Kinderkrankenschwester Jeannine – Portrait der Pflege-Influencerin

Inspiriert von der faszinierenden Welt der Medizin und Pflege, möchte unser Redaktionsteam sich mit Fachkräften austauschen, Perspektiven aufzeigen mit Interviews und Reportagen, um die Vielfalt des Pflegealltags zum Ausdruck bringen.

Fashion-Influencer? Kennt man! Pflege-Infuencer? Bisher eher weniger. Deswegen wollen wir euch an dieser Stelle eine von ihnen vorstellen: Jeannine ist mit ihrem Instagram Account einfach.jean genau in diesem Bereich erfolgreich, hat mittlerweile fast 15.000 Follower und schreibt über alles, was sie als Kinderkrankenschwester und Mutter erlebt und spricht Themen an, die sich andere Pflegekräfte oft nicht zu äußern trauen. Dabei begann sie ihre Karriere erst mit 40 im zweiten Bildungsweg. Wir sprachen mit ihr über ihren ungewöhnlichen Berufsweg.

Jeannines Urlaub ist seit heute Morgen vorbei. Die Kinderkrankenschwester muss zurück zum Dienst. In ihren Insta-Stories postet sie noch einen letzten Morgenspaziergang mit dem Hund, dazu läuft der Song „What a wonderful world” von Louis Armstrong. Einen Tag zuvor postet sie eine kurze Geschichte von Lars, einem Corona-Leugner, der erst umdenkt, als seine eigene Mama erkrankt ist, dazu den Hashtag #denkmaldrübernach. Aber auch das Thema Pflegeausbildung 2020 ist ihr ein Anliegen, genauso wie die Corona-Krise.


Jeannine berichtet auf Instagram aus ihrem Leben als Kinderkrankenschwester.


2017 startete Jeannine als einfach.jean ihren Instagram-Account. Heute ist es ihr wichtigster Kanal auf Social Media, den sie als Hobby neben ihrer 35-Stunden-Woche im Krankenhaus intensiv betreibt. Für ihren Blog „pflegeflow” hat sie daher mittlerweile kaum mehr Zeit. Geplant war eine Zweitkarriere als Pflege-Influencerin aber nicht, das sei einfach so passiert, erzählt sie uns im Interview. „Ich bin das nicht bewusst geworden. Ich wollte auch nie größer werden, das hat sich jetzt alles so entwickelt und ich bin auch sehr dankbar dafür und sehr froh über den Austausch”, so Jeannine. „Erst habe ich angefangen mit Naturfotos. Dann habe ich immer mehr von meinem Privatleben reingebracht und habe festgestellt, dass es Menschen gibt, die genauso denken wie ich und die sich auch austauschen wollen. Dann habe ich den Instagram Account gegründet, der meinen Berufsalltag mitbegleitet. Mir war es wichtig, nicht so ein Hate-Ding zu machen und nur zu schreiben, was alles schlecht ist. Ich will die positiven Seiten der Pflege beleuchten. Natürlich ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen, aber ich will zeigen, dass die Pflege auch schön sein kann.” Gerade der Community Gedanke sei ihr wichtig. Immerhin sieht sich Jeannine als Sprachrohr für all jene KollegInnen, die Angst haben, über ihre Probleme im Job zu sprechen, sei es aus Datenschutzgründen den Patienten gegenüber oder aus Angst vor ihrem Arbeitgeber. „Viele haben auch keinen Partner zuhause, mit dem sie darüber reden können, weil der nicht aus der Pflege ist”, erklärt sie.



In der Krankenpflege zu arbeiten war immer schon Jeannines Traum, trotzdem fing sie erst mal mit 16 eine Lehre zur Bürokauffrau an, auch wenn sie später nie in einem Büro arbeitete. Es war einfach nicht so ihr Ding. „Nach dem Realschulabschluss musste ich eine Ausbildung machen. In die Pflege konnte ich nicht, die wollten damals wegen Jugendschutz erst Leute ab 18. Sowas wie das Freiwillige Sozialjahr oder Praktikas gab es noch nicht”, erzählt sie. Lieber jobbte sie, zum Beispiel in einer Snowboardfabrik, und bekam erst mal drei Kinder. Ihr Jüngster kam behindert zur Welt, das machte sie sensibel für das Thema. „Ich war viel mit ihm im Krankenhaus und habe gemerkt, dass mich die Pflege interessiert, besonders die Therapien im Krankenhaus. Das hat mich nie losgelassen. Ich habe dann erst mal ohne Ausbildung in der Altenpflege angefangen, merkte aber schnell, dass ich da viel mehr machen muss, als ich dazu Wissen hatte. Ich habe mich dann zur Pflegefachhilfeausbildung beworben, weil ich wissen wollte, ob ich mit fast 40 noch lernen kann. Und ob ich mit den ganzen Schülern in der Klasse, die natürlich meine Kinder sein könnten, zurechtkomme”, sagt Jeannine und lacht. Im Anschluss machte sie dann gleich auch noch die dreijährige Ausbildung zur Kinderkrankenschwester, die sie 2015 mit 40 abgeschlossen hat. „Ich bin immer noch auf der Station, wo ich mein Examen gemacht habe. Mittlerweile bin ich stellvertretende Stationsschwester und ich liebe es.”

Seitdem sind Inklusion und der aktuelle Zustand der Pflege ihre Herzensthemen. „Man darf da nicht die Augen verschließen. Der Pflegenotstand ist da, sonst wäre ein Unternehmen wie Medwing auch nicht so präsent. Es ist wichtig, über die Pflege zu reden, was die Mitarbeiter belastet oder was die Politik macht”, erklärt Jeannine. Vor allem aber möchte sie das Image ihrer Branche verbessern, Menschen ermutigen, einen Pflegeberuf zu ergreifen oder in diesen zurückzukehren. Auf das Thema angesprochen, hat sie eine eindeutige Meinung. „Man muss nicht die Menschen bestärken, in die Pflege zurückzukehren, sondern man muss generell an den Bedingungen was ändern. Man muss mit der Zeit gehen. Gucken, dass man familienfreundlichere Schichten hat. Ich nenne dann gerne das Beispiel aus der ambulanten Pflege. Es gibt Leute, die sind bereit, Nachtschichten zu übernehmen von abends 20 Uhr bis acht Uhr morgens. In der ambulanten 12-Stunden-Pflege läuft das so. Warum geht das nicht in einem Krankenhaus, damit die Mutti um acht Uhr, nachdem sie die Kinder in die Kita gebracht hat, einfach bis 14 Uhr ihren Dienst machen kann? Wir müssen von diesen Strukturen weg, dass bis sieben Uhr morgens alle gewaschen sein müssen, weil dann Visite ist. Natürlich muss man eine Station den Strukturen des Krankenhauses anpassen, dennoch liegt es in unserer Hand, dies familienfreundlicher zu gestalten. Wir müssen auch darüber sprechen, dass es viele Menschen gibt, die eine Ausbildung in der Pflege machen wollen und denen Steine in den Weg gelegt werden”, so die Influencerin.



Aber auch, wenn Jeannine jeden Tag gegen Schwierigkeiten in ihrer Branche und für bessere Bedingungen ankämpft, mürbe hat sie das nicht gemacht, im Gegenteil. Einen besseren Job kann sie sich gar nicht vorstellen. „Das Schöne an meinem Beruf sind einfach die Menschen. Ich brauche diesen Austausch mit ihnen, mit den Patienten, mit den anderen Berufsgruppen und den Kollegen.”

Zukünftig könnt ihr noch mehr von einfach.jean lesen. Ab jetzt schreibt sie regelmäßig für das Medwing Magazin und unterstützt unsere Community mit Aktionen auf Social Media, wie z.B. am Internationalen Tag der Pflege. Folgt einfach Medwing auf Instagram.

Julia Wagner

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