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Grundsätzlich ist der gummierte Händeschutz eine gute Sache. Er soll Pflegepersonal vor Kontaminationen schützen, hält Schmutz und Bakterien fern und schirmt die Haut vor ungewolltem Kontakt mit Körperflüssigkeiten ab, beispielsweise bei der Blutentnahme oder beim Wechsel von Katheterbeuteln. Unreflektiert benutzt, können Einweghandschuhe allerdings zur wahren Keimschleuder werden. In bestimmten Situationen sind sie gar ein Affront für Patienten. Wir geben einen Einblick in die gängigen Überzeugungen und zum richtigen Umgang mit Einweghandschuhen.
Einweghandschuhe vermitteln ein Sicherheitsgefühl. Aber genau diese vermeintliche Sicherheit ist nach Ansicht von Ojan Assadian trügerisch. Zumindest für den zu behandelnden Patienten. Der österreichische Mediziner war einst Leiter des Instituts für Infektionsprävention an der University of Huddersfield in Großbritannien. Seiner Meinung nach würden Pflegekräfte und Ärzte oft dem Irrtum verfallen, dass mit dem Tragen von Handschuhen all ihre Handlungen mit den Händen automatisch steriler seien, als wenn sie diese mit bloßen Händen ausführen. Das allerdings sei ein großer Irrtum. Zwar stimmt es, dass sich grundsätzlich an den Händen, insbesondere an den Innenflächen und Fingern, tausende von Bakterien befinden. Dabei würde allerdings die menschliche Haut bei Kontakt mit Oberflächen, beispielsweise mit einer Tischplatte oder bei Körperkontakt mit einer anderen Person, nicht mehr als 100 Bakterien abgeben. Im Gegensatz dazu stehen die Kunststoffe, aus denen die handelsüblichen Einmalhandschuhe bestehen. Denn diese geben, sofern sie kontaminiert sind, rund 100.000 Bakterien ab. Der Grund liegt in der Tatsache, dass Bakterien an der menschlichen Haut besser haften als an Latex oder Vinyl. Dabei bezieht sich Assadian in erster Linie auf die typischen Untersuchungshandschuhe, die primär dafür konzipiert wurden, den Träger zu schützen, nicht jedoch den Behandelten. Diese gehören zur persönlichen Schutzausrüstung des medizinischen und pflegerischen Personals und hatten nach seiner Ansicht nie den Anspruch, zur gleichen Zeit auch den Patienten zu schützen. Davon abzugrenzen seien jedoch die sterilen Handschuhe, wie sie etwa bei Operationen verwendet werden.
Es ist unumstritten, dass gerade in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen auf vielen Ebenen Druck herrscht. So würden laut Assadian viele Pflegekräfte auch deshalb zu Latex und Vinyl greifen, weil sie glauben, dass Kollegen und Patienten dies von ihnen erwarten. Dabei herrsche auch ein gewisser sozialer Druck, im Pflegealltag und bei der Arbeit an Menschen Handschuhe zu tragen, beispielsweise um den Anschein von Sterilität zu wecken. Doch genau vor diesen Dauerträgern warnt der Hygieneexperte eindringlich. Als Beispiel nimmt er Probenträger innerhalb einer Klinik. Hier lasse sich oft beobachten, wie sie morgens die Handschuhe anziehen, Untersuchungsproben in der Station abholen, ins Labor bringen und damit im Grunde den ganzen Tag mit denselben Handschuhen im Krankenhaus herumlaufen. Ein großes Risiko Keime zu verteilen, wie Assadian meint, wenn man bedenkt, dass sich über den Tag hinweg immer mehr Keime an den Händen ansammeln. Dabei würde der vermeintliche Schutz von Einmalhandschuhen seine Träger auch tendenziell nachlässig machen. Das dauernde Tragen habe indes auch Folgen auf die Arbeit am Patienten, wie zudem eine Untersuchung auf einer internistischen Intensivstation zeigt (Quelle American Journal of Infection Control): Hier wurden Pflegekräfte gebeten, drei Monate lang Standardhygiene zu betreiben, also die Hände vor und nach Patientenkontakt zu waschen und zu desinfizieren. In den folgenden drei Monaten sollten sie dann bei jeder Handlung am Patienten Untersuchungshandschuhe tragen und sich nach Ablegen die Hände desinfizieren. Die Ergebnisse der beiden Zyklen zeigen, dass die Bereitschaft der Kollegen in der zweiten Drei-Monatsphase deutlich abnahm, sich die Hände vor dem Patientenkontakt zu desinfizieren. Die Folge war ein Anstieg an nosokomialer Sepsis und Harnwegsinfektionen. Dabei lag die Vermutung nahe, dass die Mitarbeiter nach Anziehen der Handschuhe an ein und demselben Patienten mehrere Tätigkeiten durchführten, ohne sich jedoch zwischendurch – wenn auch mit Handschuhen – die Hände zu reinigen.
Einmalhandschuhe desinfizieren? In diesen Fällen ist es erlaubt
Um den Umgang von Pflegepersonal mit Menschen für beide Seiten möglichst sicher zu gestalten, rät Assadian, ein größeres Bewusstsein dafür zu entwickeln, wann und warum sie sich Handschuhe anziehen. Dabei stellt er zwei Fragen in den Raum, die sich Pflegekräfte vor der Arbeit am Patienten immer vor Augen führen sollten: „Ist bei meiner nächsten Tätigkeit wirklich eine Kontamination meiner Haut mit Körpersekreten vorhersehbar? Und falls ja, ist sie relevant?“ Als Beispiel nennt er hier das Impfen: Hier wird die kleine Einstichstelle an der Haut des Patienten desinfiziert, bevor die Impfnadel ins Gewebe sticht. Sofern der Vorgang beherrscht wird, ist hier keinerlei Kontamination zu erwarten: Es fließt kein Blut, die Haut kommt nicht mit Harn oder Auswurf in Kontakt. Laut Assadian sei hier die sicherste Variante für beide Parteien keine Handschuhe zu tragen und sich stattdessen die Hände vorher und nachher gründlich zu desinfizieren. Dabei betont er auch den korrekten Umgang mit Spenderboxen. Wer glaube, dass diese Boxen und ihr Inhalt nach Anbruch noch lange steril seien, der irrt. Indes wurde oft beobachtet, dass bei der Entnahme eines Paares ein weiteres herausfällt, das dann lediglich wieder zurück in die Box gestopft wird. Und auch wenn das nicht geschehe, würden sich in der kleinen Kiste mit der Zeit Bakterien ansammeln. Dabei bezieht er sich auf Untersuchungen, wonach mehr Keime gefunden wurden je tiefer man in die Box gelangt. Mit gutem Beispiel gehe England voran: Hier gebe es Handschuhbehälter, die eine stückweise und damit hygienischere Entnahme von Einmalhandschuhen erlaube, ohne dass dabei das folgende Paar kontaminiert wird. Ob und wann sich dies endgültig in Deutschland und Österreich durchsetzen wird, ist noch fraglich. Als Alternative nennt Assadian desinfizierbare Einmalhandschuhe, wobei auch dort noch das letzte Quäntchen Sicherheit aussteht: Denn um hier wirklich sicher agieren zu können, müsse der Handschuhhersteller als Produzent des sogenannten Single-Use Medical Device (zu deutsch Einmal-Medizinprodukt) bestätigen, dass sich sein Handschuh für die Desinfektion und die mehrmalige Nutzung eignet. Die Hersteller würden hier jedoch damit argumentieren, dass dies nicht für jedes Desinfektionsmittel garantiert werden kann, was wiederum der Desinfektionshersteller tun müssten. So würden sich Hersteller noch immer gegenseitig die Verantwortung hin- und herschieben. Um in Zukunft mehr Klarheit zu haben, müsste laut Assadian die medizinische und pflegerische Community mehr Druck auf die Industrie machen.
Die korrekte Nutzung von Einweghandschuhen ist ein schmaler Grat zwischen Selbstschutz und Schutz des Patienten. Ist Latex einmal kontaminiert, gibt er tausendfach mehr Keime an den Patienten ab, als dies bei Kontakt von Haut zu Haut der Fall wäre. Um dieses Risiko auf ein Minimum zu reduzieren, gibt es folgende wichtige Empfehlungen: