Pflegepersonal: Trifft sie die zweite Corona-Welle genauso hart?

Inspiriert von der faszinierenden Welt der Medizin und Pflege, möchte unser Redaktionsteam sich mit Fachkräften austauschen, Perspektiven aufzeigen mit Interviews und Reportagen, um die Vielfalt des Pflegealltags zum Ausdruck bringen.

Arabella Mba Mombe


**Das Personal in unseren Krankenhäusern, Pflegeheimen und Arztpraxen ist in Zeiten der Corona-Pandemie weitaus mehr als nur systemrelevant. Tag für Tag geben die Pflegekräfte unter schwierigsten Bedingungen ihr Bestes und sind für die Öffentlichkeit zu "Alltagshelden" geworden. Menschen standen in Italien, Griechenland oder Deutschland auf den Balkonen und applaudierten den Helfern für ihren unermüdlichen Einsatz. **

Doch die Pflegekräfte machten schnell klar, dass Applaus nicht genügt, um die Bedingungen, unter denen sie nicht erst seit der Pandemie arbeiten, zu verbessern. Und auch die zweite Infektions-Welle, die seit Wochen die Krankenhäuser überrollt, kann man nicht wegklatschen. Hat sich die Situation im Vergleich zu damals für das Pflegepersonal verändert, was ist aus den Appellen an die Politik geworden und treibt die zweite Welle die Pflegekräfte erneut an ihre Grenzen?

Trotz vermeintlicher Anerkennung scheint sich die Situation in der Pflege noch immer nicht verbessert zu haben. Denn von den Versprechungen über höhere Löhne, die noch im Frühjahr von Politikern getätigt worden sind, ist nicht wirklich viel übrig geblieben. Zwar wurde eine Corona-Prämie für Alten- und Krankenpfleger auf den Weg gebracht und teilweise auch schon ausgezahlt. Doch diese ist eben nur einmalig und viele Kliniken erfüllen die daran gebundenen Bedingungen nicht. So gehen in Krankenhäusern beschäftigte Pflegekräfte trotz Überstunden, Erschöpfung und ständiger Angst vor der Corona-Ansteckung oftmals leer aus.

Weiterhin war diese Prämie im Mai zunächst nur für Altenpflegekräfte angekündigt worden. Ein "fatales Signal", wie damals die Grünen-Sprecherin für Pflegepolitik, Kordula Schulz-Asche, der Zeit sagte. Sie stellte heraus, dass sich viele Pflegekräfte auch aufgrund dieser Entscheidung beruflich umorientieren könnten: "Das sind hochqualifizierte Pflegekräfte, die unter starker psychischer und körperlicher Belastung arbeiten. Viele werden sich überlegen, ob sie wirklich in der Krankenhauspflege bleiben wollen, wenn man damit rechnen muss dass es zukünftig immer wieder Pandemien gibt."

Im September wurde der Corona-Bonus zwar auch für Krankenpfleger und -pflegerinnen beschlossen. Dennoch ist die Sorge um die Bereitschaft der Pflegekräfte, ihren Beruf lange fortzuführen, nicht unbegründet. Beispielsweise findet die examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin Aileen die momentane Situation bei sich auf der Arbeit trotz Notfallplänen sehr chaotisch.



Von der Wertschätzung ist nicht viel geblieben

Zu Anfang empfand Aileen die Wertschätzung von Politik und Gesellschaft als sehr schmeichelhaft. "Als Corona anfing, da wurden wir Pflegekräfte in den Himmel gehoben und auch wenn sie sich das Klatschen hätten schenken können, habe ich mich dadurch, dass viel über die Pflege gesprochen worden ist, schon sehr wertgeschätzt gefühlt."

Bereits im Sommer habe die Krankenpflegerin, die bereits mehrfache Fort- und Weiterbildungen erfolgreich abgeschlossen hat, immer weniger Wertschätzung erfahren, viel wichtiger war den Leuten der Weg zurück in die Normalität. "Man fühlt sich von der Politik und der Gesellschaft im Stich gelassen. Alle wollten wieder Party machen, man hat sich gefühlt wie ein Schuhabtreter. Keiner hat sich Gedanken darüber gemacht, was ein erneuter Anstieg der Zahlen für uns Pflegekräfte bedeutet."

Coronavirus: So sieht es auf den Stationen aus

Viele Krankenhäuser und Pflege-Einrichtungen bestätigen, für die zweite Welle besser vorbereitet zu sein. Wie stehen die Pflegekräfte zu dieser Aussage?

Jim ist 35 Jahre alt und examinierter Altenpfleger. Auch wenn in seinem Haus die nötigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen und Konzepte erstellt worden sind, hat nicht jede Pflegekraft dieses Glück.Auf TikTok begeistert der Altenpfleger bereits knapp 360.000 Follower und berichtet über den Alltag in der Pflege. Dabei hat er auch immer ein offenes Ohr für seine Kollegen. "Ich fühle mich bei meinem Arbeitgeber sehr sicher. Was ich allerdings durch meine Öffentlichkeitsarbeit merke, ist, dass das nicht gängig ist. Ich kriege ganz schlimme Zuschriften von Pflegekräften, wo regelrecht Angst herrscht, gerade im stationären Bereich."



Und auch Aileen findet nicht, dass man besser vorbereitet ist als noch am Anfang der Pandemie. Am meisten mache ihr tatsächlich der drohende Personalmangel Angst. "Es werden bei uns immer mehr Stationen geschlossen, da Patienten aber auch Personal an Corona erkranken. Ich weiß nicht, wer später noch die Patienten versorgen soll, die andere Krankheiten als Corona haben."

Diese Angst bestätigt auch Jim: "Wir haben noch genug Intensivbetten, aber ohne Personal ist auch eine Versorgung der Intensivbetten nicht mehr gewährleistet."

Wie eine Handgranate, die platzt, aufgeht und explodiert

Täglich setzen sich Pflegekräfte der Gefahr aus, selbst an Corona zu erkranken. Seit der Pandemie ist Angst der ständige Begleiter.

Für Krankenpflegerin Aileen wurde die Angst zur Realität - in der zentralen Notaufnahme kam sie in Kontakt mit einem Corona-Infizierten. "Ich habe mich daraufhin testen lassen und war tatsächlich positiv. Die Symptome kamen dann in der Quarantäne. Zum Glück habe ich es gut überstanden." Dass sie keinen ihrer Kollegen angesteckt habe, verdanke sie den FFP2-Masken, die kurz vorher als Pflicht eingeführt worden sind. Dennoch ist die Angst vor einer erneuten Ansteckung groß: "Ich habe definitiv Angst, mich noch mal anzustecken, weil ich glaube, noch mal stecke ich das nicht so gut weg."

Die größte Sorge für Jim ist, dass er der Auslöser dafür sein könnte, dass Corona auf seiner Arbeit ausbricht. Daher verzichtet er bereits seit Monaten auf soziale Kontakte. Wenn das Virus im Heim ausbricht, hat das oft fatale Folgen. "Wenn Corona in einem Altenheim ausbricht, dann ist das wie eine Handgranate, die platzt, aufgeht und explodiert und das will keiner erleben."

Wir gehen für euch arbeiten, bleibt ihr für uns zu Hause!

Aileen und Jim lieben ihren Beruf und haben darin ihre große Leidenschaft gefunden. Auch wenn die Zeiten gerade alles andere als leicht sind, würden sie ihren Job gegen keinen anderen tauschen wollen.

Was sie als Gegenleistung für ihre harte Arbeit neben besseren Arbeitsbedingungen und höhren Löhnen als Beitrag von der Gesellschaft erwarten ist: "Haltet euch an die Regeln, schraubt die sozialen Kontakte so gut wie es geht runter und lasst uns ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln, denn wir gehen für euch arbeiten, also bleibt ihr bitte für uns zu Hause!"

Arabella Mba Mombe

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