Ein Tag im Leben einer Altenpflegerin (ambulant)

Inspiriert von der faszinierenden Welt der Medizin und Pflege, möchte unser Redaktionsteam sich mit Fachkräften austauschen, Perspektiven aufzeigen mit Interviews und Reportagen, um die Vielfalt des Pflegealltags zum Ausdruck bringen.

Lisa Marie Ruhr ist examinierte Altenpflegerin und bald dreifache Mama. Schon mit zwölf Jahren stand für sie fest, dass sie in der Altenpflege arbeiten möchte. In diesem frühen Alter konnte sie erste Erfahrungen als pflegende Angehörige sammeln. „Ich habe damals die 'Schwestern' bewundert für ihr Wissen und ihren Mut und wie toll sie ihre Aufgaben meisterten”, erklärt die 32-Jährige. Anhand von Praktika probierte sie zwar noch einige andere Jobs wie Floristik oder Einzelhandel aus, richtig glücklich war sie aber nur in der Pflege.

„Pflege ist ein Beruf mit Sinnhaftigkeit. Ich kann jeden Tag ein kleines Stück zurückgeben von dem, was ich täglich bekomme”, erklärt Lisa Marie im Gespräch. Ende 2018 hat sie ihr Examen gemacht - nach einer Unterbrechung, denn im dritten Ausbildungsjahr wurde sie mit ihrem ersten Kind schwanger. Seit Januar arbeitet sie nun wieder in der ambulanten Pflege und fährt abends mit dem Auto zu den einzelnen Patienten, um sie zu versorgen.

Seit ihr Sohn in die Kita gekommen ist, arbeitet sie nur im Spätdienst.Wie eine typische Spätschicht für die Altenpflegerin abläuft, erklärt sie hier:

16:30 Übergabe

Meine Arbeitszeit in der ambulanten Altenpflege beginnt mit der Übergabe. So ungefähr 25 Minuten, bevor meine Schicht losgeht und ich meine Tour beginne, hole ich mir die Informationen zur Übergabe von den Kollegen ein, die an diesem Tag Frühdienst hatten. Aufgrund der Corona-Situation muss man aktuell sehr aufpassen, deswegen telefonieren wir häufiger als sonst. Auch abends, nach meiner Tour, spreche ich mich mit dem Frühdienst des nächsten Tages ab. Ich schreibe mir die wichtigsten Sachen auf und plane die Tour, wie ich sie später fahren werde, je nachdem, was anfällt.

Es kann zum Beispiel sein, dass die Kollegen morgens keine Zeit hatten, Medikation zu stellen, dann geben sie das an die Kollegen aus dem Spätdienst weiter. Außerdem geben sie Bescheid, wenn die Vitalwerte eines Patienten auffällig waren, etwa der Blutdruck zu niedrig oder der Puls zu hoch. Dann weiß ich, dass ich diese abends zur Kontrolle nochmals messe. Es kann auch sein, dass ein Patient schlecht atmet oder dicke Beine hat. Auch das wird zuvor besprochen. Und es kann natürlich sein, dass einer der Patienten absagt, das muss ich natürlich auch wissen.

Vor meiner Tour fahre ich zu zu meiner Pflegedienstleitung, sie wohnt bei mir im Dorf, und hole mir die Schlüssel ab. Von manchen Patienten haben wir die Schlüssel, damit wir ins Haus kommen. Es gibt ja Klienten, die nicht mehr so mobil sind oder nicht mehr so gut die Klingel hören können.

17:00 - 18:00 Grundversorgung und Medikamente stellen

Wann ich genau beginne, ist abhängig davon, was an diesem Tag auf dem Plan steht. Habe ich eine Patientin auf meiner Tour, die beim Baden Unterstützung braucht, dann fange ich schon um 17 Uhr an, damit sich alles gut in Ruhe ausgeht.

Grundsätzlich kümmern wir uns in der ambulanten Altenpflege nur um die Grundversorgung. Dazu gehört zum Beispiel die ATS-Strümpfe ausziehen, die Beine eincremen und bei Bedarf Medikation stellen. Die ATS-Strümpfe und das Eincremen dauern in der Regel nicht viel länger als fünf Minuten pro Patient. Zwischen 17 und 18 Uhr schaffe ich so fünf bis sechs Personen, das geht richtig flott und die Wohnungen der Klienten liegen sehr nah beieinander.

Wenn ich Tabletten stelle, lasse ich mir auch ein bisschen Zeit, um das sorgfältig zu erledigen. Wenn Medikation fehlt, muss ich das aufschreiben. Praktischerweise können beim Hausarzt auch abends Tabletten angefordert werden, da es dort ein Bestelltelefon gibt. Da spricht man den Namen von dem Klienten drauf, was dieser benötigt und den Wohnort. Das wird am nächsten Tag abgehört und ein Rezept zur Apotheke geschickt. Die Klienten bekommen die Tabletten dann üblicherweise frei Haus geliefert, manchmal ruft die Apotheke auch bei den Angehörigen an oder bei uns im Büro und jemand von der Familie holt die Medikamente dann bei uns im Büro ab.

Die Medikation ist etwas, was man zwischendurch erledigen kann. Für Arztgespräche ist zwischendurch aber keine Zeit, diese werden meist nach der Beendigung des Frühdienstes geführt.



18:00 - 19:00 Kleine und große Pflege

Wenn die Klienten, die nur die Grundversorgung benötigen, abgeschlossen sind, dann fahre ich zu denen, die Hilfe beim Baden oder Duschen benötigen oder wo eine kleine oder große Pflege ansteht. Bei dem Pflegedienst, für den ich arbeite, wollen wir den Patienten die Chance geben zu duschen, wann sie das möchten und je nachdem, wann sie es gewohnt sind. Daher ist die Körperpflege nicht nur eine Tätigkeit für den Frühdienst.

Große Pflege bedeutet mit dem Waschlappen den ganze Körper zu reinigen. Kleine Pflege bedeutet, dass Gesicht, Hände und Intimbereich gesäubert werden. Das ist gerade bei Patienten wichtig, die inkontinent sind. Aus Prophylaxe macht man hier die große Körperpflege auch abends. Für die Körperpflege verwenden wir, sofern die Ressourcen es erlauben, zwei Waschlappen und zwei Handtücher. Einmal für den Oberkörper und einmal für den Unterkörper.

19:00 - 20:00 Patientenlagerung und Versorgung von Palliativpatienten

Nach der Körperpflege müssen einige Klienten gelagert werden. Ich habe eine Patientin, die im Rollstuhl ist. Hier mache ich den Transfer vom Rollstuhl auf den Toilettenstuhl und danach ins Bett. Teilweise suche ich mit den Patienten frische Kleidung raus für den nächsten Tag und lege sie bereit. Das ist dem Frühdienst gegenüber nur fair, weil die Kollegen es morgens meistens stressiger haben als abends. Für mich gehört es auch einfach zum Service dazu, dass ich die Brillen putze. Das mache ich meistens nach der Körperpflege.

Die Zeit zum ausgiebigen Quatschen haben wir in der ambulanten Altenpflege leider nicht. Deshalb versuche ich, schon während der Pflege viel mit den Klienten zu kommunizieren. Ich spreche auch viel mit dem Umfeld der Patienten, also meistens den Angehörigen, denn so kann ich erfahren, wie der Zustand gerade ist. Manchmal setze ich mich auch mal fünf Minuten hin, weil ich sowieso gerade mit der Dokumentation beschäftigt bin und sage dann ”Butter bei die Fische, wie geht's Ihnen? Sonntag, hatten Sie ja Besuch, gab es auch Kuchen?”. Meine Tour ist abends recht klein, da kann man das ab und an schon machen im Spätdienst. Morgens ist für sowas weniger Zeit, man hat ja auch Patienten, die zur Tagespflege gehen. Die müssen bis zu einer bestimmten Zeit fertig sein, meistens bis acht Uhr.

Die Klienten von unserem ambulanten Pflegedienst dürfen auch zu Hause versteben. Das heißt, befindet sich ein Klient etwa in der Präfinalen Phase, so arbeiten wir eng mit dem Palliativnetzwerk zusammen und stehen im ständigem Kontakt mit dem zuständigen Palliativarzt. Er gibt uns dann die Informationen weiter wie viel zum Beispiel an Morphium subkutan verabreicht werden darf und delegiert dann die Verabreichung auf uns Fachkräfte.Die Versorgung eines Klienten der im Sterben liegt, benötigt unheimlich viel innere Ruhe, Konzentration und Empathie – nicht nur für ihn, sondern auch den Angehörigen gegenüber. Wir setzten da ganz klare Prioritäten und wägen ab, was an der Versorgung am wichtigsten ist und was nicht. Ganz einfach um es für den Klienten so angenehm wie möglich zu machen.

In meinem Job als Altenpflegerin fahre ich solche Klienten am liebsten immer ganz zum Schluss an, denn da habe ich einfach viel mehr Zeit. So eine Versorgung kann auch eine Stunde oder länger dauern. Ich mache das immer davon abhängig wie der Allgemeinzustand des Klienten ist und, ob die Angehörigen noch Fragen haben oder reden möchten. Wenn es Komplikationen gibt, oder es wird dringlich aus anderen Gründen, dann fahre ich natürlich eher zu ihnen. In der Regel haben die Klienten dafür Verständnis, wenn man dann etwas später da ist.Wir haben auch eine 24/7 Rufbereitschaft. Hier können unsere Klienten jederzeit anrufen, wenn etwas passiert ist. Einige von uns in der Altenpflege sind auch mit einem Hausnotruf ausgestattet.

20: 30 Übergabe

Nach dem Dienst gebe ich noch die wichtigsten Infos an den Frühdienst weiter. Es kann sein, dass zum Beispiel eine Patientin morgens einen Termin hat und eine halbe Stunde früher angefahren werden muss oder ein Patient schlechte Vitalzeichen hat, die die Kollegen dann nochmal kontrollieren müssen.

Protokoll: Julia Wagner


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