Pflegefachkräfte, Krankenschwestern und Ärzte bekommen seit Ausbruch der Corona-Pandemie die Aufmerksamkeit, die sie schon lange verdient haben. Sie werden als systemrelevant angesehen. Doch hat all das einen langfristigen positiven Effekt auf die Pflegekräfte? Wir haben mit der Verhandlungsexpertin und Autorin Claudia Kimich über die aktuelle Lage des Pflegepersonals gesprochen und ob die Krise eine gute Basis für Gehaltsverhandlungen darstellt.
Mit Sicherheit sind all die Aktionen und die Wertschätzung der letzten Wochen ein erster Schritt in die richtige Richtung, um die Pflegekräfte für das anzuerkennen, was sie täglich leisten. Gerade erst wurde zudem ein neuer Pflegemindestlohn festgelegt.
Fakt ist aber, die Gehälter von Krankenschwestern oder Altenpflegern bewegen sich, im Gegensatz zu anderen Branchen, noch immer im unteren Bereich. Doch gerade diese Beschäftigten leisten seit Wochen noch mehr als üblich und wünschen sich dafür auch finanzielle Anerkennung. Die Frage ist nur, ist jetzt überhaupt der richtige Zeitpunkt, um sein Gehalt oder seine Arbeitsbedingungen neu zu verhandeln? Sollte man in Zeiten der Krise nicht lieber die Füße stillhalten?
Ob die Krise die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Verhandlung ist, kann pauschal nicht beantwortet werden. Dies muss von Situation zu Situation entschieden werden.
Es ist allerdings immer ein guter Zeitpunkt, sein Gehalt zu verhandeln, wenn man einen Erfolg vorweisen und diesen im Idealfall sogar mit Zahlen belegen kann. Genau das könnte zur Zeit bei vielen Pflegefachkräften und Ärzten der Fall sein. Hast du extra Schichten übernommen? Hast du dich flexibel an die neuen Bedingungen angepasst? Hast du einem kranken Kollegen spontan ausgeholfen? Hast du neue Aufgabenfelder übernommen, die du vorher noch nicht bearbeiten konntest? All das können Erfolgsfaktoren für deine nächste Gehaltsverhandlung sein. Wichtig ist jedoch, dass du den ersten Schritt gehst und dir dabei bewusst machst, was deine Arbeit wert ist.
Würdest du dich für einen Marathon anmelden, wenn du noch nie joggen warst? Sehr wahrscheinlich nicht. Wieso solltest du also in eine Gehaltsverhandlung gehen, wenn du dafür nicht trainiert hast?
1. Setze dir drei unterschiedliche Ziele für die Verhandlung
Ziel 1: Setze dir ein „Minimum-Gehalt”. Wenn du unterhalb dieser absoluten Schmerzgrenze bleibst, solltest du dich für eine andere Stelle bewerben. Mach dir dies vorher bewusst – bist du bereit, im Notfall den Arbeitgeber zu wechseln?
Ziel 2: Setze dir ein „Ok-Gehalt”. Dieses Gehalt ist die Grenze, die für dich als angemessen und fair gilt.
Ziel 3: Think big! Setze dir ein richtig gutes Ziel. Was wären die Traumbedingungen für dich? Hierbei kannst du ganz groß denken. Doch stelle dir auch direkt die Frage, wie du dieses Ziel erreichen könntest. Vielleicht kannst du Sonderschichten übernehmen, die besser bezahlt werden?
2. Vernichte bekannte Killerphrasen
Überlege dir bereits vor dem Gespräch, welche Gegenargumente dein Vorgesetzter bringen könnte und überlege dir Antworten dazu. Dies könnte sein, dass die Corona-Pandemie alles erschwert und man erst einmal abwarten muss, wie sich die Situation entwickelt. Auf die Corona-Keule könntest du dann deine Erfolge und dein Engagement der letzten Wochen und Monate aufzeigen und erwidern, dass du für diese Arbeit auch finanziell wertgeschätzt werden möchtest. Überlege dir zu jeder Killerphrase eine passende Antwort.
3. Mache dir deine Ängste bewusst
Oft sind wir vor einer Gehaltsverhandlung aufgeregt und angespannt. Mach dir bewusst, warum das bei dir der Fall ist. Was macht dir Angst? Traust du dich vielleicht nicht einmal, dein Wunschgehalt laut auszusprechen? Fällt es dir schwer, dich selbst in einem guten Licht zu präsentieren? Gehe den Ursachen dafür auf den Grund. Und noch viel wichtiger, mache dir deinen Wert bewusst.
4. Übung macht den Meister!
Üben, üben, üben. Bereite dich selbst ausführlich auf das Gespräch vor. Danach solltest du zusätzlich mit Freunden und Bekannten üben. Dies können ruhig Branchenfremde sein. Geht gemeinsam deine Argumente und die Killerphrasen durch. Nimm dich auf Video auf und schaue, wie du in der Situation wirkst. Sei dir außerdem darüber im Klaren, dass dein Arbeitgeber diese Verhandlungen mit großer Wahrscheinlichkeit mit jedem Mitarbeiter führt. Er ist also bereits in Übung und dir damit einen Schritt voraus. Je öfter du trainierst, desto selbstbewusster wirst du im Gespräch auftreten. Es ist auch durchaus sinnvoll, in einen Verhandlungsprofi zu investieren.
5. Gehe positiv ins Gespräch
Stelle dir in den letzten 48 Stunden vor dem Gespräch nur einen positiven Ausgang vor. Gehe davon aus, dass dein Vorgesetzter mit dir übereinstimmen wird und du mit einem super Gefühl aus dem Gespräch gehen wirst. Wenn du dir einen negativen Ausgang vorstellst, wirst du auch ganz anders in dem Gespräch auftreten.
Bereite dich gut auf die Verhandlung vor und gehe selbstsicher in das Gespräch. Werde dir aber auch darüber im Klaren, dass du gegebenenfalls deinen Arbeitgeberwechseln solltest, sollte der Ausgang der Verhandlung gar nicht mit deinen Zielen übereinstimmen. Doch ganz bestimmt, wirst du in der Pflegebranche auch in der Corona-Zeit schnell einen neuen Job finden mit einem Arbeitgeber, der dein Engagement und deine Arbeit zu schätzen weiß.
Vanessa Winkler