Neue Personaluntergrenzen in der Pflege ab 2020

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Bisher gab es Pflegepersonaluntergrenzen in vier pflegeintensiven Krankenhausbereichen: Intensivmedizin, Geriatrie, Kardiologie und Unfallchirurgie. Am 1. Januar 2020 kamen vier weitere Bereiche dazu: Herzchirurgie, Neurologie, Stroke-Units sowie die Neurologische Frührehabilitation.

In diesem Artikel erfährst du:

  1. Wie die neuen Regelungen zu den Personaluntergrenzen konkret aussehen.
  2. Ob sie tatsächlich eine Arbeitserleichterung für dich als Pflegefachkraft vor Ort bedeuten.
  3. Welche möglichen Risiken es gibt.

Zwei Ziele werden mit der Einführung Personaluntergrenzen verfolgt: Die Versorgung von Patienten in Kliniken soll verbessert werden. Das ist nur möglich, wenn genug qualifiziertes Pflegepersonal vor Ort ist. Gleichzeitig sollst du als Pflegekraft im Alltag entlastet werden.

Die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) gibt darum in pflegesensitiven Bereichen das Verhältnis von Patienten zu Pflegekräften und von examinierten Pflegekräften zu Pflegehilfskräften vor. Dabei wird zwischen Tag- und Nachtschicht unterschieden.

Prinzipiell ist dies ein vielversprechender Ansatz. Allerdings sind die Vorgaben minimal. Manchen Kliniken fällt sogar das Einhalten dieser Mindeststandards schwer. Es reicht nicht aus, neue Stellen zu schaffen. Bewerberinnen und Bewerber müssen her. Doch woher sollen die vorgeschriebenen Pflegekräfte kommen?

Wo gelten Personaluntergrenzen?

In folgenden Krankenhausbereichen legt die Verordnung die maximale Anzahl von Patienten pro Pflegekraft fest:

  • Intensivmedizin,
  • Geriatrie,
  • Kardiologie,
  • Unfallchirurgie,
  • Herzchirurgie,
  • Neurologie,
  • Neurologie Schlaganfalleinheit (Stroke-Unit) und
  • Neurologische Frührehabilitation.

Welche Pflegepersonaluntergrenzen gelten ab 2020?

Folgende Patienten-Höchstgrenzen müssen ab sofort eingehalten werden:

Intensivmedizin

In der Tagschicht darfst du als Pflegekraft maximal zweieinhalb Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation versorgen. Nachts erhöht sich die Anzahl auf dreieinhalb Personen. Ab dem 1. Januar 2021 sollen es maximal zwei Personen in der Tagschicht und drei Personen in der Nachtschicht sein.

Geriatrie, Unfallchirurgie, Kardiologie und Neurologie

Während der Tagschicht ist das Verhältnis zwischen dir als Pflegekraft und deinen Patienten 1:10. In der Nachtschicht liegt die maximale Anzahl von Patienten bei 20 Personen.

HerzchirurgieIn der Tagschicht darfst du als Pflegefachkraft höchstens sieben Personen betreuen. Während der Nachtschicht sind es bis zu 15 Patienten.

Neurologie Schlaganfalleinheit (Stroke-Unit)In der Tagschicht sind drei Patienten pro Pflegefachkraft das Maximum, in der Nachtschicht fünf Patienten.

Neurologische Frührehabilitation

Während der Tagschicht ist die Betreuung von fünf Patienten pro Pflegekraft möglich. In der Nachtschicht erhöht sich die Höchstanzahl der Patienten auf 12.

Patientenzahlen 2020 auf einen Blick:


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Wer gilt als Pflegehilfskraft?

Die Verordnung legt außerdem den Anteil von Pflegehilfskräften in den pflegeintensiven Bereichen fest. Als Pflegehilfskräfte gelten unter anderem Medizinische Fachangestellte, Anästhesietechnische Assistenten und Notfallsanitäter.

Krankenhäuser zur Mitarbeit verpflichtet

Krankenhäuser sollen laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) entweder Pflegepersonal einstellen oder „Betten abbauen“. Gelingt es ihnen nicht, die Personaluntergrenzen einzuhalten, müssen sie das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH (InEK) informieren.

Die gesetzlichen Mindestvorgaben zum Pflegepersonal dürfen Krankenhäuser nur in Ausnahmefällen unterschreiten.

Zu den Ausnahmen zählen laut § 8 PpUGV – Ausnahmetatbestände und Übergangsregelungen …

  • kurzfristige krankheitsbedingte Personalausfälle (Grippewelle) sowie
  • eine erhöhte Anzahl von Patientinnen und Patienten aufgrund von Epidemien oder bei Großschadensereignissen.

Risiken

Kliniken dürfen kein Pflegepersonal aus anderen Stationen in einen pflegeintensiven Bereich versetzen. Das InEK prüft „unzulässige Personalverlagerungen“. Eine solche ist wahrscheinlich, wenn „sich das Verhältnis von Pflegekräften in Vollkräften zu Belegungstagen in den anderen Bereichen in der unmittelbaren Patientenversorgung um mehr als drei Prozent reduziert hat.“

Professor Michael Simon, Pflegeexperte der Hochschule Hannover, sieht noch andere Probleme. Seine Kritik: Die Personaluntergrenzen reichten überhaupt nicht aus, um „eine bedarfsgerechte Personalausstattung zu gewährleisten“ und die Pflegekräfte zu entlasten. Allein in Kliniken fehlten 100.000 Pflegekräfte.

Ohne Personal gelingt es manchen Kliniken vermutlich nicht, selbst diese geringen Auflagen einzuhalten. Angesichts dessen warnt Michael Simon vor einer gefährlichen Strategie: Patienten könnten zu früh von der Intensivstation auf die Normalstation verlegt werden. Das seien „erhebliche Risiken für die Patientenversorgung“, denn „die Normalstationen sind noch schlechter besetzt als die Intensivstationen“.

Woher kommen die benötigten Pflegekräfte?

Die Aufstockung von Teilzeitstellen zu Vollzeitstellen gilt als Feuerwehr-Lösung. Doch laut einer aktuellen Online-Umfrage des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), an der 2.000 Pflegefachkräfte teilnahmen, kommt nur für jede achte Teilzeitkraft eine Vollzeitstelle in der Pflege infrage. Grund sind die schlechten Arbeits- und Rahmenbedingungen.

Was sich laut den Befragten ändern muss:

  • bessere Personalausstattung,
  • höhere Vergütung
  • verlässliche Dienstpläne und die
  • Sicherheit, nicht aus der Freizeit gerufen zu werden.

Langfristig hilft nur eine Aufwertung des Pflegeberufs, was durch das Pflegeberufegesetz 2020 in die Wege geleitet wurde. Nachwuchs muss her.

Zwar kommt weiterhin die Anwerbung von Pflegefachkräften aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland infrage. Aber die Ausbildungsgänge unterscheiden sich teilweise beträchtlich. Dadurch kommt es im Klinikalltag zu Konflikten. Die neuen Kolleginnen und Kollegen müssen zunächst eingearbeitet werden. Auch Sprachkenntnisse wachsen erst mit der Zeit.

Was ist der „Ganzhausansatz“?

Bei dem sogenannten „Ganzhausansatz“ handelt es sich um die Vorgaben für die Pflege im Krankenhaus. Dabei wird das Verhältnis zwischen Pflegepersonal und Patienten ermittelt. Der „Pflegepersonalquotient“ zeigt, ob eine Klinik genug oder zu wenig Personal beschäftigt. Dabei darf ein vorgegebener Wert nicht unterschritten werden. Andernfalls drohen Strafen.

Das soll die Pflegequalität verbessern und die angemessene Versorgung der Patienten sicherstellen.

Michaela Hövermann

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