Die Pflege existiert schon, seit es uns Menschen gibt. Wir nehmen dich mit auf eine Reise quer durch die Jahrhunderte und führen dich in dreizehn Stationen durch die Geschichte der Krankenpflege. Mit diesen historischen Fakten kannst du deine Kolleg:innen garantiert beeindrucken.
Im Gegensatz zur Medizin-Geschichte ist die Geschichte der Krankenpflege nicht so sehr im Selbstverständnis des Berufs verankert. Durch die Professionalisierung im 19. und 20. Jahrhundert entwickelte sich jedoch der Wunsch, die Rolle des Pflegeberufs in sozialen, historischen und politischen Kontexten zu verstehen. Die Erforschung wurde zunächst von Laien oder interessierten Pflegekräften ohne geschichtswissenschaftliche Ausbildung übernommen. Mittlerweile gibt es an medizinhistorischen Instituten aber immer mehr Forschungsprojekte zur Pflege-Geschichte. Einige der dort gewonnenen Erkenntnisse werden heute im Rahmen der Berufskunde in der Pflegeausbildung unterrichtet. Aber wann beginnt die Geschichte der Pflege eigentlich?
In der Frühzeit waren die Frauen für die Pflege alter und kranker Menschen zuständig. Auch die Kinder wurden von ihnen gepflegt und großgezogen. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass bereits in der Altsteinzeit, also vor etwa 300.000 Jahren, gebrochene Knochen geschient, Unfallfolgen versorgt und Schädelbohrungen durchgeführt wurden. Die Frauen unterstützen sich außerdem gegenseitig beim Gebären des Nachwuchses. So entstand in der Jungsteinzeit der Beruf der Hebamme.
Im Jahr 1550 vor Christus war das Gesundheitssystem schon etwas komplexer. Im alten Ägypten konnten Pflegebedürftige in Tempeln um Behandlung bitten, die dem Würdenträger Imhotep geweiht waren. Der Legende nach war er der Begründer der ägyptischen Medizin. Hochrangige Tempelfrauen und Priesterinnen übernahmen dort die pflegerischen Aufgaben und arbeiteten Hand in Hand mit den meist männlichen Ärzten. Letztere verfügten damals schon über Spezialisierungen und nutzen Gebete zur Heilung der Kranken.
In Indien war der Pflegeberuf Männersache und wurde von den Upasthatr ausgeführt. Im Jahr 300 vor Christus wurden dort die ersten Regeln zur Hygiene und Belüftung von Krankenhäusern schriftlich festgehalten. 250 vor Christus entstand in Indien die erste Krankenpflegeschule, in der die angehenden Pfleger für den Beruf essenzielle Tätigkeiten wie Kochen, Massieren oder das Lagern der Kranken erlernten.
Auch in der jüdischen Kultur ist die Krankenpflege fest verankert. In den Schriften der Thora und des Talmud sind Vorschriften zur Hygiene und zur Isolation infektiöser Kranker zum Schutz der Bevölkerung festgehalten. Eine wichtige Rolle spielt das jüdische Wohltätigkeitsgebot, die Zedaka, das die Gläubigen anhält, Gutes zu tun. Die Zedaka ist ein Vorläufer der christlichen sieben Werke der Barmherzigkeit, zu denen auch die Krankenpflege gehört und bildet die Basis für die jüdische Sozialarbeit der späteren Jahrhunderte.
Ende des fünften Jahrhunderts entwickelte sich im alten Griechenland die rationale Medizin, für die Hippokrates von Kos von besonderer Bedeutung ist. Vielleicht hast du schon einmal vom hippokratischen Eid gehört, der bis heute als ethische Grundlage des Ärzt:innenberufs gilt. Er enthält unter anderem das Gebot, Patient:innen vor Schaden zu bewahren und die Schweigepflicht einzuhalten. In Hippokrates’ Schriften ist außerdem ein Regelwerk festgelegt, das den Pflegenden Aufgaben anhand ihres Ausbildungsstands zuweist. Je höher eine Pflegekraft aufstieg, desto komplexere Aufgaben konnte sie übernehmen. Eine klare Trennung zwischen Ärzten und Pflegern gab es nicht. Beide Tätigkeiten waren gleichermaßen hoch angesehen. Auch im antiken Griechenland war der Pflegeberuf in rein männlicher Hand. Frauen übernahmen jedoch Pflegetätigkeiten innerhalb der Familie.
Im Römischen Reich lag der Schwerpunkt des Pflegeberufs auf der Erhaltung der Körperkraft. So wurden Soldaten vor allem gepflegt, um das Reich weiter verteidigen zu können und Sklaven, um zu ihrer Arbeitskraft zurückzufinden. Die Nachsorge der Erkrankten erfolgte vor rund 2000 Jahren in sogenannten Valetudinarien, die in ruhigen Regionen lagen und mit Sanatorien vergleichbar sind. Zugang erhielten allerdings nur Patient:innen, deren Erkrankung Heilungschancen versprach. Erfindungen wie Badehäuser, Latrinen und Aquädukte ermöglichten damals fortschrittliche Hygienestandards für alle Bevölkerungsschichten.
Durch die Verbreitung des Urchristentums etablierte sich eine neue Motivation in der Pflege: die der Nächstenliebe, welche der Liebe zu Gott gleichgesetzt werden sollte. Besonders ein Abschnitt aus dem Matthäusevangelium wurde dabei zum zentralen Leitmotiv: „Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr es einem der geringsten dieser meiner Brüder getan habt, habt ihr es mir getan.“ Pflegetätigkeiten wurden im frühen Christentum unentgeltlich von Freiwilligen ohne pflegerische Ausbildung übernommen. Sie sammelten Arme und Kranke von den Straßen auf, um ihnen zu helfen.
Während Medizin schon früh an europäischen Universitäten gelehrt wurde, entwickelte sich die von der Nächstenliebe geprägte Pflege im Mittelalter in Orden und Klöstern weiter. Zentrale Probleme waren damals die durch Kreuzzüge im 13. Jahrhundert nach Europa eingeschleppte Lepra und die Pest, die während des 14. Jahrhunderts grassierte. Für die Erkrankten wurden Einrichtungen gebaut, in denen sie von weltlichen oder christlichen Orden betreut wurden.
Im 16. Jahrhundert entstanden weitere christliche Pflegeorden wie beispielsweise der „Orden der Barmherzigen Brüder“ oder die Kamillianer. Im Jahr 1574 veröffentlichte der Arzt Jakob Oetheus außerdem das erste deutsche Lehrbuch der Krankenpflege. 1679 erschien in Kiel ein weiteres Einführungsbuch: „Der unterwiesene Kranckenwärter“ von Georg Detharding. Detharding war der Ansicht, der Pflegeberuf solle ausschließlich von Frauen ausgeführt werden. Er forderte außerdem eine strikte Unterordnung der Pflegenden unter die ärztlichen Anordnungen.
Im 18. und 19. Jahrhundert wurde klar: Eine Professionalisierung der Pflege ist dringend notwendig. Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Medizin machten geschultes Assistenzpersonal unabdingbar. Außerdem konnte das geistliche Personal den Bedarf an Pflegekräften nicht mehr allein decken. Aus den Hospitälern, die damals allen Notleidenden zur Verfügung standen, entwickelten sich deshalb Krankenhäuser, die sich auf die rein medizinische Versorgung spezialisierten. 1860 richtete die britische Krankenschwester Florence Nightingale die erste konfessionell unabhängige Krankenpflegeschule ein. Nightingales Konzept verbreitete sich im Commonwealth, Nordeuropa und den USA. In Deutschland blieb die Pflegeausbildung jedoch zunächst in den Händen der katholischen Orden.
1903 gründete die deutsche Krankenschwester Agnes Karll die „Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands sowie der Säuglings- und Wohlfahrtspflegerinnen“. Karll setzte sich außerdem für die dreijährige Pflegeausbildung ein und prägte die Berufsbezeichnung „Krankenschwester“. Der Erste Weltkrieg stellte einen Bruch in der Geschichte der Krankenpflege in Deutschland dar: Die Bemühungen zur Vereinheitlichung der Pflegeausbildung wurden gestoppt, da zuerst die Kriegsversehrten versorgt werden mussten.
Die Zeit des Nationalsozialismus stellt auch in der deutschen Pflegegeschichte ein dunkles Kapitel dar. Alle weltlichen und kirchlichen Berufsorganisationen wurden damals zusammengeschlossen und standen unter der Schirmherrschaft der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. Zahlreiche Pflegekräfte wurden gezwungen, sich an der Ermordung körperlich oder psychisch Kranker zu beteiligen, deren Existenz in der NS-Ideologie als „lebensunwert“ galt. Auch Zwangssterilisationen und -abtreibungen oder Kinder-Euthanasie mussten von Pfleger:innen durchgeführt werden. Doch es gab auch Widerstand: Schwestern wie Anna Bertha Königsegg oder Helene Kafka widersetzten sich der NS-Ideologie und mussten dafür mit ihrem Leben bezahlen.
Nach den Schrecken des Nationalsozialismus versuchten die Besatzungsmächte, die Pflege in Deutschland neu zu positionieren. Dazu wurde in Heidelberg eine Pflegeschule gegründet, die sich mit einer neu konzipierten Ausbildung an internationale Standards orientierte. Die Pflege wurde zunehmend wissenschaftlich erforscht.
In der DDR wurden 1963 die ersten Studiengänge für Medizinpädagogik und Diplomkrankenpflege eingeführt. Zudem verfügte das Land über eine Pflegeausbildung, die auch international sehr angesehen war. Engpässe bei Medikamenten und medizinischer Ausrüstung führten allerdings immer wieder zu Schwierigkeiten bei der Behandlung von Patient:innen.
Während der 90er Jahre wurde der Personalmangel in der Pflege so akut, dass vermehrt Hilfspersonal eingesetzt wurde. Gleichzeitig entwickelte sich die Pflege von einem Assistenzberuf zu einem eigenständigen Gesundheitsfachberuf weiter. Bis heute etablieren sich immer mehr Spezialisierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Pflegekräfte. Die Corona-Pandemie, die 2020 Deutschland erreichte, stellt die Berufsgruppe vor neue Herausforderungen und verdeutlicht der Gesellschaft die Relevanz des Pflegesektors.
Die Geschichte der Krankenpflege beginnt mit der Geschichte der Menschheit: Schon in der Steinzeit gab es pflegerische Tätigkeiten. Wer für die Krankenpflege zuständig war und welche Qualifikationen benötigt wurden, hat sich im Laufe der Zeit oft verändert. Die Professionalisierung des Berufs legte schließlich den Grundstein für die Krankenpflege, wie wir sie heute kennen.
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