Gehörlose Menschen bilden in Deutschland eine eigene kulturelle und sprachliche Gemeinschaft. Sie verständigen sich untereinander in ihrer Muttersprache, der Deutschen Gebärdensprache (DGS). Wenn nicht-hörende Menschen in ein Pflegeheim umziehen müssen, ist das Risiko von sozialer Isolation und Vereinsamung, aber auch von falschen Diagnosen und unzureichender Betreuung groß. Bislang gibt es keine Diagnoseinstrumente, mit denen sich eine Demenz bei Gehörlosen feststellen lässt.
In Deutschland gibt es rund 83.000 gehörlose Menschen. Für sie ist die deutsche Laut- und Schriftsprache mit einer Fremdsprache vergleichbar. Der Beherrschungsgrad fällt individuell unterschiedlich aus. Auch für gesunde Gehörlose ist die Kommunikation mit Hörenden eine Herausforderung. Meistens bleibt der Austausch auf einfache Gesten und Lippenlesen beschränkt.
In Deutschland nehmen Demenzerkrankungen zu: Zwischen 2009 und 2016 ist die Zahl der Demenzerkrankungen um 40 Prozent auf rund 1,6 Millionen gestiegen. Die häufigste demenzielle Erkrankung ist Alzheimer. Betroffen sind Hörende und Gehörlose gleichermaßen. Allerdings fehlt nicht-hörenden Senior:innen oft der Zugang zu Informationen über diese Erkrankung.
Heilbar ist Demenz nicht. Eine frühe Erkennung hilft jedoch dabei, den Krankheitsverlauf hinauszuzögern und mit der neuen Situation umzugehen.
Bislang gibt es kaum Beratungs- und Versorgungsangebote, die auf die speziellen Bedürfnisse Gehörloser im Alter zugeschnitten sind. Das gilt für die gesamte Versorgung: Weder in der ambulanten noch in der stationären Pflege sind Einrichtungen flächendeckend auf diese Klientel eingestellt.
Die Kommunikation in Gebärdensprache ist für Gehörlose mit eventueller Demenz allerdings entscheidend, um über Beschwerden zu berichten, Fragen zu stellen und Sorgen oder Ängste mitzuteilen. Spricht das Personal nicht die Deutsche Gebärdensprache (DGS), müsste bei jeder ärztlichen Konsultation und in jeder Pflegesituation ein:e Gebärdensprachdolmetscher:in anwesend sein. Dabei kann es sich um eine Vertrauensperson handeln.
Die medizinische und pflegerische Versorgung von Gehörlosen erfordert Wissen über die Kultur und Geschichte, die Ressourcen und die Bedürfnisse nicht-hörender Menschen mit Demenz. Gleichzeitig sind Diagnoseverfahren in Gebärdensprache unverzichtbar.
Lisa Stockleben entwickelt zurzeit an der Universität zu Köln ein Computer-basiertes Screening-Verfahren für Demenz in Deutscher Gebärdensprache.
Zur Diagnose von Demenz kommen im Allgemeinen verschiedene neuropsychologische Screening-Tests zum Einsatz.
Dazu gehören folgende Testinstrumente:
Allerdings setzen diese Screening-Tests voraus, dass die getestete Person hört und die Deutsche Laut- und Schriftsprache beherrscht.
Der Testablauf wird mündlich erläutert. Während des Tests müssen Senior:innen Fragen beantworten, Sätze wiederholen, buchstabieren, bestimmte Aufgaben erledigen und Aufforderungen nachkommen. Im Rahmen dieser Demenzdiagnostik spielt die Sprache, aber auch die Kultur der Proband:innen eine wesentliche Rolle.
Dementsprechend sind diese Testinstrumente für gehörlose Menschen nicht geeignet. Ihr sprachliches Niveau, ihre Merkfähigkeit und ihre Fähigkeit, Aufgaben zu erledigen, kann ein hörender Mensch ohne Kenntnisse in DGS nur schwer beurteilen.
Für Gehörlose mit Verdacht auf Demenz gibt es in Deutschland derzeit nur zwei Anlaufstellen:
Erhärtet sich der Verdacht auf Demenz, folgen üblicherweise weitere Untersuchungen wie Blutuntersuchungen, eine Computertomographie (CT) oder eine Magnetresonanztomographie (MRT). Diese geben Hinweise auf körperliche Veränderungen und helfen dabei, andere Erkrankungen auszuschließen.
Eine Demenzerkrankung beeinflusst die Orientierungsfähigkeit, die Sprache, aber auch Gestik und Mimik. Gehörlose fühlen sich in dieser Situation oft besonders verloren. Ihnen fehlen die vertraute Gemeinschaft und die bekannte Umgebung. Wenn sie nicht in einer auf Gehörlose spezialisierten Einrichtung leben, stoßen sie wahrscheinlich überall auf Kommunikationsbarrieren. Das kann zu Hilflosigkeit, aber auch zu Aggressionen oder sozialem Rückzug führen.
Versuch dich im Kontakt mit gehörlosen Pflegebedürftigen auf die Bedürfnisse deiner Bewohner:in/deines Bewohners einzustellen: