Streit entbrannt – wer zahlt die Dankesprämie für Pflegekräfte?

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Pflegekräfte sind systemrelevant – das ist unbestritten. Die schlechte Nachricht: Erst ein Virus, der die Welt lahmlegt, hat das vielen von uns klargemacht. Die gute Nachricht jedoch: Das Pflegepersonal wird nicht nur weltweit dafür beklatscht, sondern soll für diese besondere Belastung in der aktuellen Situation auch eine finanzielle Anerkennung in Form einer Sonderprämie erhalten. So wurde es zumindest in den letzten Tagen groß angekündigt. Doch jetzt scheint es nicht mehr so einfach.

Wie die FAZ am heutigen Mittwoch schreibt, will niemand die Corona-Sonderprämie von 1.500 Euro in der Altenpflege zahlen. Während in anderen Bereichen die Arbeitgeber dafür aufkommen oder auch einzelne Länder, wie Bayern, einen Bonus auszahlen, rufen die Pflegeheime als Arbeitgeber die Sozialkassen bzw. die Politik auf. Ob sie dafür nicht aufkommen können oder wollen, sei dahingestellt. Die Crux dabei: Die Prämien der Altenpfleger würden dann als einzige aus öffentlichen Kassen finanziert werden, die der Kranken- oder Behinderten-Pfleger und der Rettungssanitäter eben nicht. Auch wenn sie ebenso wichtige und systemrelevante Arbeit leisten.

Bisher hatten die Vertreter von Pflegeeinrichtungen erwartet, dass die Heimbetreiber die Auszahlung von Prämien an ihre Mitarbeiter sofort mit den Pflegekassen abrechnen könnten. Dieser Eindruck wurde auch in ersten Äußerungen Anfang April vom GKV-Spitzenverband, der Dachorganisation der Gesetzlichen Krankenversicherung, erweckt. Doch bei den Krankenkassen gibt es massiven Widerstand gegen eine Finanzierung durch die beitragsfinanzierte Pflegeversicherung, wie die FAZ weiter schreibt. „Es kann nicht sein, dass allein die Beitragszahler hierfür aufkommen müssen”, so die Vorstandsvorsitzende des Ersatzkassen-Verbands VDEK, Ulrike Elsner. Und auch der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch sieht die Politik und Steuerzahler in der Pflicht und nicht die Sozialversicherung. Weil Altenpfleger „einen herausragenden Dienst” für die Allgemeinheit leisten würden, sollten „Bund und Länder Verantwortung übernehmen”.

Jetzt stellen sich natürlich viele Fragen: Ist es fair, dass Bund und Länder für die Sonderprämien in der Altenpflege aufkommen, aber nicht für die an anderer Stelle geleisteten Prämien? Ist es fair, die Prämien auf die Beitragszahler umzuwälzen, die vielfach selbst von Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder Verdienstausfällen betroffen sind? Ist es fair, dass die Pflegebedürftigen, sollte es zu keiner Finanzierungsregelung kommen, selbst einmalig für diese Kosten aufkommen? Ja, wir könnten hier noch ewig weiter diskutieren, was fair ist und was nicht. Fakt ist: Es ist nicht fair, wie schlecht das Image und die Bezahlung in der Altenpflege und Pflege generell sind – und man deswegen über eine Sonderprämie überhaupt nachdenken muss.

Die Politik muss dringend ein Zeichen setzen, aber eines, dass auch über Sonderzahlungen hinausgeht. Alle Beteiligten sollten sich schleunigst an den Tisch setzen und einen Tarifvertrag ausverhandeln, der alle Beschäftigten in den Einrichtungen erfasst und die Arbeitsbedingungen umfassend regelt. Wenn dieser Beruf nicht endlich auch langfristig attraktiver gestaltet wird, dann ist die aktuelle Sonderprämie wohl bald unser geringstes Problem.

Die Zahlen sprechen hier eine eindeutige Sprache: Laut statista könnten bis 2035 rund 307.000 Pflegekräfte fehlen. Das sind Zahlen die eigentlich viel erschreckender sind, als die 2,5 Milliarden Euro, die aktuell laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) für die Prämien benötigt würden.

Julia Wagner

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