Jedem ist der Pflegenotstand in Deutschland bekannt. Verglichen mit anderen Ländern hinkt Deutschland in der Pflegepersonalausstattung deutlich hinterher – während in den USA beispielsweise ein Pfleger im Durchschnitt für fünf Patienten im Krankenhaus zuständig ist, wurde bei der MEDWING-Umfrage ein Schlüssel von 1:9 allein in der Frühschicht von Krankenhäusern und Pflegeheimen angegeben. In Krankenhäusern fehlen laut Ver.di-Analysen über 70.000 Pflegekräfte - mit steigendem Trend.
MEDWING hat es sich 2018 zur Aufgabe gemacht, sich genauer mit den aktuellen Arbeitsbedingungen in der Pflege auseinanderzusetzen und dem Pflegenotstand in Form einer Umfrage genauer auf den Grund zu gehen. Insgesamt haben an der Umfrage deutschlandweit über 2.700 Pflegekräfte teilgenommen – von examinierten Gesundheits- und Krankenpflegern, Altenpflegern bis hin zu Pflegedienst- und Wohnbereichsleitern. In unserem ersten Teil der Umfragereihe haben wir uns nun mit dem Pflegeschlüssel in der Frühschicht auseinandergesetzt und sind hierbei auf interessante Ergebnisse gestoßen. Gerade in der Frühschicht, der Schicht, in der der Anteil an administrativ pflegerischen Tätigkeiten am höchsten ist, fällt der durchschnittliche Pflegeschlüssel immer noch sehr hoch aus. Hinzu kommt, dass die Anzahl der Patienten pro Pfleger nicht nur zwischen den unterschiedlichen Einrichtungstypen und Abteilungen variiert, sondern auch in Bundesländern lassen sich starke Differenzen erkennen.
Wirft man nun einen genaueren Blick auf den Bereich der Alten- und Krankenpflege, lassen sich einige Unterschiede erkennen. Generell kam man bei der Umfrage zu dem Ergebnis, dass in der Altenpflege mehr Patienten von einem Pfleger betreut wurden als in der Krankenpflege. Hier wurde durchschnittlich von examinierten Altenpflegern ein Schlüssel von ca. 1:10 angegeben.
Dieses Ergebnis geht auch mit den Angaben aus den unterschiedlichen Fachbereichen einher. Zwar lagen die Notaufnahme, die Innere sowie die Onkologie mit einem durchschnittlichen Schlüssel von 1:11 an oberster Stelle, jedoch waren sie neben der Chirurgie dicht gefolgt von der Geriatrie und dem ambulanten Pflegedienst. Einige werden sich nun wahrscheinlich wundern, warum gerade beim ambulanten Pflegedienst weniger als 11 Patienten pro Pflegefachkraft angegeben wurden, wenn oftmals in der Praxis von einem Schlüssel von 1:30 gesprochen wird.
Was hier bedacht werden sollte ist, dass in der Umfrage nicht die unterschiedlichen Ausprägungen der ambulanten Pflegedienste erfasst wurden. Beispielsweise gaben rund 28% aller Befragten aus dem ambulanten Pflegedienst einen Schüssel von 1:1 an, was stark darauf schließen lässt, dass ein Großteil der Befragten in diesem Bereich wahrscheinlich in der ambulanten außerklinischen Beatmung und Intensivpflege arbeitet.
Auch innerhalb der Einrichtungen wies die Intensivstation mit einem Schlüssel von 1:4, dicht gefolgt vom Funktionsdienst einen der geringsten Pflegeschlüssel auf.
Es wurden aber nicht nur zwischen den unterschiedlichen Einrichtungstypen und Fachabteilungen große Differenzen deutlich. Auch haben sich deutschlandweit zwischen den Bundesländern starke Diskrepanzen herausgestellt. Generell wurde vor Allem im östlichen Teil Deutschlands ein höherer Pflegeschlüssel angegeben als im Westen. Gerade Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen wiesen mit einem Durchschnitt von 1:10 die meisten Patienten pro Pflegekraft auf. Die Ergebnisse der Pflegeschlüssel könnten auch eine Auswirkung auf die wahrgenommene Wertschätzung durch den Vorgesetzten haben. Gerade in Sachsen fühlten sich die Pflegekräfte durch ihre Vorgesetzten weniger wertgeschätzt. Auch die Wahrnehmung über die in Notsituationen eingesetzte Leasing Kräfte fiel im Osten signifikant höher aus als im Westen.
Zwischen Norden und Süden fielen die Unterschiede ähnlich aus. Hier wurde jedoch im Süden ein geringerer Pflegeschlüssel angegeben als im Norden. Grund dafür waren wahrscheinlich die Bundesländer Hessen und Baden-Württemberg, in denen ein Durchschnitt von sieben bis acht Patienten pro Pfleger angegeben wurde.
Die Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass die chronische Unterbesetzung der Pflegekräfte weiterhin ein aktuelles Problem in Deutschland bleibt. Die vom Staat geplante Einführung von Untergrenzen in bestimmten Pflegebereichen für 2019 wäre da wohl ein erster Schritt in die richtige Richtung.