„Die Pflege soll bunt und lebendig sein” – einfach.jean

Inspiriert von der faszinierenden Welt der Medizin und Pflege, möchte unser Redaktionsteam sich mit Fachkräften austauschen, Perspektiven aufzeigen mit Interviews und Reportagen, um die Vielfalt des Pflegealltags zum Ausdruck bringen.

Kolumnistin und Pflege-Influencerin einfach.jean.


Diversity ist die Vielfalt, Anerkennung und Wertschätzung aller Menschen! Doch wie „divers“ ist eigentlich die Pflege und kann man „Diversity“ in der Pflege finden?

Nehmen wir das Beispiel der Krankenpfleger. Da heißt es ja oft „Krankenpfleger sind doch sowieso alle schwul.” Und ich frage mich, seit wann die sexuelle Orientierung etwas mit der Berufswahl zu tun hat? Welche Rolle die sexuelle Orientierung im Job spielt? Warum gibt es denn so wenige Männer in der Pflege gibt? Weil sie vielleicht nicht auf eine sexuelle Orientierung begrenzt werden wollen? Weil sie dann als Weicheier abgestempelt werden? Als Softies? Zu feminin?



Ich hatte diese Diskussion schon mit mehreren Schülern, kurz vor ihrer Berufsfindung. Mit einem ging die Diskussion mal so:

„Also wenn ich was mit Medizin machen würde, dann werde ich Arzt. Ich bin doch nicht schwul!“

Meine Antwort: „Warum denkst du so?“

„Hat meine Mutter zu mir gesagt.“

„Bist du denn schwul?“

„Nein, aber es würden dann alle von mir denken.“

Kurz gesagt, er hatte Angst, für homosexuell gehalten zu werden.

Wie ihr seht, können solche Aussagen viel Schaden anrichten. Und zwar nicht nur kurz, sondern längerfristig gesehen. Wir sind uns unserer Worte oft nicht bewusst. Doch Worte könne mehr Wirkung haben als wir vermuten.

Die Pflege soll bunt und lebendig sein. Und das sollten wir auch zeigen und zulassen. Es ist doch völlig egal, welche sexuelle Orientierung jemand hat.Genau so egal ist auch die Hautfarbe, Religion, Herkunft usw. Wir haben täglich mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun. Und wir, die Menschen, die in der Pflege arbeiten, sind unterschiedlicher denn je. Beides zu verknüpfen ist die Kunst. Unsere Kollegen so zu akzeptieren wie sie sind. Die uns anvertrauten Patienten so zu akzeptieren wie sie sind. Es ist wichtig, Kollegen und Patienten die Zeit zu geben, sich öffnen zu können, Interesse am Gegenüber zu entwickeln.



Es darf nicht sein, dass schwule oder lesbische Mitarbeiter und Patienten oder Angehörige eine Randgruppe sind. Etwas Anderes, Besonderes. Dass man nicht darüber spricht, sprechen darf oder hinter ihrem Rücken tuschelt. Es geht darum, Diversity zu einem Begriff zu machen, der er ist, nämlich die Akzeptanz des Gegenübers.

In meiner Ausbildung gab es viel Unterricht zum Thema multikulturelle Pflege.Sogar ein 3-Tages-Seminar stand auf dem Programm. Hier hätte ich mir mehr Diversity gewünscht. Jeder Mensch soll auch in der Klinik, im ambulanten Bereich, im Pflegeheim und natürlich auch zu Hause seine Bedürfnisse leben können.

In den drei Jahren Ausbildung und in meinen fünf Jahren als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin bin ich dem Thema Diversity ziemlich oft begegnet.Da war der Kollege, der von seinem Freund von der Station abgeholt wird.Da war der Patient, der zu einem Transgender sagt: „Von sowas lasse ich mich nicht waschen!”. Da war die Patientin, die ihre Freundin zum Abschied intensiv küsst oder der Arzt, der händchenhaltend mit seinem Partner durch die Stadt schlendert.Und da waren homosexuelle Menschen in Behinderteneinrichtungen oder Altenheimen, die vom gleichen Geschlecht ferngehalten wurden und keine Nähe und Zuneigung mehr erfahren durften. Da hieß es dann „Was sollen da die Leute sagen, die anderen Angehörigen? Wenn das rauskommt, können wir den Laden hier schließen.“



Ja was sollen sie denn sagen?Zum Beispiel, dass es schön ist, wenn zwei Menschen sich lieben!Dass es schön ist, das es Pflegekräfte gibt, die sich um die Bewohner kümmern und sorgen. Dass es schön ist, das mein Angehöriger so leben darf wie er möchte.Dass es schön ist... Ja, wie würdest du den Satz ergänzen?

Ihr seht, hier gibt es noch viel Nachholbedarf! Einige Reaktionen sind einfach Unsicherheit und Unwissenheit, andere Reaktionen sind einfach dumm!

Inzwischen gibt es zum Beispiel Modellprojekte, die für die Lebenswelten schwuler Männer im Alter angeboten werden. Die Menschen müssen für dieses Thema intensiv sensibilisiert werden.

Ziel muss sein, dass man auch im Alter, als homosexueller Mensch oder Transgender, ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen kann.

Ziel muss es auch sein, alle Menschen gleich zu behandeln!

Schwule, Lesben und Transgender benötigen keine andere Pflege und sind auch keine anderen Pflegekräfte, aber sie haben eine andere Lebensgeschichte!

Wir können soviel voneinander lernen, wenn wir es nur zulassen.

Eure Jean

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