”Pflegeheld” Dustin Struwe – ein Altenpfleger mischt Social Media auf

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Vor knapp zwei Jahren hat Dustin Struwe den Instagram-Account „Pflegehelden” gestartet, auf dem regelmäßig Pfleger und Pflegerinnen vorgestellt werden mit Re-Posts, die sie in ihrem Berufsalltag zeigen. Heute ist der Kanal eine Community für Pflegekräfte mit über 15.000 Followern. Der 29jährige ist selbst seit elf Jahren in der Pflege tätig, examinierter Altenpfleger und rappt sogar seit einigen Jahren unter dem Namen Dena über die Pflege, um auch über die Musik auf den Berufsstand aufmerksam zu machen. Wir wollten von ihm wissen, warum er ”Pflegehelden” gegründet hat, was ihn antreibt und warum man in der Branche zusammenhalten muss.

Wer ist für dich ein echter Pflegeheld?

Jeder, der sich bereit erklärt, überhaupt in der Pflege zu arbeiten und so der Gesellschaft etwas Gutes tut, ist für mich ein kleiner, stiller Held. Ich mache da übrigens keinen Unterschied zwischen Alten- und Krankenpflege.



Wie bist du auf die Idee zu diesem Instagram-Kanal gekommen?

Die Idee ist entstanden, als ich in der Intensivpflege war, 12-Stunden-Schichten hatte und tatsächlich nur einen Patienten. Ich war damals 27 Jahre alt und wollte nicht nur einfach rumsitzen und mich um meinen Patienten kümmern, sondern auch auf Social Media etwas für die Pflege tun. Ich wollte der Pflege eine Stimme geben und so habe ich ”Pflegehelden” gegründet. Wir sind alle keine Superstars und keine Helden im klassischen Sinn, aber wir tun der Gesellschaft was Gutes und so dachte ich, dass der Name doch ganz gut passt. Dann habe ich angefangen, Bilder von Instagram zu reposten und es kamen schnell pro Tag zwischen 30 und 50 Abonennten dazu. Aus den Bildern, die ich gepostet habe, wurden dann später Bilder mit Texten von Leuten, die was zu sagen haben und der Pflege ein Gesicht geben wollen. Zwei Jahre später haben wir eine sportliche Zahl von über 15.000 Followern.

Was soll der Kanal ”Pflegehelden” bewirken?

Wir Pflegekräfte werden noch immer zu wenig gehört und verdienen mehr Anerkennung. Ich möchte mit ”Pflegehelden” eine Community aufbauen, die sich austauscht. Der Austausch stärkt die Pflegekräfte so ein bisschen, weil sie merken, ”Hey, ich bin nicht alleine. Meine Story wird gesehen und gereposted”. Dazu mache ich auch oft Umfragen.

Kannst du hier ein Beispiel nennen?

Seit März gibt es in der Pflege eigentlich kein anderes Thema als Corona. Es gibt wöchentliche Fragen wie ”Was tut ihr bei einem Besucherstopp” oder ”Wie geht ihr mit Hygiene und Mundschutz um?”. Das ist ja ein sehr sensibles Thema, weil viele Häuser mit letzterem nicht so gut ausgerüstet sind.

Welcher Post ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Das war tatsächlich der erste Mann, den ich gepostet hatte. Kevin, so hieß er, hat die 1000 Likes Marke damals erstmals geknackt. Der Kerl hat eingeschlagen wie eine Bombe. Ich fand das cool, weil er auch tätowiert ist und gezeigt hat, dass auch solche Typen in der Pflege arbeiten dürfen. Seitdem versuche ich immer abwechselnd eine Frau und einen Mann zu posten.

Wie wichtig findest du Social Media für die Pflege?

Sehr wichtig. Erstmal, welcher 18-Jährige sucht heute noch in einer Zeitung nach Stellenangeboten? Die gucken doch alle auf Social Media, wo viele Einrichtungen aber noch immer nicht unterwegs sind. Und zweitens ist Social Media wichtig für den Zusammenhalt der Community der Pflegekräfte. Nur, wenn wir alle zusammenhalten, können wir es vielleicht schaffen, etwas Großes zu bewirken. Ein gutes Beispiel ist die Kampagne der ”Ehrenpflegas” vom Bundesministerium, die die Pflege cooler machen sollte, nur leider bei den meisten Pflegekräften gar nicht gut angekommen ist. Über 10.000 haben mittlerweile eine Online-Petition dagegen unterschrieben. So einen Zusammenhalt für eine Sache würde ich mir auch auf der Station wünschen.



Okay und jetzt die Gegenfrage: Was würde die Pflege denn cooler machen in deinen Augen?

Anerkennung und Geld spielen noch immer eine wichtige Rolle. 2021 soll endlich ein bisschen was passieren mit dem Mindestlohn. Das Herz am am richtigen Fleck zu haben in diesem Beruf ist richtig und vernünftig, aber Herzlichkeit bezahlt nicht meine Miete. Man könnte auch Urlaubstage anheben. Trotzdem muss man weg von dem Gejammer. Meiner Meinung nach ist man auch immer selbst verantwortlich, dafür zu sorgen, dass man mehr verdient, wenn es zu wenig ist.

Du machst auch Musik und rappst über die Pflege. Wie kam es dazu?

Auf der aktuellen EP rappe ich auch über persönliche Sachen aber die meisten werden mich durch die Pflegeraps kennen. Ich rappe über das Thema, um meine Erfahrungen zu teilen und als eine Art Selbsttherapie um eben nicht alles in mich reinzufressen!Angefangen hat es 2013 nach zwei Sterbefälle in einem Spätdienst, danach entstand der erste Song „Letzte Tür“!

Warum ist die Pflege noch immer dein Traumjob?

Wenn ich abends nach acht Stunden Arbeit nach Hause gehe und nur ein Bewohner gesagt hat, dass ich ihm helfen konnte, dann bin ich schon glücklich. Ich bin einfach jemand, der gerne Menschen hilft. Ich bin jetzt 29 und habe in der Pflege immer noch die Generation Weltkrieg vor mir. Da kriege ich Gänsehaut, wenn ich diesen Leuten helfen kann, die viel Schlimmes im Krieg erlebt und danach teilweise Deutschland wieder mit aufgebaut haben. Natürlich bin ich in erster Linie Fachkraft und leider vorwiegend für Dokumentation und anderes zuständig, als wirklich Zeit mit den Bewohnern verbringen zu können. Aber immer, wenn ich Zeit habe, dann nehme ich sie mir. Das können Kleinigkeiten sein wie Bewegungsübungen oder mit einer Patientin im Rollstuhl an die frische Luft gehen, die drei Monate lang mit einem Oberschenkelhalsbruch im Bett lag.

Die EP ”Seelenfrieden” ist am 30.Oktober erschienen.

Interview: Julia Wagner

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