Mit ganzem Herzen dabei: Interview über die Arbeit im Kinderhospiz

Begeistert von der Vielfältigkeit des Pflegeberufs möchte Friederike wissen, was Pflegekräfte bewegt. Dazu tauscht sie sich gern persönlich mit ihnen aus und lässt das Pflegepersonal in Interviews und Reportagen selbst zu Wort kommen.

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Doreen Schumann arbeitet im Kinderhospiz Berliner Herz. Im Interview erklärt sie, was sie an ihrem Beruf liebt, warum es im Kinderhospiz viel mehr um das Leben als um den Tod geht und welche besonderen Momente sie erlebt.

Über das Kinderhospiz Berliner Herz haben wir am Tag der Kinderhospizarbeit schon einmal berichtet. Nun hatten wir die Gelegenheit, vor Ort mit Doreen Schumann zu sprechen, die seit sieben Jahren im Berliner Herz arbeitet. Das Hospiz bietet fünf teilstationäre und vier vollstationäre Plätze an. In den größeren Zimmern und dem Gästeappartment können Familienmitglieder ebenfalls unterkommen. Zusammen mit ihren Kolleg:innen kümmert sich Doreen Schumann um die Kinder, die eine begrenzte Lebenszeit haben und um ihre Familien. Im Gespräch mit der gelernten Kinderkrankenpflegerin wird klar: Es ist eine Arbeit, für die man gemacht sein muss. Bei der man viel gibt und viel zurückbekommt. Eine Arbeit, die man eben nur mit ganzem Herzen machen kann.



Doreen Schumann hat über 20 Jahre Erfahrung als Kinderkrankenschwester und arbeitet seit 2015 im Kinderhospiz.


Wie bist du zu der Arbeit im Kinderhospiz gekommen?

Doreen Schumann: Ich habe viele Jahre im Krankenhaus auf Kinderstationen gearbeitet. Während meiner Zeit als Kinderkrankenschwester habe ich eine Heilpraktikerausbildung gemacht. In diesen drei Jahren hat sich bei mir viel verändert, was die innere Haltung zur Krankheit und zur Heilung betrifft. Dass man den Menschen ganzheitlich betrachtet. Und dann konnte ich in der Klinik einfach nicht mehr arbeiten. Dort liegt der Fokus auf der Krankheit und auch auf der Kinderstation ist es eher unpersönlich. Ich habe nach Alternativen gesucht und bin auf die Hospizarbeit gekommen. Ich habe mich beim Berliner Herz beworben und gleich eine Stelle bekommen. Ich wollte ganz klar Kinderhospizarbeit machen, weil das ja auch ein großer Unterschied zur Erwachsenenhospizarbeit ist.

Was sind die Unterschiede zwischen einem Hospiz für Erwachsene und einem für Kinder?

Doreen Schumann: Beim Erwachsenenhospiz ist es viel Sterbebegleitung. Da kommen Menschen am Ende ihrer Erkrankung. Manche sind zwei, drei Tage da, manche ein paar Monate. Da geht es wirklich um die Vorbereitung auf den Tod und dass die Menschen keine Schmerzen haben. Dass sie bestimmte Themen aufarbeiten und so weiter. Bei der Kinderhospizarbeit kommen die Kinder mit einer lebensverkürzenden Erkrankung schon lange vor dem finalen Stadium und wiederholt zu uns. Wir sind eine Brücke zwischen der Klinik und all den anderen Versorgern. Wir sehen uns als Entlastungsangebot und die Eltern lernen uns durch die regelmäßigen Aufenthalte kennen. Da geht es ganz viel um das Leben und wie können wir das Kind fördern, in seinem Entwicklungszustand und mit seiner schweren Erkrankung. Wenn sie hier durch die vielen Therapien gefördert werden, erleben wir manchmal ganz tolle Sachen, was sie dann plötzlich können. Es geht um die Alltagsgestaltung, spielen und das Leben genießen. Ein wichtiger Unterschied zur Erwachsenenhospizarbeit ist, dass nicht nur das kranke Kind, sondern die ganze Familie im Fokus ist. Wir sind also auch für die Eltern und für die Geschwister da. Sie haben den Alltag mit einem schwer erkrankten Kind zu bewerkstelligen und zu verkraften. Deshalb bieten wir Auszeiten, beraten, entlasten und begleiten.



Was ist das Besondere an der Kinderhospizarbeit?

Doreen Schumann: Die Kinder haben eine schwere Erkrankung mit der Prognose, dass es nicht mehr besser wird oder dass es nicht mehr geheilt werden kann. Deshalb spielt die Trauerarbeit eine ganz große Rolle. Sie findet manchmal schon statt, während das kranke Kind noch lebt. Teilweise wird der Verlust täglich betrauert und immer wieder ist der Tod des Kindes für die Familie präsent. Da kommt es zu einer großen emotionalen Nähe. Das ist das Besondere und das Schöne daran.

Welche Eigenschaften braucht man unbedingt für den Job?

Doreen Schumann: Was uns als Team eint, ist, dass wir alle mit der Zeit hier eine innere Haltung entwickelt haben. Jede:r muss sich damit auseinandersetzen, was Krankheit bedeutet, was Sterben und der Tod bedeuten – auch für einen selbst. Welche Arten von Trauer man selbst durchgemacht hat, damit man in diesen Situationen adäquat reagieren und es aushalten kann. Den Familien Stärke zu geben, aber auch mal mit ihnen weinen zu können. Was wir auch alle gemeinsam haben, ist ein großer Anteil an Mitgefühl. Die Fähigkeit, aus dem Herzen zu denken und zu fühlen und eine sehr hohe Qualität an Wahrnehmung. Das ist ein großer Vorteil, weil die Kinder oft nicht sprechen können. Es ermöglicht die nonverbale Kommunikation. Wenn man diese Fähigkeit nicht hat, kann man sich nur schwer mit ihnen verständigen.


Das Kinderhospiz Berliner Herz bietet viele Möglichkeiten zur Entspannung und therapeutischen Beschäftigung. (Bild: Friederike Bloch)


Was ist das größte Klischee über Kinderhospize und die Arbeit dort?

Doreen Schumann: Das größte Klischee beim Kinderhospiz ist, dass die Kinder kommen und sterben. Deswegen reagieren viele Menschen mitleidig: „Oh Gott, das könnte ich nicht machen.“ Und dann kann ich sie nur überraschen, indem ich sehr positiv davon berichte, was wir trotz allem mit den Kindern machen. Heute waren wir auf dem Spielplatz, da habe ich zwei Jungs in den warmen Sand gelegt und sie haben gestrampelt, die Widerstände gespürt und die Sonne. Sie haben gelacht und waren total glücklich. Ich erzähle den Menschen genau solche Beispiele, um ihnen diese düstere Vorstellung zu nehmen.

Ist es unterschiedlich, wie oft ihr die verschiedenen Kinder seht? Sie kommen ja immer nur für einen bestimmten Zeitraum.

Doreen Schumann: Ja, das ist ganz unterschiedlich. Wir kennen unendlich viele Familien und wir gucken immer, welche Familie den größten Bedarf hat und was sie gerade brauchen. Wir nehmen entweder die ganze Familie auf, weil sie dann mit den Geschwistern hier zusammen Entlastung in einer schwierigen Situation durch uns finden. Oder die Kinder kommen alleine. Mal kommt ein bekanntes Kind eine Zeitlang nur tagsüber. Mal nehmen wir es vollstationär auf. So passen wir das einfach den Bedürfnissen der Familie an. Wir haben auch Therapeut:innen, die hierher kommen – Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie auch Kunst- und Musiktherapeut:innen.

Wie wird im Berliner Herz mit dem Thema Sterben umgegangen, beispielsweise, wenn Kinder dazu Fragen haben?

Doreen Schumann: Wir gehen sehr offen damit um. Wir geben nichts vor. Auch nicht dieses Klischee, wenn jemand stirbt, kommt er in den Himmel. Kinder konfrontiert man eher mit Rückfragen, zum Beispiel wenn ein Geschwisterkind fragt, wo der Mensch ist, zu fragen, was sie denken, wo er ist. Wenn die Kinder so etwas fragen, haben sie sich eigentlich schon eine Antwort überlegt und wollen sich rückversichern. Die Kinder, die wir betreuen, können durch die Entwicklungsverzögerungen und Erkrankungen meist nur nonverbal kommunizieren. Da ist natürlich schwer feststellbar, wie sie sich damit auseinandersetzen.



Beschäftigt dich deine Arbeit nach dem Feierabend?

Doreen Schumann: Manchmal fahre ich nach Hause und denke schon darüber nach, was es dort zu tun gibt. Es gibt aber auch andere Tage. Es ist ein Kind verstorben, das ich sehr gern hatte und über fünf Jahre begleitet habe. Das ist mir sehr nah gegangen. Das sind dann Wochen, wo man auch wirklich trauert. Dann sprechen wir im Team darüber und können auch die Möglichkeit der Supervision wahrnehmen.



Jede Familie geht anders mit der Krankheit ihres Kindes und der Trauer um. Gibt es trotzdem gewisse „Grundsätze“ in der Palliativpflege?

Doreen Schumann: Bei der Palliativpflege haben wir im Fokus, dass es nicht um das Heilen, sondern um das Lindern geht. Wenn es den Kindern schlechter geht, fokussieren wir uns im Kinderhospiz auf die Lebensqualität. Das ist anders als in Kliniken, die eher auf medikamentöse Maximaltherapie setzen. Es geht um Schmerzfreiheit und wie können wir das Kind auffangen. Was ich bei Eltern öfter erlebe, ist eine Verleugnung der Situation. Da ist es unsere Aufgabe, immer wieder ins Gespräch zu gehen und den Ist-Zustand des Kindes zu erklären. Ohne sie zu überfordern – das ist eine Gratwanderung. Sie blenden es oft aus und funktionieren eher. Da sind Fallbesprechungen ganz wichtig, wo man sich mit mehreren Professionen zusammensetzt – aus der Pflege, mit den Ärzt:innen und Therapeut:innen.

Kannst du einen Moment nennen, indem du wusstest: ‚Ich bin genau richtig hier‘?

Doreen Schumann: Jeder Moment. Ich liebe diese Arbeit. Weil ich diese Kinder einfach so liebe. Es macht so großen Spaß, mit ihnen zu sein, es ist einfach alles authentisch und ehrlich. Ein Moment, den ich sehr gerne erzähle: Wir hatten ein Mädchen hier, permanent beatmet, aber sonst fit wie ein Turnschuh. Und mit der waren wir beim Friseur. Das war ein ganz emotionaler Moment, weil dieses Mädchen das erste Mal beim Friseur war. Sie hat eine neue Frisur bekommen, mit einer lila Strähne, weil so ein großer „Mia and me“-Fan war. Die Mama fing fast an zu weinen, weil sie ihre Tochter so glücklich gesehen hat und ich auch. Das war so ein Moment, in dem ich dachte, genau dafür mache ich diese Arbeit.

Der Tod mag der Endpunkt einer lebensverkürzenden Erkrankung sein. Das Leben der Kinder mit diesem Schicksal bestimmt er jedoch nicht. Dafür sorgen auch Kinderhospize wie das Berliner Herz und Menschen wie Doreen Schumann. Sie schenken Kraft und machen die wertvolle Zeit der Kinder so schön wie möglich. Wie fast alle pflegerischen Betriebe sucht auch das Berliner Herz Personal. Hospizarbeit kann eine gute Alternative zum hektischen und unpersönlichen Krankenhausbetrieb sein – für Doreen Schumann ist sie es auf jeden Fall.

Interview: Friederike Bloch


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