Der Valentinstag steht vor der Tür und mit ihm das Fest der Liebenden. Aber wie wäre es, dieses Jahr nicht nur anderen etwas Gutes zu tun, sondern auch dem Menschen, mit dem du am meisten Zeit verbringst: dir selbst? Bei Selbstliebe oder Selfcare denken viele Menschen an Schaumbäder, Gesichtsmasken, kostspielige Wellnesstempel und Selbstoptimierung. Wir erklären, warum man Selbstliebe nicht mal eben so konsumieren kann, wie du einen positiven Blick auf dich gewinnst und wie du dir selbst die Pflege zukommen lässt, die du brauchst.
Der Begriff „Selbstliebe“ sorgt häufig für Kopfschütteln und entnervtes Augenrollen, manchmal sogar für Wut. Die Liebe zu sich selbst gilt bei vielen immer noch als narzisstisch und egoistisch, als Luxusproblem, überflüssiger Quatsch oder esoterischer Humbug. Kein Wunder, denn in der Werbung wird mittlerweile eine ganze Palette von Produkten mit dem Buzzword angepriesen. Von Tarotkarten bis hin zu Raumsprays, Jade-Gesichtsrollern, Handyhüllen, Selbstliebe-Desinfektionsgel und Halsketten ist alles dabei.
Dabei bedeutet Selbstliebe im ursprünglichen Sinn, dass du dir deiner Stärken und Schwächen bewusst bist und diese in ihrer Gesamtheit annimmst. Das funktioniert auch ohne überteuerte Lifestyle-Produkte und bietet dir eine Menge Vorteile. Wer sich selbst schätzt, der behandelt sich gut, respektiert die eigenen Bedürfnisse und achtet seine Grenzen. Eine wertschätzende Haltung gegenüber sich selbst macht unabhängiger von der Meinung anderer und resilienter gegenüber Krisen. Wer mit sich im Reinen ist, hat Vertrauen in die Fähigkeit, das eigene Leben zu gestalten und selbstgesteckte Ziele zu erreichen. Das macht glücklich und ist in pflegenden Berufen essentiell. Nur, wer gut für sich sorgt, kann im nächsten Schritt anderen helfen. Doch die Selbstliebe braucht – wie andere Beziehungen auch – regelmäßig Zeit und Aufmerksamkeit.
Welche Beschäftigungen dir dabei helfen, die Beziehung zu dir selbst zu pflegen, hängt ganz von deinen persönlichen Bedürfnissen und Vorlieben ab. Yoga und Meditation haben sich als besonders effektiv erwiesen, um dem Alltagsstress zu entfliehen, Zugang zu den eigenen Gefühlen zu bekommen und Energie zu tanken. Allerdings sind wir Menschen ganz verschieden. Während der eine sich beim Yoga entspannt, kannst du der Technik trotz mehrerer Versuche vielleicht einfach nichts abgewinnen. In einem solchen Fall nützt es nichts, dich dazu zu zwingen. Überlege stattdessen, welche Tätigkeit dir wirklich Freude bereitet und deine Akkus auflädt. Vielleicht hilft dir Tanzen dabei, den Kopf frei zu bekommen. Oder du ziehst Energie aus dem Alleinsein und Tagträumen. Vielleicht liest du gern und kannst am besten abschalten, wenn du in deinem Lieblingsbuch blätterst oder dir einen Zeitungsartikel zu einem Thema vornimmst, das dich begeistert. Intuitiv wissen wir ziemlich genau, was wir gerade brauchen und welche Aktivitäten uns nähren. Plane zehn Minuten deines Tages dafür ein. Zehn Minuten schaffst du immer, auch in stressigen und anstrengenden Phasen. Gerade, wenn wir denken, wir hätten keine Zeit für Selbstfürsorge, brauchen wir sie am dringendsten. Wenn du ein größeres Zeitfenster hast, umso besser.
Manchmal ist es schwierig und kostet Überwindung, liebevoll mit sich umzugehen. Denn es bedeutet, auch unangenehmen Wahrheiten ins Auge zu sehen, sich persönlichen Ängsten zu stellen und sich aus der Komfortzone herauswagen. Ein guter Indikator, um herauszufinden, wie du liebevoll mit dir umgehst, ist die Frage „Hilft oder schadet es mir?“Hilft oder schadet es dir, den notwendigen Termin beim Zahnarzt weiter aufzuschieben, weil er dich nervös macht? Hilft oder schadet es dir, dich nicht mit deinen Finanzen auseinanderzusetzen, weil du denkst, dass dir das Thema nicht liegt? Hilft oder schadet es dir, zu Fastfood zu greifen, weil du zum Kochen zu müde bist? Hilft oder schadet es, keinen Vorsorgetermin bei der Hausärztin auszumachen, weil du „keine Zeit“ hast?Selbstliebe bedeutet, langfristig zu denken und dein Wohlergehen in der Zukunft zu sichern. Manchmal ist es notwendig, unangenehme Situationen auszuhalten, um ein Problem anzugehen, statt es aus Bequemlichkeit zu verschleppen, bis es eines Tages riesig ist. Wahrscheinlich fühlt sich der Moment, in dem du auf dem Zahnarztstuhl liegst, nicht besonders angenehm an. Wenn du trotzdem hingehst, verhinderst du allerdings, dass sich die Problematik weiter verschlimmert. Sich nach einer langen Schicht nochmal in die Küche zu stellen und eine gesunde Mahlzeit zuzubereiten, ist anstrengend. Wenn du dich aber überwindest, versorgst du deinen Körper mit Nährstoffen und kümmerst dich um deine Gesundheit. Die Verantwortung für sich zu übernehmen und sich vertrauen zu können, ist ein tolles Gefühl.
Selbstliebe heißt aber nicht nur, Verantwortung zu übernehmen. Auch freundlich mit sich zu sprechen, gehört dazu. Hast du schon einmal beobachtet, wie du mit dir redest und über dich denkst? Häufig gehen wir mit uns selbst wesentlich strenger ins Gericht als mit unseren Mitmenschen. Vielleicht kommen dir folgende Selbst-Vorwürfe bekannt vor: „War ja klar, dass ich das wieder nicht hinbekomme. Ich bin eben einfach nicht gut genug“, „Die Kolleg:innen wollen mit mir nichts zu tun haben“ oder „Ich mache alles falsch“. Ganz schön gemein, oder? Diese negativen Gedanken werden als innerer Kritiker bezeichnet. Er ist ziemlich unerbittlich und macht uns ungefragt auf alles aufmerksam, was seiner Meinung nach gerade falsch läuft. Kein Wunder, dass er unser Selbstwertgefühl in Mitleidenschaft zieht. Ein gewisses Maß an Selbstkritik ist wichtig und hilfreich, damit wir uns weiterentwickeln und über uns hinauswachsen können. Deshalb ist es keine gute Idee, den inneren Kritiker komplett zu ignorieren. Aber wir können versuchen, ihn zu verstehen und herauszufinden, was er uns mitteilen möchte. Eigentlich meint er es nämlich nur gut mit uns.
Der innere Kritiker ist ein Schutzmechanismus, den sich viele von uns in der Kindheit aneignen. Er soll potentielle Kritik von außen vorwegnehmen und uns so vor unangenehmen Situationen bewahren. Ist dieser innere Kritiker zu übermächtig, steht er uns allerdings eher im Weg als uns zu schützen. Das führt im schlimmsten Fall dazu, dass wir uns privat und im Beruf kaum noch etwas zutrauen, wenig von uns halten und Zufriedenheit in weite Ferne rückt.
Mit den folgenden drei Schritten kannst du aktiv etwas dafür tun, dass dein innerer Kritiker dich nicht ausbremst.
1. Bewusstsein schaffen: Mache dir klar, dass allzu kritische und negative Gedanken ein Schutzmechanismus sind. Sie können eine Orientierung bieten, müssen aber nicht zu 100 Prozent auf dich und die Situation zutreffen. Mache dir bewusst, dass du es nicht allen recht machen musst.
2. Hinterfragen: Nicht jeder Gedanke entspricht der Realität. Und noch wichtiger: Wir sind unseren Gedanken nicht schutzlos ausgeliefert, sondern können sie verändern. Wenn du das nächste Mal denkst „Ich kann das nicht“, schaffe Distanz, indem du den Satz umformulierst: „Ich habe gerade den Eindruck, dass ich das nicht kann“ oder „Im Moment glaube ich, dass ich das nicht kann“. Das gibt dir die Möglichkeit, die Worte des inneren Kritikers zu hinterfragen.
3. Widerlegen: Prüfe, ob die Aussage des inneren Kritikers der Realität entspricht. Bist du an ähnlichen Aufgaben in der Vergangenheit gescheitert? Wieso solltest du es nicht schaffen? Was spricht dafür, dass du es doch kannst? Je häufiger du den inneren Kritiker widerlegst, desto leiser wird er.
Wenn du den inneren Kritiker widerlegt hast, kannst du ihm einen positiven Gedanken entgegensetzen, zum Beispiel mit Hilfe einer Affirmation.
Hast du schon einmal von Autosuggestion gehört? Der Begriff setzt sich aus dem griechischen Wort „auto“ und dem lateinischen Wort „suggestio“ zusammen und bedeutet übersetzt „Selbstbeeinflussung“. Beschrieben wurde die Methode erstmals im 19. Jahrhundert von Émile Coué, einem französischen Apotheker und Zeitgenossen Sigmund Freuds. Coué beschäftigte sich mit der Macht der Gedanken und war davon überzeugt, dass diese starken Einfluss auf unsere Gefühle und Handlungen haben. Ein beliebtes Werkzeug aus dem Bereich der Autosuggestion, das auch in der Psychotherapie Anwendung findet, sind Affirmationen. Bei Affirmationen handelt es sich um bejahende, positive Grundannahmen über sich selbst und das Leben. Beispiele sind:
Die Wirkung von Autosuggestion wurde immer wieder durch die Forschung bestätigt. 2015 haben sich Wissenschaftler:innen der Universitäten Michigan, Pennsylvania und Kalifornien mit der Auswirkung positiver Affirmationen auf das menschliche Gehirn beschäftigt. Mithilfe von Magnetresonanztomographie konnten sie feststellen, dass Affirmationen unser Belohnungszentrum und den Bereich für Selbstreflexion aktivieren. Eine besonders starke Hirnaktivität konnte bei Affirmationen nachgewiesen werden, die sich auf die Zukunft richteten. Bejahende Grundannahmen bauen uns auf und motivieren. Auch wenn Sätze wie: „Die Welt meint es gut mir mir“ zunächst naiv klingen: Unser Fühlen, Denken und Handeln hängen wechselseitig zusammen. Wer seine Gedanken aktiv zum Positiven verändert, der ändert mit der Zeit auch seine Emotionen und sein Verhalten.
Anni und Sarah vom Podcast „Gepflegter Austausch“, die beide als Coaches für Pflegekräfte tätig sind, haben 50 ermutigende Affirmationen speziell für Menschen aufgenommen, die in Pflegeberufen arbeiten. Sie unterstützen dich dabei, ein positives Selbstbild zu entwickeln und den Wert deiner Arbeit anzuerkennen. Du kannst die Aufzeichnung ganz bequem auf dem Weg zur nächsten Schicht hören.
Die beiden haben außerdem eine ganze Podcast-Folge zu Selbstliebe in der Pflege aufgenommen. Darin teilen sie ihre wichtigsten Erkenntnisse und erklären, warum es besonders in sozialen Berufen wichtig ist, liebevoll mit sich umzugehen.
Aller Anfang ist schwer. Selbstliebe ist ein Prozess, der Geduld und Regelmäßigkeit erfordert. Nimm den Druck raus und versuche klein anzufangen, denn auch scheinbar banale Veränderungen, die wenig Aufwand kosten, führen zu mehr Wohlbefinden. Dir fehlt die Inspiration? Dann versuche es doch mal mit einer der Tätigkeiten aus unserer Liste.
**Selbstliebe ist kein Wannenbad als schnelle Lösung für komplexe Probleme, sondern die tiefere Auseinandersetzung mit den eigenen Grenzen, Wünschen und Bedürfnissen. Diese Verantwortung für sich zu begreifen und anzunehmen, hilft dabei, selbstbestimmt zu leben, die richtigen Entscheidungen zu treffen und sich im nächsten Schritt um andere zu kümmern. Eine positive Grundhaltung sich selbst gegenüber ist somit eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit in der Pflege.**
Judith Marlies Barth