Zuletzt haben wir im März dieses Jahres Pflegekräfte zu ihren Arbeitsbedingungen während der Corona-Pandemie befragt. Obwohl das Virus bereits seit eineinhalb Jahren grassiert und dessen belastende Folgen auch für Pflegekräfte hinlänglich bekannt sind, fehlt es Pflegepersonal überwiegend immer noch an jeglicher Form der Unterstützung. Eine Beschäftigung in Teilzeit scheint eine vergleichsweise schnelle Lösung zum Schutz der eigenen Gesundheit und Aufrechterhaltung der eigenen Arbeitskraft – wie eine im Mai 2021 durchgeführte MEDWING-Umfrage zeigt.
Über 1.200 Beschäftigte in Gesundheitsberufen haben an der MEDWING-Umfrage zu den aktuellen Arbeitsbedingungen inmitten der Corona-Krise teilgenommen. Der Großteil der Befragten geht dem Beruf als Gesundheits- und Krankenpfleger:in, Altenpfleger:in oder Pflegehelfer:in nach. Lediglich drei Ärzt:innen beteiligten sich diesmal. Rund 80 Prozent aller Teilnehmer:innen arbeiten in Festanstellung, etwas über 56 Prozent in Vollzeit bzw. etwa ein Drittel in Teilzeit. Etwa 60 Prozent sind in Krankenhäusern und Altenheimen beschäftigt. Während sich die Umfragebeteiligung zwar durch alle Altersgruppen zog, machte mit ca. 75 Prozent vor allem weibliches Personal Angaben zu seiner derzeitigen beruflichen Situation.
Ausnahmslos alle Umfrageteilnehmer:innen beantworteten unsere Einstiegsfrage nach der Corona-Impfung: Rund 53 Prozent des befragten Pflegepersonals sind bereits geimpft. Rund 67 Prozent erhielten dabei den Impfstoff von BioNTech. An fast 18 Prozent wurde das Vakzin von AstraZeneca verimpft, an etwa 9 Prozent die Covid-19-Impfung von Moderna. Ebenso erfreulich ist die schwindende Prozentzahl derjeniger, die sich nicht impfen lassen möchten. Im Vergleich zur vergangenen MEDWING-Umfrage vom März dieses Jahres ist diese von rund 30 Prozent auf knappe 20 Prozent gesunken.
Während die Corona-Schutzimpfung die Wahrscheinlichkeit minimiert, schwer an dem Virus zu erkranken, sind Pflegekräfte vor physischen und psychischen Beschwerden weiterhin nicht gefeit: Im Rahmen unserer Umfrage gab rund ein Drittel aller Befragten an, oft unter entsprechenden Beeinträchtigungen zu leiden. Fast 27 Prozent seien gelegentlich betroffen und etwa zehn Prozent permanent körperlich oder geistig belastet. Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen sowie Müdigkeit und Schlafstörungen seien die häufigsten physischen Beschwerden. Die Psyche habe laut unserer Umfrage-Ergebnisse besonders mit Angstzuständen und depressiven Verstimmungen zu kämpfen.
In der Pflege werden mentale Befindlichkeiten mitunter immer noch ebenso ähnlich minder bewertet wie generell in der Gesellschaft. Und so ist es nicht verwunderlich, aber durchaus beschämend, dass die große Mehrheit der von der Pandemie in besonders hohem Maße betroffenen Pflegekräfte bis dato keinerlei psychologische Unterstützung erhalten hat. Rund 92 Prozent aller Befragten verneinten unsere Frage nach erhaltener Hilfe. Nur etwa 1,5 Prozent gaben an, noch eine Art der Unterstützung in Aussicht gestellt bekommen zu haben. Lediglich ein bisschen über sechs Prozent – also 54 Personen all jener, die diese Frage beantworteten – haben bis heute eine Form der seelischen Betreuung angeboten bekommen bzw. in Anspruch genommen.
Neben dem fehlenden Angebot bei psychischer Belastung – inmitten oder unabhängig der Corona-Krise – mangelt es den befragten Pflegekräften zudem an einer gefestigten Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Personal. Laut unserer Umfrage-Ergebnisse wünschen sich zwei Drittel aller Teilnehmer:innen ein stärkeres Miteinander beim Arbeiten mit der Ärzteschaft sowie mehr Verantwortung in der ihnen zugesprochenen Patient:innen-Versorgung. Jeweils rund 17 Prozent des Pflegepersonals hegen diesen Wunsch nicht oder sind unentschlossen.
Zum Vorantreiben dieses Ziels und anderer Anliegen könnte das Engagement in Berufsverbänden beitragen – würde diese Möglichkeit nur in wirkungsvollem Maße genutzt werden.
Wie sich Pflegekräfte für ihre Zunft engagieren können, haben wir dir bereits zusammengetragen – sowohl berufspolitisches Engagement als auch die Steigerung von Sichtbarkeit der Pflege in den Medien und der Politik sind Möglichkeiten. Immer wieder auf diese hinzuweisen, ist existenziell, wie auch unsere aktuelle Umfrage einmal mehr zeigt. Nur 19,03 Prozent der Befragten sind Mitglied in einem Berufsverband. Verschwindend geringe 4,34 Prozent wollen vor 2022 einem solchen zwar noch beitreten. Doch trotz der Möglichkeit, diese Antwort zu wählen, antworteten erschreckende 76,63 Prozent auf die Frage „Sind Sie Mitglied eines Berufsverbandes für Pflege?“ mit „Nein“. In Anbetracht des enormen Arbeitsaufkommens und der bereits erwähnten einhergehenden Belastung kann man Pflegekräften jedoch nicht verübeln, wenn es ihnen an Kraft und Zeit zu einem solchen zusätzlichen Engagement nicht mehr reicht.
Anstelle mühevoller Interessenvertretung – die in der Pflege nicht selten den Anschein erweckt, aussichtslos zu sein und für die man sicherlich einen längeren Atem braucht – rückt eine alternative Reaktion beim Pflegepersonal zunehmend in den Vordergrund: Eine Beschäftigung in Teilzeit scheint eine vergleichsweise schnelle Lösung zum Schutz der eigenen Gesundheit und Aufrechterhaltung der eigenen Arbeitskraft zu sein. Und unserer Umfrage nach zu urteilen, bevorzugen Pflegekräfte, die ihrem Beruf erst einmal in Teilzeit nachgegangen sind, es auch dabei zu belassen. Über zwei Drittel des Pflegepersonals in Teilzeit möchte nicht (wieder) auf Vollzeit wechseln.
Bedenkt man, dass für jede Pflegekraft, die von Vollzeit in Teilzeit wechselt, weitere Arbeitskraft fehlt, zeichnen sich noch düstere Aussichten im Hinblick auf den Personalmangel in der Pflege ab als ohnehin schon.
Die Ergebnisse dieser MEDWING-Umfrage zeugen einmal mehr von den konstant kritischen Arbeitsbedingungen des Personals in der Pflege, das auch inmitten der Corona-Krise wenig bis keine Unterstützung vonseiten der Politik erhält. Es bleibt nach wie vor der Eindruck, dass sich die Pflege nur aus eigener Kraft helfen könne. Doch wo soll sie diese noch hernehmen?