Stefan Heyde ist seit über 15 Jahren in der Pflege aktiv und setzt sich mit seiner „Initative Pflegekräfte in Not“ für die Belange seiner Kolleg:innen ein. Für MEDWING schreibt der examinierte Altenpfleger und selbstständige Alltagsbegleiter regelmäßig Kolumnen. Nun hat er ein Buch geschrieben.
Heute erscheint „Der Pflegeberuf – (k)eine heile Welt“ mit dem Untertitel „Der Pflegenotstand, seine Ursachen und die Lösung für ein Gesundheitssystem der Zukunft“. Stefan Heyde schildert darin die Situation der Pflege kritisch, basierend auf seinen eigenen Erfahrungen sowie dem persönlichen Austausch mit Berufskolleg:innen, Pflegeempfänger:innen und Angehörigen. „Ich habe in alle Bereiche der Pflege hineingeschaut und durfte, während ich in den unterschiedlichsten Einrichtungen tätig war, viele Menschen ein Stück auf ihrem Weg begleiten“, sagt der Pflegeexperte. „Für mich wichtig waren immer Menschlichkeit, Zeit und Empathie. Viele Geschichten und Begegnungen haben mich nachhaltig geprägt und tief berührt. Darunter auch die tragische Geschichte der „Uhr der Schande“ – sie war der letzte Funke für mein Engagement.“
Die „Uhr der Schande“ übergab Stefan Heyde 2018 zusammen mit der Petition „Pflege in Not“ an den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Es handelte sich dabei um eine Armbanduhr, die einem Bewohner eines Seniorenheims gehörte. Der Mann litt unter Parkinson und benötigte Hilfe bei den Toilettengängen, da er unsicher auf den Beinen war. Als er eines Nachts auf die Toilette musste und nach der Nachtschwester klingelte, bat diese ihn, noch „fünf Minuten“ zu warten. Doch sie war mit der Situation in dem Wohnbereich überfordert – sie musste sich in der Nacht zusammen mit einem Kollegen um über 100 Bewohner:innen gleichzeitig kümmern – und kam nicht wie versprochen wieder. Der Mann begab sich selbst auf die Toilette, musste dabei jedoch das Gleichgewicht verloren haben. Die Pflegekraft fand ihn später mit einer Platzwunde am Kopf. Ihre Reanimationsversuche und die Bemühungen des Notarztes kamen zu spät. Der Mann verstarb an einer Hirnblutung. Die Frau des Verstorbenen erzählte Stefan Heyde die Geschichte und übergab ihm die zerbrochene Armbanduhr ihres Mannes. Sie zeigte kurz vor zwölf. Eine Antwort auf dieses traurige Symbol des gefährlichen Pflegenotstandes und die 12.000 Unterschriften seiner Petition bekam Stefan Heyde vom Bundesgesundheitsministerium nie.
Seine Initiative „Pflegekräfte in Not“ hat Stefan Heyde schon 2015 gegründet, um auf die Missstände in seinem Berufsfeld aufmerksam zu machen. „Seither bekomme ich Zuschriften von Pflegekräften aus ganz Deutschland. Die Situation in der Pflege war und ist eines der brennendsten und dringendsten Themen unserer Zeit.“ So beschäftigte sich Stefan Heyde nicht nur beruflich, sondern auch politisch mit der Pflege. „Immer suchte ich einen Weg um dieses System zu verstehen. Wie der Pflegenotstand entsteht, aber auch die wirtschaftliche Sicht interessierte mich und alles was in der Führungsebene schief laufen kann. Ich begann Statistiken zu lesen, Fort- und Weiterbildungen abzuschließen und erstellte eigene Umfragen.“
Schließlich reichte es Stefan Heyde nicht mehr, seinen Protest und seine Geschichten über die sozialen Medien zu teilen. Er sortierte seine über die Jahre gesammelten Recherchen und schrieb ein Buch, das nicht nur einen faktischen und persönlichen Einblick in die Pflege gibt, sondern auch Lösungsansätze für einen Umbau des Gesundheitssystems bereithält. Die „Uhr der Schande“ auf dem Cover gemahnt daran, dass das Wegsehen der Politik nicht erst seit der Corona-Pandemie Menschenleben gefährdet.
„Der Pflegeberuf – (k)eine heile Welt“, 112 Seiten, ISBN: 978-3-95544-159-3, Manuela Kinzel Verlag