Reanimieren in der Pflege: Diese Rechte und Pflichten gelten für dich

MEDWING
August 20, 2024

Lerne, wie du dich als Pflegekraft bei der Reanimation richtig verhältst und was bei einer Patientenverfügung gilt.

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    Arbeitest du als Pflegefachkraft, wird es in deinem Berufsleben unweigerlich auch mal die Situation geben, dass ein Patient eine Reanimation benötigt. Deshalb ist es für Pflegekräfte unerlässlich, erfolgreich reanimieren zu können. Doch wie sind überhaupt deine Rechte und Pflichten und darfst du jeden Patienten einfach so reanimieren? Wir klären auf.

    Ist eine Person in Not, scheint es selbstverständlich, umgehend zu handeln – vor allem, wenn man im Gesundheitswesen arbeitet. Doch anders als zunächst vermutet, ist die Erste Hilfe nicht immer die beste Hilfe. Warum das so ist, erfährst du im Artikel.

    Handeln ist für Pflegekräfte im Zweifelsfall besser als Nichtstun

    Bei Notfallsituationen in Krankenhäusern, Pflege- oder Altenheimen gilt grundsätzlich das Gleiche wie für alle Bürger:innen: Die gesetzlich geregelte Verpflichtung, anderen zu helfen.

    Wer untätig bleibt, kann sich der unterlassenen Hilfeleistung strafbar machen, was eine Geld- oder Freiheitsstrafe nach sich zieht. So regelt es §223c Strafgesetzbuch. Die Passivität einer Person wird im Falle der unterlassenen Hilfeleistung also genauso bestraft wie die aktive Verwirklichung einer Straftat.

    Garantenstellung nimmt Pflegekräfte rechtlich in die Pflicht

    Pflegekräfte werden dabei sogar noch stärker in die Verantwortung gezogen. Dafür sorgt die sogenannte Garantenstellung. Sie besagt, dass Pflegekräfte aufgrund ihrer Stellung eine besondere Schutzpflicht gegenüber den Menschen haben, die sie betreuen.

    Daraus ergibt sich bereits über den Arbeitsvertrag eine Verpflichtung, Patient:innen und Bewohner:innen vor Schaden zu schützen. Aber nur im Rahmen der Zumutbarkeit.


    Zwei Pflegekräfte beleben einen Patienten wieder


    Das Unterlassen wird also dem aktiven Handeln gleichgestellt, weil Pflegekräfte rechtlich dafür einzustehen haben, dass der so bezeichnete tatbestandliche Erfolg (wie zum Beispiel der Tod) nicht eintritt.

    Pflegekräfte, die trotz ihrer Garantenstellung einen Menschen, den sie betreuen, nicht wiederbeleben, müssen also theoretisch mit einer viel härteren Strafe rechnen.

    Reanimation und Patientenverfügung

    Anderes gilt hingegen, wenn eine Patientenverfügung vorliegt, die Maßnahmen zur Wiederbelebung ausdrücklich untersagt. Auch ein Behandlungswunsch, der von anwesenden Angehörigen des Betroffenen bezeugt wird, gilt als rechtlich bindend.

    In dem Fall ist das Nichtstun keine strafbare Handlung mehr. Die Berücksichtigung einer Patientenverfügung drängt die Pflicht, Erste Hilfe zu leisten und zu reanimieren, allerdings in den Bereich einer Grauzone.

    Denn so selbstverständlich wie es erscheinen mag, einem Menschen in der Not zu helfen, ist die Lage in der akuten Situation trotzdem nicht. Schließlich kollidiert die Notfallsituation, in der es innerhalb von Sekunden um Leben und Tod geht, oftmals mit den Wünschen der Betroffenen.



    Eine existierende Patientenverfügung untersagt möglicherweise Maßnahmen zur Wiederbelebung ausdrücklich – was den Helfenden oftmals aber nicht bekannt ist. Ebenso wenig wie das Alter der Verfügung und ob sie überhaupt noch den aktuellen Wünschen entspricht.

    Das alles innerhalb kürzester Zeit abzufragen, ist für Helfer:innen quasi unmöglich, lässt wertvolle Minuten im Kampf ums Überleben verstreichen und riskiert, dass der Betroffene in der Zwischenzeit verstirbt.

    Sofern also eine Notfallsituation vorliegt und der tatsächliche Wille des Patienten nicht feststellbar ist, schreibt das Gesetz vor, dass nach dem mutmaßlichen Willen der betroffenen Person gehandelt wird. Im Zweifelsfall sollten Pflegefachkräfte also davon ausgehen, dass die Person überleben möchte, und die Reanimation umgehend beginnen.



    Im Idealfall werden in Einrichtungen wie Alten- und Pflegeheimen Patient:innenverfügung dokumentiert und Pflegefachkräfte darüber informiert, was im Einzelfall zu tun ist. Zumindest, wenn es sich um Personen handelt, die sie bereits langfristig betreuen.

    Problematisch wird es allerdings dann, wenn Pflegekräfte zum Beispiel für andere Kolleg:innen einspringen und mit der betroffenen Person und ihrem Gesundheitszustand nicht vertraut sind.

    Vielmals fehlt es in solchen Einrichtungen aber auch an klaren Strukturen und Standards, was Pflegekräfte in Notfallsituationen in die Zwickmühle bringt. Denn um die richtigen Entscheidungen treffen zu können, haben ein gut eingespieltes Team und klare Handlungsabläufe oberste Priorität.

    Notfallausweis als bindende Patientenverfügung: Düsseldorf macht’s vor

    An einem ersten Lösungsansatz für solche Probleme hat die Stadt Düsseldorf gearbeitet und eine sogenannte „Patientenverfügung light” eingeführt. Dabei handelt es sich um einen handlichen Ausweis, der unterstützend zur Patientenverfügung gilt.

    Das Dokument kann von Palliativpatient:innen im Portemonnaie mitgeführt oder im Nachttisch verwahrt werden. Es soll Rettungskräften und Helfer:innen im Fall der Fälle Rechtssicherheit geben. Denn ähnlich wie ein Organspendeausweis ist für sie das Dokument schnell einsehbar und rechtlich bindend.

    Möchte ein Patient also nicht reanimiert werden, lässt sich das dem Dokument innerhalb weniger Sekunden entnehmen. Die „Patientenverfügung light” ist bislang allerdings nur für Palliativpatient:innen in Düsseldorf zugelassen.


    Paramedizinisches Personal, das die Herzmassage und Sauerstoffversorgung durchführt


    Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase

    Eine weitere Möglichkeit für Einrichtungen, klare Strukturen zu schaffen, ist in § 43 SGB XI (Sozialgesetzbuch) geregelt. Er sieht vor, dass Pflegeeinrichtungen ihren Bewohner:innen eine „gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase“ anbieten können.

    In Form eines Beratungsgesprächs kann sich die betreute Person intensiv mit Fragen zu pflegerischen Maßnahmen und medizinischen Behandlungen auseinandersetzen. Und gemeinsam mit einem/einer geschulten Berater:in ihre Vorstellungen über medizinische und pflegerische Abläufe und palliative Maßnahmen in der letzten Lebensphase in der Einrichtung entwickeln.

    Durch die anschließende Dokumentation der Beratungsergebnisse – meistens in Form einer Patientenverfügung – kann die Einrichtung einen rechtssicheren Umgang von Pflegekräften mit Patient:innen garantieren und ihren individuellen Wünschen gebührend nachkommen.

    Finanziert wird diese Versorgungsplanung bei gesetzlich Versicherten von den Krankenkassen. Ob die gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase angeboten wird, kann jede Einrichtung individuell für sich entscheiden. Die Teilnahme daran ist für die Patient:innen freiwillig.

    Reanimieren, aber richtig: Erste-Hilfe-Maßnahmen im Krankenhaus und Pflegeheim

    Eine Reanimation ist (glücklicherweise) in den meisten Einrichtungen nicht an der Tagesordnung. Da bei vielen Pflegefachkräften dieser Teil der Ausbildung ein paar Jahre zurückliegen kann, sieht §132 SGB V alle zwei Jahre eine regelmäßige Fortbildugspflicht für Pflegekräfte vor. Einrichtungen müssen nachweisen, dass ihre Pflegekräfte in Erster Hilfe regelmäßig geschult werden, um auf dem neuesten Stand zu sein.

    Und trotzdem kann die Aufregung und Unsicherheit dazu führen, dass alles Gelernte aus der Ausbildung oder der letzten Schulung plötzlich wie weggeblasen ist. Vor allem, wenn du noch nie Erste Hilfe leisten musstest oder noch ganz neu in deinem Job bist.


    Demonstration des medizinischen Trainingsverfahrens CPR


    Wir geben einen Überblick über die gängigen Sofortmaßnahmen zur Ersten Hilfe im Krankenhaus und Alten- oder Pflegeheim. Beachte aber, dass es regelmäßig neue Leitlinien gibt, in denen sich Maßnahmen auch immer ändern können. Darüber solltest du aber in deiner Einrichtung oder im Rahmen von Schulungen informiert werden.

    Stabile Seitenlage

    Sobald eine Person zwar bewusstlos ist, aber noch selbstständig atmen kann, kommt die stabile Seitenlage zum Einsatz. Denn diese spezielle Körperposition verhindert, dass der Betroffene Erbrochenes, Blut oder Speichel einatmet, was durch die fehlenden Schutzreflexe aufgrund der Bewusstlosigkeit zum Ersticken führen kann.

    So führst du die stabile Seitenlage durch:

    • Die betroffene Person liegt in der Ausgangsposition auf dem Rücken, die Beine sind ausgestreckt. Jetzt nimmst du den Arm, der auf deiner Seite ausgestreckt ist, und legst ihn angewinkelt nach oben. Die Handfläche zeigt dabei über den Kopf und nach oben.
    • Anschließend greifst du den Arm, der sich auf der anderen Seite befindet, und legst ihn quer über den Brustkorb der auf dem Boden liegenden Person. Der Handrücken berührt ihre Wange und wird dort fixiert.
    • Nun beugst du den Oberschenkel, der sich auf der anderen Seite befindet. Ziehe dann das Bein am Knie zur Seite. Die an der Wange liegende Hand des Betroffenen stützt seinen/ihren Kopf und ermöglicht eine einfache Lagerung.
    • Achtung: Die Halswirbelsäule darf sich in dieser Position nicht verdrehen.
    • Wenn sich der Oberschenkel im rechten Winkel zur Hüfte befindet, ist die richtige Position erreicht. Der Fuß muss jederzeit den Boden berühren.
    • Strecke jetzt noch den Kopf der am Boden liegenden Person nach hinten. Der überstreckte Hals sorgt dafür, dass die Atemwege frei bleiben.


    stabile Seitenlage


    Herzdruckmassage

    Sofern ein akuter Herzstillstand vorliegt, ist eine Herzdruckmassage zur Reanimation unerlässlich. Eine zusätzliche Atemspende kann, wenn sie bei fremden Personen als unangenehm empfunden wird, ausgelassen werden. Wichtig ist nur, dass die Herzdruckmassage so lange durchgeführt wird, bis ein Notarzt vor Ort ist.

    Mit folgenden Schritten führst du eine Herzdruckmassage durch:

    • Platziere deine Hand so, dass der Handballen auf der Mitte des Brustkorbs der betroffenen Person liegt. Die andere Hand legst du jetzt darüber.
    • Strecke deine Arme lang aus und übe von unten nach oben Druck auf den Brustkorb aus, sodass er rund fünf bis sechs Zentimeter eingedrückt wird.
    • Entscheidend ist beim Drücken, welchen Takt du dafür wählst. Die nötige Frequenz sollte laut aktuellen Vorgaben 100-120-mal pro Minute betragen, dazu müsstest du also zweimal pro Sekunde drücken.
    • Um ein Gefühl für den richtigen Takt zu bekommen, kannst du dir Songs ins Gedächtnis rufen, die genau dieser Beats-pro-Minute-Anzahl entsprechen. Dazu zählen zum Beispiel „Stayin’ alive“ oder „La Macarena“. Sie geben die ideale Frequenz vor.

    Hand aufs Herz: Wüsstest du im ersten Moment, wie du dich (rechtskonform) verhältst, falls jemand auf deiner Station reanimiert werden muss? Falls nicht, ist das jetzt ein guter Zeitpunkt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Und auch, deine Einrichtung in die Pflicht zu nehmen, die nötigen Infos für dich und deine Kolleg:innen bereit zu stellen, damit ihr im Ernstfall als eingespieltes Team agieren könnt.

    Alternativ kann dieser Artikel auch als Anregung dazu dienen, das Gespräch mit den Personen zu suchen, die du betreust. Und mit ihnen und ihren Angehörigen über das wichtige Thema Patientenverfügung zu reden.

    Katharina Klein

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