Überlastungsanzeige – 6 Dinge, die Pflegekräfte dazu wissen sollten

Wer permanent überlastet ist im Job, kann sich und seine Patienten schützen. Wir erklären die Rechtslage.

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Jede Pflegekraft ist dazu berechtigt, eine Überlastungsanzeige zu schreiben. Wir beantworten die wichtigsten Fragen und verraten dir, was du beachten musst.

Die Kollegin hat sich krank gemeldet und du bist mal wieder alleine auf der Station? Du hast dutzende Überstunden angesammelt und kannst dich nicht erinnern, wann du die letzte Pause gemacht hast? Du fühlst dich mittlerweile permanent überlastet und schaffst kaum noch deine Arbeit? Dann solltest du darüber nachdenken, eine Überlastungsanzeige zu schreiben.

Was ist eine Überlastungsanzeige und warum ist sie für Pflegekräfte wichtig?

Eine Überlastungs- oder Gefährdungsanzeige ist ein Hinweis an den Arbeitgeber, dass unter den herrschenden Arbeitsbedingungen die Qualitätsstandards nicht eingehalten werden können und die Beschäftigten einer fortdauernden Belastungssituation ausgesetzt sind. In der Pflege kann dies zu einer Gefährdung und potenziellen Schädigung von Patienten und Pflegeempfängern führen. Der Arbeitgeber ist angehalten, entsprechende Maßnahmen zu veranlassen. Die Überlastungsanzeige soll also nicht nur dich vor rechtlichen und gesundheitlichen Konsequenzen schützen, sondern auch die Menschen, die du betreust und damit letztlich auch dein Unternehmen.

Wann sollten Pflegekräfte eine Überlastungsanzeige schreiben?

Du solltest vorher abwägen, ob es sich bei der belastenden Situation um einen kurzfristigen Ausnahmezustand handelt oder ob Personalmangel, organisatorische Mängel und ein unverhältnismäßiges Arbeitspensum strukturelle und langfristige Probleme deiner Pflegeeinrichtung bzw. deines Krankenhauses sind. Wenn dies der Fall ist und auch Gespräche keine Besserung gebracht haben, ist die Überlastungsanzeige angebracht.Warte auf keinen Fall, bis du schon "auf dem Zahnfleisch kriechst" und kurz vor dem Burnout stehst. Du solltest niemals Gefahr laufen, Patienten oder Bewohner zu schädigen, weil du deine Arbeit nicht mehr fachgerecht durchführen kannst.



Wie ist die Gesetzeslage in der Pflege?

Gesetzlich bist du nach Paragraf 15 des Arbeitsschutzgesetzes sogar dazu verpflichtet, für deine „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen“ und „für die Sicherheit und Gesundheit derjenigen Personen zu sorgen“, die von deinen „Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind.“Nach Paragraf 16 müssen Beschäftigte dem Arbeitgeber oder Vorgesetzten „jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit“ melden.

Das heißt aber nicht, dass eine Überlastungsanzeige Kranken- und Altenpfleger von jeglicher Verantwortung befreit. Du musst natürlich immer nach bestem Wissen und Gewissen handeln und bei fachlichen Fehlern drohen haftungsrechtliche Konsequenzen. Wenn du vorher jedoch auf die Überlastung hingewiesen hast, kannst du dich gegebenenfalls davon entlasten.

Auch wenn Pflegekräfte wegen Fehlern, die sie aufgrund der starken Belastung gemacht haben, eine Abmahnung oder Kündigung erhalten, können sie sich im Falle eines Rechtsstreits auf die Überlastungsanzeige berufen.



Was gehört in eine Überlastungsanzeige?

Vielleicht gibt es in deinem Betrieb schon ein Formular für die Überlastungsanzeige. Achte darauf, dass sie folgende Informationen enthält:

  • Datum und Namen der Beschäftigten
  • Adresse der Klinik- bzw. Einrichtungsleitung
  • Zeiträume, auf die sich die Schilderung bezieht
  • um welche Station bzw. welchen Betreuungsbereich es geht
  • Anzahl der zu betreuenden Patienten oder Personen und Betreuungsaufwand
  • notwendige und tatsächliche Anzahl der Pflegekräfte
  • Beschreibung der Situation und der auftretenden Probleme (zum Beispiel unzureichende Versorgung durch Personalmangel; Arbeiten, die nicht durchgeführt werden können)
  • dienstliche und persönliche Folgen (zum Beispiel Beschwerden; Erkrankungen aufgrund von Stress)
  • Anzahl der in den letzten Monaten geleisteten und nicht abgegoltenen Überstunden
  • Benennung vorhergehender Hinweise an den Arbeitgeber
  • Hinweis darauf, dass das Bestmögliche getan wird, die Pflegestandards einzuhalten, dies jedoch nicht mehr gewährleistet ist
  • Aufforderung an den Arbeitgeber, Abhilfe zu schaffen und die Anzeige der Personalakte hinzufügen
  • Unterschrift

Bevor du das Schriftstück abschickst oder abgibst, bitte eine neutrale Vertrauensperson, deinen Text nochmals zu lesen, um sicherzugehen, dass du sachlich geblieben bist und deinen Emotionen keinen freien Lauf gelassen hast.

Wie übergibst du die Überlastungsanzeige und an wen?

Du solltest die Überlastungsanzeige immer schriftlich abgeben, am besten persönlich bei deinen Vorgesetzten, zum Beispiel der Pflegedienstleitung. So kannst du auch gleich eine Kopie für dich mitnehmen und unterschreiben lassen. Solltest du eine Mail schicken, lass dir den Eingang bestätigen.

Müssen Pflegekräfte, die auf Gefährdungssituationen hinweisen, mit Konsequenzen rechnen?

Vielleicht hast du schon einmal von anderen Pflegekräften gehört, dass Überlastungsanzeigen nichts bringen oder du hast Angst davor, dass dein Arbeitgeber oder gar die Kollegen dich abstrafen. Tatsächlich erreichen die Gewerkschaft ver.di anonyme Briefe von Pflegekräften, die beschreiben, dass sie sich rechtfertigen mussten und ihre Eignung für den Pflegeberuf angezweifelt wurde. Doch gerade die Fähigkeit, Gefahrensituationen zu erkennen und der Mut, Veränderungen einzufordern, zeigen, dass du deinen Job ernst nimmst und verantwortungsvoll handelst.

Auch das Gesetz ist auf deiner Seite. Laut Maßregelungsverbot nach Paragraf 612a des Bürgerlichen Gesetzbuches darf der Arbeitgeber dich für deine subjektive Einschätzung der Gefährdungslage nicht abmahnen, denn es zählt allein der Eindruck des Arbeitnehmers.

Im Falle einer Krankenpflegerin, die wegen einer Überlastungsanzeige eine Abmahnung erhielt, entschied das Landesarbeitsgericht Niedersachsen 2018 in einem Berufungsverfahren, dass die Abmahnung nicht rechtmäßig war.

Lass dich nicht einschüchtern oder unter Druck setzen und vor allem: zweifle nicht selbst an deinem Urteil. Du hast dich für den Beruf entschieden, weil du Menschen helfen willst. Sobald du das Gefühl hast, dass du dies nicht mehr kannst oder sie gar gefährdest, hast du das Recht, selbst Hilfe einzufordern.

Friederike Bloch

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