Fünf Wochen dauerte der Pflegestreik in den landeseigenen Berliner Krankenhausbetrieben Charité und Vivantes. Nun haben sich die Klinikleitungen mit der Gewerkschaft Verdi geeinigt. Wie es für die Pflegekräfte weitergeht und warum der Streik bei den Vivantes-Töchtern noch andauert, erfährst du in unserem Artikel.
Am 9. September legten die Pflegekräfte von Vivantes und Charité ihre Arbeit nieder, nachdem sich in einer Urabstimmung der Gewerkschaft Verdi ein Großteil der Mitglieder:innen für den Streik ausgesprochen hatte. Mehr als einen Monat später haben die Pfleger:innen ihre Arbeit nun wieder aufgenommen. Es ist das Ende eines der härtesten Arbeitskämpfe im deutschen Gesundheitswesen der letzten Jahre.
Die Fronten waren über Wochen hinweg verhärtet. Die Klinikleitungen warfen den Streikenden vor, die Patient:innen im Stich zu lassen. Vivantes-Pflegedirektor Stephan Schenk bezeichnete die Situation gegenüber dem ZDF als „untragbar“. Die Pflegekräfte hielten dagegen, dass die Erkrankten aufgrund von Personalmangel und Überlastung auch vorher schon unzureichend versorgt gewesen seien. „Ich bin selbst in der Streikleitung“, erklärte die Pflegekraft Paula Schenkenberg, die auf einer Vivantes-Intensivstation arbeitet, dem TV-Sender. „Wir haben uns mehr den Kopf zerbrochen, wie wir die Patienten notversorgen, als manches Krankenhausmanagement.“
Die Klinikleitung der Charité und die Gewerkschaft konnten nun dennoch ein Ende des Pflegestreiks erzielen. Nach einer 21-stündigen Sitzung gelang der Durchbruch: Beide Parteien gaben am 7. Oktober an, sich auf Eckpunkte geeinigt zu haben, die als Basis für weitere Gespräche dienen sollen. Aus einer gemeinsamen Erklärung geht hervor, das oberste Ziel solle die Entlastung der Pflegekräfte sein. Innerhalb der nächsten vier Wochen soll sich auf einen Tarifvertrag geeinigt werden. Der Streik auf den Stationen der Charité wurde ausgesetzt.
Zwischen Vivantes und der Gewerkschaft brachte eine Annäherung ebenfalls das Ende des Pflegestreiks. Auch hier konnten sich beide Parteien auf Eckpunkte für einen Entlastungstarifvertrag einigen. Diese Neuerungen soll der Vertrag enthalten:
Über weitere Details wollen Vivantes und Verdi im kommenden Monat beraten.
Bei den Tochtergesellschaften von Vivantes dauert der Pflegestreik noch an. 2014 wurden sie aus dem Tarifvertrag ausgegliedert, was zu erheblichen Lohnunterschieden führt. Mitarbeiter:innen der Tochtergesellschaften verdienen bei gleicher Arbeit und Stundenanzahl teils bis zu 900 Euro weniger als die Angestellten des Mutterkonzerns.
Verdi rechnet damit, dass nun auch Pflegekräfte in anderen Krankenhäusern Deutschlands für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen werden. In den Fachkliniken von Asklepios in Brandenburg werden die Mitarbeiter:innen demnächst ihre Arbeit niederlegen. In weiteren Kliniken stehen harte Verhandlungen bevor. Die Pflegekräfte haben ihren gesellschaftlichen Wert – auch durch die Corona-Krise – erkannt. Ähnlich schätzt Pflegekraft Paula Schenkenberg die Situation ein. Sie geht davon aus, dass viele ihrer Kolleg:innen bereits in den Startlöchern stehen, um ebenfalls einen Tarifvertrag zu erkämpfen: „Eine Revolution von unten, wenn es die Bundespolitik nicht hinbekommt.“
Der Pflegestreik in den Berliner Kliniken Charité und Vivantes ist beendet. Der Pflegenotstand an sich ist damit nicht gelöst. Dennoch sind eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Entlastung wichtige Schritte, um Pflegeberufe langfristig attraktiver zu machen und dem Personalmangel entgegenzuwirken.
Judith Marlies Barth
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