbieten. Ihr Ansatz: Eingekauft wird saisonal und regional. Fleisch kommt dabei möglichst selten auf den Tisch. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) bietet Krankenhäusern ein Zertifikat für die Verpflegung ihrer Patient:innen an. Grundlage dafür ist der „DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Kliniken“.

Unnötige Risiken bei Lebensmitteln für Patient:innen

Laut dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gehen 90 Prozent der überprüften Kliniken und Pflegeheime bei der Verpflegung ihrer Patient:innen unnötige Risiken ein: Auf dem Speiseplan stehen beispielsweise Produkte wie Feinkostsalate, Teewurst, Mettwurst, Räucherfisch und Tiefkühlbeeren. Diese Lebensmittel sind allerdings oft mit Keimen belastet und anfällig für E.coli und Salmonellen. Was bei gesunden Menschen unproblematisch ist, kann bei älteren oder geschwächten Personen verheerende Auswirkungen haben. 2017 wurden für das Zoonosen-Monitoring Proben streichfähiger Rohwurst untersucht. Jede achte (12,2 %) enthielt Listerien.

Unter- und Mangelernährung in der Klinik vorbeugen: Was du als Pflegekraft tun kannst

Du hast zwar keinen Einfluss auf die Krankenhauskost. Aber du kannst dennoch einiges tun, um deine Patient:innen dabei zu unterstützen, genug Nährstoffe aufzunehmen und sich möglich gesund zu ernähren.

  • Prüfe, wie viel deine Patient:innen oder Bewohner:innen täglich essen.
  • Erkundige dich, ob sie ihre Zahnprothesen mitgebracht haben. Diese sollten rechtzeitig zu den Mahlzeiten eingesetzt sein und gut sitzen.
  • Ermutige Familienangehörige dazu, das Lieblingsessen mitzubringen oder etwas Spezielles zuzubereiten, wenn aus gesundheitlichen Gründen nichts dagegen spricht.
  • Informiere die Angehörigen über die Essenszeiten. Frage, ob Besuche zu diesen Zeiten infrage kommen. Die meisten Menschen essen im Kreis ihrer Familie besser.
  • Falls Patient:innen und Bewohner:innen zu wenig Nahrung aufnehmen, kann Flüssignahrung als Ergänzung eine Option sein.
  • Achte darauf, dass ein Glas mit Wasser, Tee oder Fruchtsaftschorle bereitsteht und gut erreichbar ist. Ausnahme: Die Flüssigkeitszufuhr muss krankheitsbedingt eingeschränkt werden.
  • Auch eine (vorübergehende) künstliche Ernährung kann eine Alternative sein, um Unter- und Mangelernährung zu verhindern.

Mit vorbeugenden Maßnahmen können Pflegekräfte dabei helfen, Unter- und Mangelernährung im Krankenhaus zu verhindern. Vor allem sind jedoch die Kliniken gefordert, beim Krankenhausessen nicht nur auf den Preis sondern auch auf die Qualität zu schauen.

Michaela Hövermann

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