Was bleibt am Ende der Schicht? Tipps für mehr Zufriedenheit

Inspiriert von der faszinierenden Welt der Medizin und Pflege, möchte unser Redaktionsteam sich mit Fachkräften austauschen, Perspektiven aufzeigen mit Interviews und Reportagen, um die Vielfalt des Pflegealltags zum Ausdruck bringen.


In ihrem Gastbeitrag erklärt Pflege-Coachin Silke Wüstholz, mit welchen Maßnahmen du Stress im Pflegejob entgegenwirkst und am Ende der Schicht zufriedener Feierabend machst:

Eigentlich sind Sie gerne Pflegekraft. Sie lieben den Umgang mit den Patienten. Sie mögen die Arbeit im Team. Auch das interprofessionelle Arbeiten gefällt Ihnen eigentlich ganz gut. Eigentlich. Denn am Ende Ihrer Schicht sind Sie mitunter ganz schön frustriert, weil Sie vor allem eines haben: funktioniert. Für den nächsten Tag erwarten Sie es kaum anders.

Ein ganz normaler Arbeitstag

Stellen Sie sich einen ganz normalen Arbeitstag vor. Ihr Wecker weckt Sie sehr früh auf, da Sie Frühschicht haben. Sie quälen sich aus dem Bett, die Nacht war viel zu kurz, denn am Tag zuvor hatten Sie Spätschicht und kamen wieder nicht pünktlich aus dem Dienst. Draußen ist es noch dunkel, um Sie herum ruhig. Ihre Routine hilft Ihnen dabei, sich auf den Weg zu machen. Was Sie erwartet, haben Sie unterwegs schon präsent. Mit wem Sie Schicht haben, welcher Arzt da sein wird. Sie überlegen schon, wie Sie sich organisieren. Und hoffen, dass bald wieder Feierabend ist.

Kennen Sie das? Sie fühlen sich wie in einer Spirale gefangen und fragen sich, wo Sie selbst eigentlich bleiben?

Ja, der Arbeitsalltag einer Pflegekraft ist eine große Herausforderung geworden. Es fängt schon beim enormen Zeitdruck an. Man ist gezwungen, immer mehr Aufgaben in immer weniger Zeit zu erledigen. Viele administrative Aufgaben, die zusätzlich zu erledigen sind. Unvorhergesehene Ereignisse, die bei der Arbeit am und mit Menschen zwangsläufig sind, erschweren den Arbeitsalltag. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit manchen Kollegen sehr anstrengend.

Es ist richtig, das zu benennen und zu hinterfragen. Die Frage bleibt allerdings, ob es auch nützlich ist, sich zusätzlich negativ zu stimmen. Es raubt Ihnen viel Ihrer kostbaren Energie, wenn Sie sich auf all die Dinge fokussieren, die Ihnen Ärger und Frust bereiten. Sie fragen sich, welche Optionen Sie haben, Ihre Lust und Freude am Beruf neu zu entfachen oder zu erhalten?

Bewusstes Atmen senkt den Stresspegel

Wenn Sie während Ihrer Schicht merken, dass Sie nur noch im Stress sind und der Feierabend in weiter Ferne liegt, hilft es, sich eine ruhige Ecke zu suchen, in der Sie sich unbeobachtet fühlen. Konzentrieren Sie sich ausschließlich auf sich und Ihre Atmung. Atmen Sie ein und halten Sie den Atem an. Spannen Sie in Ihrem Körper bewusst Ihre Muskeln an. Während Sie bis 20 zählen, versuchen Sie die Spannung zu halten und sich vollständig auf Ihren Körper zu konzentrieren. Atmen Sie dann wieder aus und entspannen Sie sich. Wiederholen Sie diese wirksame Übung dreimal. Die heilsame Wirkung einer bewussten Atmung kennen Sie bereits von Ihren Patienten. Es wirkt sofort entschleunigend und macht den Kopf wieder frei.

Der amerikanische Mediziner Jon Kabat-Zinn [1] hat sich in zahlreichen Studien mit alltagstauglichen Methoden beschäftigt, die unter anderem die Selbstwahrnehmung trainieren. Das bewusste Ein- und Ausatmen spielt dabei eine wesentliche Rolle. Testen Sie in den nächsten Tagen einfach, ob es einen Unterschied für Sie macht, dieses kurze, bewusste bei sich selbst sein.

Nehmen Sie Ihre Pausen!

Das Phänomen kennen Sie aus Ihrem Arbeitsalltag sicher sehr gut. Sie haben noch so viel zu tun, denn alle Ihre Patienten sollen bestmöglich versorgt werden. Im Notfall verkürzen Sie dafür Ihre Pause oder verzichten sogar vollständig darauf. Ihre Gedanken flüstern: „Nur noch geschwind dies … ach ja und wenn ich schon einmal dabei bin …“

Nehmen Sie sich auf jeden Fall Ihre Pause. Die Arbeit läuft Ihnen nicht weg. Sie sind nämlich nicht nur für die Patienten und Ihre Station verantwortlich, sondern tragen in erster Linie Verantwortung für sich selbst, dafür, dass es Ihnen gut geht.

Gönnen Sie sich diese tägliche kleine, Ihnen zustehende Auszeit an Ihrem Arbeitsplatz zum Durchatmen.

Nach der Pause können Sie mit neuer Energie weiterarbeiten.

Ein kleiner mentaler Kraftkoffer

Darüber hinaus ist ein guter persönlicher Tagesausklang eine Ressource, die Sie nicht unterschätzen sollten. Aus Studien zur positiven Psychologie [2] kennt man schon lange die Kraft des positiven Tagesrückblicks.

Stellen Sie sich am Abend die folgenden Fragen und schreiben Sie Ihre Antworten in ein schönes Büchlein:

  • Was war heute gut? – notieren Sie etwa drei Antworten!
  • Warum war es für Sie gut?
  • Und was haben Sie selbst dazu beigetragen?

Führen Sie Ihr Tagesrückblick-Büchlein am besten über einige Wochen. Beobachten Sie, was sich für Sie verändert, wenn Sie Ihren Fokus mehr auf das Gelungene und für Sie Schöne richten.

Sie haben es in der Hand

Als Pflegekraft haben Sie sich für einen sehr anspruchsvollen Beruf entschieden, der Ihnen im Alltag viel abverlangen kann, Sie sicherlich jedoch auch gleichzeitig erfüllt. Stellen Sie sich zwischendurch die Frage, was Ihre Grund für genau diese Berufswahl war. Richten Sie Ihren Blick auf das, was Ihnen Spaß und Freude macht. Die Kollegin, mit der Sie immer wieder lachen können. Der Patient neulich, der Ihnen gegenüber besonders dankbar war. Die Ärztin, mit der Sie besonders gerne auf Visite gehen. Die aufgehende Sonne, die Sie sehen, wenn Sie vom Nachtdienst nach Hause fahren.

Ich erinnere mich noch sehr gut an Situationen auf Station, die durch ein herzhaftes miteinander lachen den noch zu bewältigenden Arbeitsberg leichter werden ließen. Natürlich gelingt das nicht immer. Ein bewusstes „immer wieder“ ist doch eine schöne Aussicht.

[1] Jon Kabat-Zinn „Im Alltag Ruhe finden“

[2] Daniela Blickhan „Positive Psychologie"


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