Was machen Community Health Nurses, welche Ausbildung und Qualifikationen braucht man für diesen Beruf und welche Vorteile bringt das Konzept in Deutschland? Diese Fragen beantworten wir in diesem Artikel.
Die Pflegereform 2021/2022 hat der Pflege neue Verantwortungsbereiche eröffnet. In ihrem Koalitionsvertrag hat die neue Regierung zudem einige Änderungen für die Profession Pflege festgehalten. Dort heißt es zum Beispiel: „Professionelle Pflege ergänzen wir durch heilkundliche Tätigkeiten und schaffen unter anderem das neue Berufsbild der Community Health Nurse.“Community Health Nurses (CHN) könnten hierzulande in der Gesundheitsversorgung also künftig eine Rolle spielen. Damit könnte einem Mangel entgegengewirkt werden, der in Deutschland immer größer wird: Die abnehmende Versorgung durch Hausärzt:innen und das Fehlen qualifizierter Fachpersonen zur speziellen Versorgung vulnerabler Bevölkerungsgruppen.
Ab und an wird der Begriff Community Health Nurse mit „Gemeindeschwester“ übersetzt. Diese Bezeichnung wird der Fachkompetenz von Community Health Nurses jedoch nicht gerecht. Denn sie verfügen über hochspezialisiertes, akademisches Fachwissen, das sie befähigt, in vielen Bereichen der Gesundheitsversorgung tätig zu werden. Community Health Nurses sind Pflegemanager:innen, sie können Aufgabengebiete von Hausärzt:innen übernehmen und selbstständig tätig werden. Community Health Nurses zählen zu den Advanced Practice Nurses. Auch diese Pflegeexpert:innen sind international weit verbreitet.
In vielen Ländern sind Community Health Nurses fester Bestandteil des Gesundheitssystems. So übernehmen sie in Großbritannien, in skandinavischen Ländern und in Finnland einen Teil der medizinischen Grundversorgung. Dazu gehören Schutzimpfungen, die Behandlung chronischer Krankheiten, Beratung und Therapieplanung. Auch in den USA, den Niederlanden und Kanada sind CHN Teil der gesundheitlichen Primärversorgung. In Österreich starteten kürzlich 123 Pilotprojekte zur Etablierung von Community Health Nurses. Meist arbeiten CHN in kommunalen Gesundheitszentren, die sie teilweise auch organisatorisch leiten. Dort sind sie Teil eines multiprofessionellen Teams aus Ärzt:innen, Pflegefachkräften, Therapeut:innen, Sozialarbeiter:innen und weiteren Professionen. Je nach Land variieren die Verantwortungsbereiche und Qualifikationen der Community Health Nurses.
Der Tätigkeitsbereich der CHN ist weit gefächert und hängt davon ab, welcher Bedarf in der jeweiligen Gemeinde und in der Bevölkerung besteht. Community Health Nurses sind u. a. Ansprechpartner:innen für Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen, Pflegebedürftige, Senior:innen, Menschen in sozialen Notlagen, Geflüchtete, Schwangere sowie Menschen mit Suchterkrankungen oder psychischen Erkrankungen.
Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung ist festgeschrieben, dass das Berufsbild der Community Health Nurse zur Stärkung der primären Gesundheitsversorgung in Deutschland etabliert werden soll. Damit wird eine langjährige Forderung des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) umgesetzt. Der DBfK förderte gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung und der Agnes-Karll Gesellschaft die Konzipierung des Masterstudiengangs Community Health Nursing, der im Wintersemester 2020/2021 an der Universität Witten/Herdecke, an der Katholischen Stiftungshochschule München und an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar startete. Die Fakultät für Pflegewissenschaften der Hochschule Vallendar wurde mittlerweile allerdings leider geschlossen.
Community Health Nurses könnten in Deutschland eine wichtige Kernpunkte der Gesundheitsversorgung übernehmen. Die Bevölkerung überaltert, junge Menschen ziehen vom Land in die Stadt. In strukturschwachen Gegenden oder sozialen Brennpunkten tun sich Lücken in der pflegerischen und hausärztlichen Versorgung auf. Patient:innen müssen teilweise wochenlang auf Arzttermine warten oder lange Wege zurücklegen. Eine Übertragung heilkundlicher Aufgaben, wie sie bereits stattfindet und die Ausweitung des Kompetenzbereiches von Pflegefachpersonen führt zu einer Verbesserung der Versorgungs- und Pflegequalität. Community Health Nurses wären befähigt, Hausärzt:innen und anderen Versorgern Aufgaben abzunehmen und sie damit zu entlasten.
Neben den oben genannten Hochschulen und Universitäten bietet mittlerweile zum Beispiel auch die Evangelische Hochschule Dresden einen berufsbegleitenden Masterstudiengang in Community Health Nursing an. In dem Studium lernst du u. a. die Einschätzung des Gesundheitszustands, die Planung und Ausführung zielgruppenspezifischer Handlungsbereiche, multiprofessionelle Arbeit und führst Forschungsprojekte durch. Du schließt das Studium mit einem Master of Science (M.Sc.) ab.
Wenn du dich für den Masterstudiengang Community Health Nursing interessierst, benötigst du eine abgeschlossene Pflegeausbildung und einen Abschluss eines pflegewissenschaftlichen Studiums oder eines pflegewissenschaftlich relevanten Studiums (z.B. Public Health, Psychologie oder soziale Arbeit).
Als ausgebildete Community Health Nurse wirst du in Deutschland zu den Pionier:innen gehören, denn diese Versorgungsform wird sich hier in den nächsten Jahren erst entwickeln. Absolvent:innen dieses Masterstudiums könnten schon bald sehr gefragt sein. Die neue Bundesregierung hat erkannt, dass ein Umdenken im Gesundheitssystem notwendig ist, um den Herausforderungen der alternden Gesellschaft begegnen zu können. Akademisierte Pflegekräfte wie Advanced Practice Nurses und Community Health Nurses, die neue Aufgabengebiete übernehmen, können Versorgungslücken füllen. Eine Umverteilung der Verantwortungsbereiche auf Pflegespezialist:innen und die Etablierung kommunaler Gesundheitszentren würden die Primärversorgung in Deutschland verbessern sowie den flächendeckenden Zugang zur gesundheitlichen Versorgung für alle gewährleisten.
Friederike Bloch