Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Das sind deine Rechte

MEDWING
August 20, 2024

Wiedereinstieg, flexible Arbeitszeiten, Betreuung: Welche Rechte Eltern haben und was Arbeitgeber tun können.

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    Arbeitnehmer:innen haben ihrem Arbeitgeber gegenüber nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte. So auch, wenn es darum geht, das Familienleben mit dem Job in Einklang zu bringen. Kennst du deine Rechte und machst du schon von allen Gebrauch?

    Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellt in der Pflegebranche eine besonders große Herausforderung dar. Schließlich erfolgt die Pflege kranker und pflegebedürftiger Menschen rund um die Uhr. Die Arbeit in Schichtdiensten, am Wochenende oder an Feiertagen gehört zum Alltag.

    Die zusätzliche Betreuung eigener Kinder bedarf da einer besonderen Organisation – und wird im besten Fall von einem flexiblen Arbeitgeber unterstützt. Wir klären in unserem Artikel über die Rechte von Eltern auf und wie der Arbeitgeber Angestellte und deren Familien idealerweise unterstützen kann.


    Glückliche Familie Mutter Hausfrau und Kind in Wäschekorb mit Waschmaschine


    Beruf und Familie: Welche Rechte habe ich als Arbeitnehmer:in?

    Zwar gibt es keine rechtliche Vorschrift, dass Arbeitgeber Maßnahmen zur Familienfreundlichkeit ergreifen müssen. Arbeitnehmer:innen mit familiären Verpflichtungen werden vom Gesetz jedoch besonders geschützt.

    Als Arbeitnehmer:in mit Familienpflichten gilt: wer Kinder unter 15 Jahren hat oder Angehörige oder nahestehende Personen betreut, die pflegebedürftig sind.

    So sieht § 36 Arbeitsgesetz unter anderem vor, dass Arbeitgeber bei der Arbeitszeitgestaltung die familiäre Situation von Arbeitnehmer:innen berücksichtigen müssen. Zum Beispiel, indem ihnen längere Pausen gewährt werden oder sie nicht zu Überstunden herangezogen werden.

    Weitere wichtige Gesetze für arbeitende Eltern sind:

    • das Mutterschutzgesetz (MuSchG)
    • das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG)
    • das Bundeskindergeldgesetz und Kinderzuschlag (BKGG)
    • das Unterhaltsvorschussgesetz bei Alleinerziehenden (UhVorschG)
    • die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
    • das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)

    Das Mutterschutzgesetz:

    Das Mutterschutzgesetz soll die Gesundheit von Mutter und Kind während der Schwangerschaft schützen, Kündigungen vorbeugen, das Einkommen sichern und Diskriminierung verhindern. Das Gesetz gilt für alle Frauen, die schwanger sind, ein Kind geboren haben oder stillen, unabhängig vom Beschäftigungsverhältnis.

    Es gibt zwei Beschäftigungsverbote: sechs Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin und acht bis zwölf Wochen danach dürfen Mütter nicht beschäftigt werden, es sei denn, es liegt ein ärztliches Attest vor.

    Die Zeit des Beschäftigungsverbots wird als Beschäftigungszeit betrachtet, um den bezahlten Erholungsurlaub zu berechnen. Nach dem Ende des Beschäftigungsverbots haben Frauen Anspruch auf weitere Beschäftigung gemäß den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen.


    Glückliche schwangere Frau


    Das MuSchG enthält auch Vorschriften zur Arbeitszeit, wie das Verbot von Mehr- und Nachtarbeit sowie Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Es gibt eine Ruhezeit von mindestens 11 Stunden. Schwangere Frauen haben das Recht auf Freizeit für ärztliche Untersuchungen und zum Stillen.

    Finanzielle Unterstützung wird über den Mutterschutzlohn und das Mutterschaftsgeld bereitgestellt. Die Berechnungsgrundlage für das Mutterschaftsgeld ist das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schwangerschaft.

    Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz:

    Mütter und Väter, die aufgrund der Kinderbetreuung nicht mehr als 30 Stunden pro Woche arbeiten, haben Anspruch auf Elterngeld. Das gilt auch für Stief- und Adoptivkinder sowie für Kinder in Verwandtschaftsverhältnissen bis zum dritten Grad.

    Das Elterngeld soll vor allem Väter bestärken, die Kinderbetreuung teilweise zu übernehmen. Es beträgt mindestens 300 und höchstens 1800 Euro monatlich.

    In der Elternzeit sind Väter und Mütter von ihrem Job unbezahlt freigestellt. Sie bleiben jedoch sozialversichert und können nicht gekündigt werden. Drei Jahre kann die Elternzeit pro Kind und Elternteil betragen.


    Glückliche Familie


    Antworten auf häufige Fragen zur Vereinbarkeit von Job und Privatleben:

    Muss ich zur Arbeit, wenn das Kind krank ist?

    Müssen Arbeitnehmer:innen ein krankes Kind zu Hause versorgen, ist das Gesetz auf ihrer Seite. Denn in diesem Fall haben sie Anspruch auf eine bezahlte Freistellung, abhängig vom Alter der Kinder.

    Bei kranken Kindern unter 12 Jahren besteht ein Anspruch auf bis zu 10 freie Arbeitstage im Jahr. Für Alleinerziehende erhöht sich diese Zahl auf bis zu 20 Tage für die Betreuung eines kranken Kindes. Voraussetzung dafür ist das Vorliegen einer Bescheinigung vom Arzt und dass keine weiteren Personen im Haushalt leben, die die Pflege des Kindes theoretisch übernehmen könnten (zum Beispiel Großeltern).

    Wiedereinstieg in den alten Job: Welche Ansprüche habe ich nach der Elternzeit?

    Du möchtest nach dem Ende deiner Elternzeit wieder auf deine alte Position zurückkehren? Meist ist dies in der Pflege kein Problem. Dennoch solltest du beachten: Du stehst zwar unter Kündigungsschutz, einen Anspruch, genau die gleiche Position zurückzubekommen, hast du jedoch nicht.

    Allerdings gibt es eine Garantie, dass dir ein vergleichbarer Arbeitsplatz im Unternehmen angeboten werden muss. Das bedeutet, dass dein Arbeitgeber dir eine Stelle anbieten muss, die in den wesentlichen Punkten deiner vorherigen Position entspricht.

    Dazu gehören vor allem die Bezahlung, die Arbeitszeit und der Arbeitsort. Dein Arbeitgeber kann dich dementsprechend nicht einfach in ein anderes Bundesland versetzen oder dir einen Job mit halber Bezahlung anbieten, obwohl du die gleiche Arbeit leistest wie vorher.

    Tipp: Ob sich ein Wiedereinstieg nach längerer Auszeit für die Betreuung von Kindern und Angehörigen lohnt, findest du mit dem Wiedereinstiegsrechner des Familienministeriums heraus. Damit berechnest du, wie viel du nach einem Wiedereinstieg verdienst und wie sich das auf deine Rente auswirkt.



    Habe ich Anspruch auf ein flexibles Arbeitszeitmodell?

    Sofern die Einrichtung, in der man als Pflegefachkraft arbeitet, mehr als 15 Mitarbeitende hat, haben Angestellte das Recht auf flexible Arbeitszeitgestaltung, um ihren familiären Verpflichtungen nachzukommen.

    Das bedeutet, dass betreffende Pflegefachkräfte zum Beispiel keine Nachtschichten übernehmen müssen und auch vor ständig wechselnden Schichten geschützt werden.

    Beispiele aus dem Alltag sind sogenannte „Muttidienste“ oder „Mama-Papa-Dienste“, deren kürzere Schichten auf die Schul- und Kitazeiten der Kinder zugeschnitten sind. Nachtschichten sind nicht vorgesehen und Wochenendarbeit wird in diesem Modell aufs Minimum beschränkt.

    Ein weiteres Beispiel ist das 7/7-Modell. Dieses Schichtmodell ist bei der Polizei und Feuerwehr schon etabliert und hat auch in der Pflege Einzug gehalten.

    Bei diesem Modell arbeiten Pflegekräfte 7 Tage lang für jeweils 10 Stunden. Dazu kommen 2 Stunden eingeplante Pausenzeit. Im Anschluss an diese 7-tägige Arbeitswoche erhalten sie eine freie Woche, wobei ein Tag für administrative Tätigkeiten genutzt wird.


    ambulante Krankenschwester an haustür mit patient


    Teilzeit

    In Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten haben Mitarbeiter, die länger als sechs Monate dort arbeiten, normalerweise das Recht auf Teilzeitarbeit. Es sei denn, betriebliche Gründe sprechen dagegen.

    Wenn jemand in Teilzeit arbeitet, hat er keinen gesetzlichen Anspruch, in die Vollzeitarbeit zurückzukehren. Es gibt auch spezielle Regelungen zur Teilzeitarbeit in Tarifverträgen.



    Interessierte Arbeitgeber finden in dem Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor Familie“ des Familienministeriums Leitfäden und Praxisbeispiele zur Teilzeitarbeit.

    Gut zu wissen: Wer weniger arbeitet oder längere Auszeiten nimmt, hat zwar mehr Zeit für die Familie. Allerdings solltest du nicht vergessen, dass sich der Verdienstausfall auch auf deine Altersvorsorge auswirkt. Der Teilzeitrechner des Arbeitsministeriums gibt dir Orientierung über die möglichen finanziellen Auswirkungen deiner Teilzeit.

    Mit welchen Maßnahmen können Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden unterstützen?

    Es gibt verschiedene Maßnahmen, die Arbeitgeber ergreifen können, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Pflegebranche zu verbessern und für eine gute Mitarbeiterbindung zu sorgen. Neben den oben genannten flexiblen Arbeitszeitmodellen gibt es noch weitere Optionen:

    Steuerfreier Arbeitgeberzuschuss:

    Arbeitgebern stehen diverse Möglichkeiten zur Verfügung, Arbeitnehmer:innen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu unterstützen. Ein Beispiel ist der steuerfreie Arbeitgeberzuschuss für die Kinderbetreuung in Krippe oder Kindertagesstätte. Er wird zusätzlich zum regulären Arbeitslohn gezahlt.

    Die zu betreuenden Kinder dürfen dafür nicht schulpflichtig sein und müssen in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen untergebracht werden. Dazu zählen auch privat organisierte Einrichtungen.


    Betriebskindergarten


    Betriebskindergarten:

    Arbeitgeber können ihre Unterstützung bei der Kinderbetreuung anbieten, indem sie betriebliche Kindertagesstätten am Arbeitsplatz organisieren. Vor allem an größere Krankenhäuser sind solche Einrichtungen bereits angegliedert, was Müttern und Vätern ermöglicht, ihre Arbeitszeiten besser zu planen.

    Auch auf die besonderen Bedürfnisse von Pflegekräften sind diese Betriebskindergärten ausgelegt, sodass die Öffnungszeiten mit den (oftmals für normale Betriebe atypischen) Arbeitszeiten übereinstimmen.

    Ein Kind kann dann auch schon mal morgens um 6 Uhr gebracht oder abends erst um 22 Uhr wieder abgeholt werden. Je nachdem, wie es der Schichtplan des Elternteils vorsieht.

    Pflegezeit und Familienpflegezeit:

    Arbeitgeber können ihren Mitarbeitenden eine bestimmte Anzahl von Tagen pro Jahr zur Verfügung stellen, an denen sie sich um kranke Familienmitglieder kümmern und dafür unbezahlt von der Arbeit freigestellt werden. Das regelt das Pflegezeitgesetz.

    Dafür muss die Person, die gepflegt wird, ein naher Angehöriger und mindestens in Pflegestufe 1 eingestuft sein. Je nach Größe des Unternehmens wird zwischen Pflegezeit und Familienpflegezeit unterschieden, was sich wiederum auf die Bedingungen auswirkt.

    In Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten können Arbeitnehmer:innen Anspruch auf Pflegezeit geltend machen. Hat der Betrieb mehr als 25 Beschäftigte, gilt der weiter gesteckte Rahmen der Familienpflegezeit.

    Für die Pflegezeit gelten folgende Regeln:

    • Zeitraum bis zu sechs Monate
    • vollständige oder teilweise Freistellung möglich
    • Beschäftigte:r kündigt die Pflegezeit seinem Arbeitgeber spätestens zehn Arbeitstage vor Beginn an

    Die Bedingungen für die Familienpflegezeit sind:

    • Zeitraum bis zu 24 Monate
    • nur teilweise Freistellung; ein Mindestumfang von 15 Stunden in der Woche wird weitergearbeitet
    • Beschäftigte:r kündigt sie seinem Arbeitgeber spätestens acht Wochen vor Beginn an

    Für die Dauer der vereinbarten Freistellung greift ein Kündigungsschutz und Arbeitnehmer:innen können die Freistellung auch wieder vorzeitig beenden, sofern die häusliche Pflege endet oder unzumutbar ist. Eine vollständige Freistellung von der Arbeitsleistung ist nur im Rahmen der Pflegezeit möglich.

    Ein Sonderfall gilt für Arbeitnehmer:innen, die einen minderjährigen nahen Angehörigen pflegen. Sie können vollständig für sechs oder 24 Monate zur Pflegezeit freigestellt werden, wenn sich das zu pflegende Kind nicht zu Hause, sondern in einer stationären Einrichtung befindet.



    Bezahlter Vaterschaftsurlaub (neu ab 2024):

    Geplant ist die Einführung von 10 bezahlten Urlaubstagen nach der Geburt des Kindes für den Vater. Die EU will dadurch die Rolle der Väter stärken.

    Die Freistellung von der Arbeit dient nicht nur der Betreuung des Kindes, sondern auch der Einfindung in die Rolle als Vater. Wer allerdings noch in 2023 Vater wird, kann ab der Geburt einen Teil seiner Elternzeit nehmen und Elterngeld vom Staat beziehen.

    Tipp: Gibt es in deinem Unternehmen einen Betriebsrat, ist dieser dafür verantwortlich, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit im Betrieb zu fördern. Kommt es also zu Unstimmigkeiten mit der Pflegedienstleitung oder anderen Vorgesetzten, kannst du dich guten Gewissens an deinen Betriebsrat wenden.


    Vater mit zwei Kleinkindern


    Familienfreundliche Unternehmen sind attraktive Arbeitgeber

    Passgenaue Arbeitszeiten und Familienfreundlichkeit zahlen sich auch für Arbeitgeber aus. 90 Prozent der Arbeitnehmer:innen mit Kindern messen entsprechenden Angeboten eine ebenso hohe Bedeutung bei, wie dem Gehalt.

    Gute Arbeitgeber in der Pflege beachten, dass für Väter und Mütter die Doppelbelastung von Arbeit und Familie, das Zeitmanagement und die Organisation von beruflichen und familiären Verpflichtungen Stressfaktoren darstellen.

    Sich darauf einzustellen und eine familienfreundliche Umgebung sowie Teilzeit- und Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen, bedeutet auf dem hart umkämpften Fachkräftemarkt einen Wettbewerbsvorteil.

    Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist möglich

    Wer als Pflegefachkraft arbeitet, weiß zwar um die Herausforderungen, die der Job mit sich bringt. Und dennoch lassen sich die Dienstzeiten für Mütter und Väter flexibel gestalten.

    Wichtig ist hierbei die offene Kommunikation von Anfang an. Besprich mit deiner Pflegedienstleitung deine Erwartungen und Wünsche in Bezug auf deine Schichten und die Vereinbarkeit mit deiner Familie. So können diese direkt berücksichtigt werden.

    Trau dich auch, anzusprechen, dass du zum Beispiel nur Frühschichten leisten kannst, weil du am Nachmittag oder Abend keine Möglichkeit hast, deine Kinder betreuen zu lassen.

    Dein Arbeitgeber ist gesetzlich dazu verpflichtet, die Rechte in Bezug auf Vereinbarkeit mit der Familie einzuhalten. Hast du das Gefühl, deine Rechte werden nicht respektiert, kannst du dich an den Betriebsrat oder einen Anwalt wenden.

    Katharina Klein

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