Die Vor- und Nachteile der generalisierten Pflegeausbildung

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Um den heutigen und künftigen Anforderungen an Pflegefachkräfte gerecht werden zu können, wurde die Pflegeausbildung komplett reformiert. Doch was bringt die generalisierte Ausbildung wirklich? Wo sind denkbare Nachteile?

Im Juli 2017 wurde das Gesetz zur Reform der Pflegeberufe verkündet. Die Pflege soll damit zukunftsgerecht und attraktiver werden. Seit dem 1. Januar 2020 soll die neue generalistische Pflegeausbildung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann nun umgesetzt werden. Politik und Gesundheitswesen wollen damit dem Fachkräftemangel und auch dem demografischen Wandel entgegenwirken. Während Berufe im Gesundheitswesen nicht mehr attraktiv zu sein scheinen, werden Pflegefachkräfte dringend gesucht. Die Lebenserwartung der Menschen steigt, die Pflege wird immer komplexer und der Bedarf an interdisziplinär ausgebildeten Fachkräften steigt.

Was genau ändert sich bei der generalisierten Pflegeausbildung?

Mit der neuen Pflegereform wurde der neue Beruf der Pflegefachfrau/-mann geschaffen. In der Ausbildung werden die drei bislang voneinander getrennten Berufszweige der Kranken-, Alten-, und Kinderkrankenpflege zusammengeführt – es werden fachliche Schwerpunkte aus allen drei Disziplinen gelehrt. In den ersten beiden Ausbildungsjahren werden Lehrinhalte behandelt, die allen Auszubildenden das gleiche Fachwissen vermitteln. Danach können sich die Azubis entscheiden: Sie können ihre Ausbildung nach einem weiteren Jahr als Pflegefachfrau/Pflegefachmann abschließen oder sich spezialisieren. Wer lieber mit Kindern oder Senioren arbeiten möchte, kann einen gesonderten Abschluss als Alten- oder Kinderkrankenpfleger:in machen.



Das Ziel der generalistischen Ausbildung ist es, den Pflegefachkräften mehr Flexibilität und dadurch mehr Karrierechancen zu ermöglichen. Mit ihren interdisziplinären Kenntnissen und Fähigkeiten können die Absolventen überall in der Pflege eingesetzt werden. Somit sind sie perfekt darauf vorbereitet, dass sich pflegerische Aufgaben im Krankenhaus oder Pflegeheim immer mehr überschneiden und ihre Aufgabenbereiche komplexer werden. Durch die Flexibilität und vermehrte Jobchancen möchte die Bundesregierung die Attraktivität der Pflegeberufe steigern und durch die Angleichung der Ausbildung auch eine Annäherung der Gehälter erreichen.



Was sind die Vorteile der generalisierten Pflegeausbildung?

Flexibilität:Die vereinheitlichte Ausbildung ermöglicht es den Pflegefachkräften, problemlos zwischen einzelnen Versorgungsbereichen zu wechseln. Alle haben die gleichen Grundkenntnisse und können dadurch interdisziplinär eingesetzt werden. Kinder und Senior:innen haben individuelle Pflegebedürfnisse. Da in der Ausbildung Praxiseinheiten in verschiedenen Einrichtungen Pflicht sind, lernen die Auszubildenden bereits die verschiedenen Bereiche der Pflege kennen.

Wahlmöglichkeiten:Während der generalistischen Pflegeausbildung haben die Azubis nach zwei Jahren die Möglichkeit, sich zu spezialisieren. Anders als früher müssen sich junge Schulabgänger nicht direkt für eine bestimmte Ausbildung entscheiden. Sie haben vorher in ihren Pflichteinsätzen die Möglichkeit, in verschiedene Pflegebereiche reinzuschnuppern und sich dann zu entscheiden. Möchte ich lieber mit Senior:innen oder Kindern arbeiten? Oder möchte ich mich nicht festlegen und den Abschluss als Pflegefachfrau/-mann machen? Azubis haben die Wahl!

Finanzierung:Vor der Reform war es an privaten Pflegeschulen üblich, Schulgeld zu zahlen. Mit dem Pflegeberufegesetz ist die Ausbildung von nun an kostenlos. Außerdem gibt es eine Ausbildungsvergütung, wie in anderen Berufen auch. Die Finanzierung findet über das Land, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen statt.

Bessere Verdienstmöglichkeiten und bessere Chancen auf dem Jobmarkt:Ziel der generalistischen Ausbildung ist es, die Pflegefachkräfte in allen Bereichen einsetzen zu können. Durch die Vereinheitlichung haben die Absolvent:innen noch mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt, weil es mehr Einsatzmöglichkeiten für sie gibt. Im Verlauf der Karriere ergeben sich verschiedene Jobmöglichkeiten. Teil der Pflegereform ist neben der Ausbildungsvergütung auch eine allgemeine Erhöhung der Vergütungen im Pflegebereich.

EU-Anerkennung:Mehr Jobchancen ergeben sich auch durch die EU-Anerkennung der generalistischen Ausbildung. Was in Deutschland neu ist, ist in anderen europäischen Ländern schon lange Standard. Die neue Berufsausbildung ist so konzipiert, dass der Abschluss in ganz Europa anerkannt wird und man ohne Probleme im Ausland arbeiten kann. Das war bisher leider nicht immer so.

Pflegestudium:Mit der Pflegereform wurde nicht nur die generalistische Ausbildung eingeführt. Sie ist auch der Startschuss für das sogenannte primärqualifizierende Pflegestudium. Viele Abiturienten wollen keine Ausbildung machen, sondern lieber ein Studium. Die neuen Studiengänge vermitteln neueste pflegewissenschaftliche Theorien und Inhalte und beinhalten Praxiseinsätze von mehr als 2100 Stunden. Anders als beim dualen Pflegestudium können die Student:innen nun sowohl ihren Bachelor-Abschluss als auch die staatliche Prüfung zur Pflegefachfrau bzw. zum Plegefachmann an der Hochschule absolvieren. Absolventen der Pflegeausbildung können auch noch im Anschluss das Pflege-Studium machen.



Welche Nachteile bringt die generalisierte Pflegeausbildung?

Voraussetzungen:Um eine generalistische Pflegeausbildung zu beginnen, müssen Bewerber:innen mindestens einen mittleren Schulabschluss vorweisen. Hauptschüler:innen wird der Einstieg hier anders als früher erschwert. Wer einen Hauptschulabschluss hat, kann erst nach erfolgreicher Ausbildung zur Pflegehilfskraft einsteigen. Allerdings wird die vorherige Ausbildung auf die Ausbildungszeit angerechnet. Durch die Zusammenlegung der drei Ausbildungen erhöhen und erschweren sich außerdem die Theorieinhalte. Potentielle Auszubildende könnten davon abgeschreckt werden.

Konkurrenz für Altenheime:Die generalisierte Ausbildung soll die Pflegefachkräfte flexibel einsetzbar machen. Für Altenheime, Tagespflegeeinrichtungen oder ambulante Dienste könnte das zum Problem werden. Im Zuge der neuen Ausbildung könnten die Pflegefachkräfte aus der Altenpflege vermehrt abwandern. Beispielsweise zu Krankenhäusern, in denen sie besser bezahlt werden. Als Pflegefachfrau/-mann ist man ungebundener. Statt den Pflegenotstand zu verbessern, könnte sich die Situation in der Altenpflege noch weiter verschlechtern.

Verflachung der Ausbildungsinhalte:Expert:innen befürchten, dass durch die Generalisierung der Pflegeausbildung auch wichtige Inhalte zu kurz kommen. Senior:innen und Kinder haben sowohl körperlich als auch psychisch andere Bedürfnisse. Diesen kann man nur gerecht werden, wenn man das nötige Fachwissen hat. Die Expert:innen bezweifeln, dass eine generalisierte Ausbildung das nötige Spezialwissen in der kurzen Zeit vermitteln kann, da die Spezialisierung auf Kinder- oder Altenpflege erst im letzten Drittel der Ausbildung erfolgt.

Herabwürdigung des Berufs Altenpfleger?Trotz der Zusammenlegung der Pflegeausbildung gibt es immer noch drei verschiedene Abschlüsse mit unterschiedlichen Qualifikationen. Expert:innen befürchten dadurch eine Herabwürdigung des Ausbildungsberufes Altenpfleger, denn Anforderungen würden gering gehalten werden, damit keine Bewerber:innen abgelehnt werden müssen. Da Pflege immer komplexer wird, sehen die Expert:innen darin ein großes Problem in der Versorgung von Älteren, weil die Altenpflege als ein „leichter" Pflegeberuf abgestempelt und somit abgewertet werde. Dabei ist sie genauso wichtig und anspruchsvoll, wie andere Pflegeberufe.

Die zusammengefasste Ausbildung der verschiedenen Pflegebereiche weist sowohl Chancen als auch Mängel auf. Die Generalisierung bedeutet mehr Jobchancen für die Absolvent:innen. Gleichzeitig könnte sie aber auch dazu führen, dass der Pflegenotstand in der Altenpflege noch weiter wächst. Ob die neue Ausbildung die Pflegeberufe tatsächlich zukunftsorientierter und attraktiver macht, wird sich erst zeigen.

Maja Lietzau

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