Volle Pflanzen-Power voraus: Einst als esoterischer Unsinn abgetan, haben ätherische Öle als komplementäre Pflegemethode längst Einzug in Krankenhäuser, Hospize und Altenheime gehalten. Hast du Interesse daran, in deiner Einrichtung die Aromapflege anzuwenden? Willst du wissen, wie sie funktioniert, und welche Voraussetzungen man dafür mitbringen sollte? Alle Infos erhältst du bei uns.
Sie sorgen mit ihren zitronigen, herben oder süßen Duftnoten nicht nur in der Sauna oder bei Massagen für wohlige Entspannung: Ätherische Öle sind wahre Alleskönner im Bereich der Naturheilkunde. Sie haben sowohl bei der inneren als auch der äußeren Anwendung großes Potenzial für das Wohlbefinden von Körper und Psyche. Die Aromapflege macht sich diese Fähigkeiten im Bereich der Pflege zunutze und hat viele Vorteile für Kranke, Senior:innen oder Sterbende.
Hast du dir schon mal bei Kopfschmerzen Minzöl auf die Schläfen gerieben oder vorm Schlafengehen ein Lavendelöl aufs Kopfkissen geträufelt? Dann warst du bereits dein:e persönliche Aromapfleger:in. Bei der Aromapflege kommen wohlriechende ätherische Öle in äußerlicher Anwendung zum Einsatz. Über den Geruchssinn aktivieren sie Serotonin und Endorphine im Gehirn (bekannt als Glückshormone). Diese wiederum können:
Die Selbstheilungskräfte mittels dieser positiven Effekte anzuregen, ist eines der wichtigsten Ziele der Aromapflege. Die Verwendung ätherischer Öle im Bereich der Medizin stößt nicht überall auf Liebhaber:innen. Doch inzwischen belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien ihre Wirksamkeit.
So zum Beispiel eine Studie, veröffentlicht im Journal „Complementary Therapies in Medicine“, die die beruhigende Wirkung von Lavendel und Zitronenmelisse auf ältere Bewohner:innen in Pflegeheimen dokumentiert. Oder aber eine Studie aus der Zeitschrift „Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine“, die die schlaffördernden Eigenschaften von inhaliertem Pfefferminz- und Lavendelöl bei Krebspatient:innen nachweist. Bei Laien am bekanntesten und ebenfalls durch eine Studie, veröffentlicht im „Ärzteblatt“, belegt, ist die Nutzung von Pfefferminzöl bei Kopfschmerzen. Laut den Wissenschaftler:innen soll die Anwendung von Pfefferminzöl bei leichten und mittelschweren Spannungskopfschmerzen sogar genau so gute Wirkung entfalten wie Schmerzmittel mit Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen.
Pflegekräfte können also mit der Kraft der Pflanzen die Therapie im Krankenhaus sanft unterstützen, Sterbenden im Hospiz auf ihrem letzten Weg die Ängste lindern, und bei Bewohner:innen in Alten- und Pflegeheimen für Entspannung sorgen. Wir verbinden alle bestimmte Emotionen und Erinnerungen mit gewissen Düften. Wenn wir sie erschnuppern, können sie sich positiv auf das Wohlbefinden auswirken. Gerade bei Dementen können diese Erinnerungen für „wache Momente“ sorgen und das für diese Erkrankung typische innerliche Unruhegefühl verbessern.
Die Art der Anwendung und die Auswahl der Öle richtet sich nach dem Beschwerdebild, der Pflegeplanung, dem Zustand und persönlichen Vorlieben. Verwendet werden die ätherischen Öle bei der Aromapflege rein äußerlich, zum Beispiel in Form von:
Wichtig: Aromapflege ist eine Pflegeanwendung, die aus der Aromatherapie abgeleitet wird. Im Gegensatz zur Aromatherapie, die nur Heilpraktiker:innen, Ärzt:innen oder Psychotherapeut:innen durchführen dürfen, kann die Aromapflege auch von geschultem Pflegepersonal vorgenommen werden. Sie gilt nicht als medizinische, sondern begleitende Maßnahme. Außerdem werden ätherische Öle im Rahmen der Aromapflege in geringerer Dosierung verabreicht als bei der Aromatherapie.
Jedem ätherischen Öl wird eine andere Wirkung zugeschrieben. Da die Natur eine vielfältige Schatzkiste ist, können rund 120 ätherische Öle für unterschiedliche Stimmungsstörungen oder Arten von Schmerzen genutzt werden. Unten siehst du, welche positiven Eigenschaften mit welchen ätherischen Ölen in Verbindung gebracht werden. Dabei handelt es sich aber nur um einen kleinen Teil der verfügbaren Öle:
Reine ätherische Öle sind hochkonzentrierte Substanzen, die aus verschiedenen Pflanzenteilen gewonnen werden. Unter anderem aus Blättern und Blüten,Samen, Wurzeln, Stängeln, Harzen oder Rinden. Mithilfe von Wasserdampfdestillation, Extraktion oder Kaltpressung werden die Bestandteile dann zu Öl verarbeitet – je nachdem, in welchem Pflanzenteil das Öl steckt.
In der Aromapflege wird nur 100-prozentiges ätherisches, hochwertiges Öl genutzt. Bedeutet: Finger weg von Produkten aus Supermärkten und Drogerien, die meistens überwiegend aus chemischen Duftstoffen bestehen. Aufgrund seiner hohen Konzentration muss jedes dieser ätherischen Öle vor der Anwendung mit einem bestimmten Trägeröl, Hydrolat oder Badezusatz verdünnt werden, um Überdosierungen und Nebenwirkungen zu vermeiden. In der Aromapflege wird deshalb mit speziellen Verdünnungstabellen gearbeitet, die die Dosierungsverhältnisse für jede Form der Anwendung vorgeben. In der Fortbildung zur Fachkraft für Aromapflege lernen Pflegefachkräfte, wie sie die richtigen Dosierungen für welche Art der Anwendung erhalten.
Wer auf seiner Station zusätzlich als Aromapfleger:in tätig werden will, sollte sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Denn falsch oder in zu hoher Konzentration verwendet, können ätherische Öle sogar giftig sein oder zu Hautirritationen und Schleimhautreizungen führen. Für eine professionelle Aromapflege, die ihre volle Wirkung entfaltet und sicher ist, reicht also Halbwissen nicht aus. Ätherische Öle sind hochpotent und sollten keineswegs als harmlose und schön duftende Kräuterwässerchen abgestempelt werden.
Hast du Lust, auf deiner Station mit Aromapflege zu arbeiten? Für Pflegefachkräfte gibt es inzwischen zahlreiche Weiterbildungsangebote zur Aromapflegekraft. So bekommst du alles über den möglichen Einsatz ätherischer Öle, ihre Wirkweise und Heilpflanzenkunde im Allgemeinen vermittelt. Du kannst die Weiterbildung berufsbegleitend, in Form von Blockseminaren oder als Fernlehrgang absolvieren – je nachdem, was gerade am besten in dein Leben passt.
In manchen Pflegeausbildungen gehören aromatherapeutische Inhalte sogar bereits zum Lehrplan. Natürlich solltest du trotz deiner Weiterbildung dein gelerntes Wissen später nicht auf eigene Faust anwenden. Aromapflege erfordert enge Rücksprache mit der Heimleitung, ggf. auch mit den Angehörigen der Menschen, die du betreust. Auch das ganze Team auf deiner Station muss in die Abläufe involviert sein und angeleitet werden. Informationen und Weiterbildungsangebote für Workshops und Fortbildungen im Bereich der Aromapflege finden interessierte Pfleger:innen unter anderem hier:
Auch wenn die Aromapflege an sich einfach umsetzbar ist, lässt die aktuelle Situation in der Pflege oft keine derartigen Extrabehandlungen zu. Doch die Arbeit mit ätherischen Ölen ist eine wertvolle Pflegeanwendung, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Damit Kranke und Alte auf den Stationen dennoch von den vielen Vorteilen der Aromapflege profitieren, kann es helfen, erstmal nur mit wenigen ätherischen Ölen zu arbeiten, um den Aufwand so gering wie möglich zu halten. Sobald sich die Abläufe eingespielt haben, lässt sich die Auswahl nach und nach erweitern.
Katharina Klein