Arbeitsrecht in der Pflege Teil 1: Arbeitszeit und Urlaub

Inspiriert von der faszinierenden Welt der Medizin und Pflege, möchte unser Redaktionsteam sich mit Fachkräften austauschen, Perspektiven aufzeigen mit Interviews und Reportagen, um die Vielfalt des Pflegealltags zum Ausdruck bringen.

Darf mein:e Chef:in mich aus dem Frei holen? Gilt die Umkleidezeit für Pflegekräfte als Arbeitszeit und was passiert, wenn ich zur spät zur Arbeit komme? In unserer Reihe „Arbeitsrecht in der Pflege“ beantworten wir die häufigsten rechtlichen Fragen. Im ersten Teil geht es um Urlaub, Arbeitszeit und -organisation.

Wie lange darf ich als Pflegekraft pro Tag arbeiten?

Laut Arbeitszeitgesetz (§3 Satz 1) darf die Arbeitszeit acht Stunden täglich nicht überschreiten. Ruhepausen werden nicht mitgerechnet. Es gibt allerdings drei Ausnahmen:

  • Wenn die Arbeitszeit in sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen durchschnittlich acht Stunden pro Werktag beträgt, kann die Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden verlängert werden (§3 Abs. 1 Satz 2 ArbZG).
  • In Notfällen wie bei Naturkatastrophen kann die Arbeitszeit gemäß §14 Abs. 1 ArbZG auf länger als zehn Stunden pro Werktag verlängert werden.
  • Bei unaufschiebbaren Arbeiten zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Menschen kann die Arbeitszeit ebenfalls an einzelnen Tagen verlängert werden (§14 Abs. 2 Nr. 2 ArbZG).

Wann steht mir eine Pause zu?

Nach sechs Stunden steht dir eine halbe Stunde Pause zu. Diese darfst du nicht auf den Beginn oder das Ende deiner Arbeitszeit verlegen. Falls du neun Stunden eingesetzt bist, muss deine Pause mindestens 45 Minuten lang sein.

Wird die Pause bezahlt?

Nein, die Pause zählt nicht zur Arbeitszeit. Im Gegenzug dafür darf dein Arbeitgeber nicht von dir verlangen, dass du die Pause für Arbeitstätigkeiten nutzt.

Sind Raucherpausen während der Arbeit erlaubt?

Raucherpausen sind Privatsache. Sie zählen nicht zur Arbeitszeit und werden nicht bezahlt. Du kannst die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen zum Rauchen nutzen. Bei Raucherpausen außer der Reihe muss die versäumte Arbeitszeit nachgeholt werden. Falls dein Arbeitgeber allerdings ein striktes Rauchverbot ausspricht, gilt es auch. Ein Recht auf Rauchen am Arbeitsplatz gibt es nicht.

Darf mein Arbeitgeber mich als Pflegekraft auf einer Station oder in einem Fachbereich einsetzen, in dem ich gewöhnlich nicht arbeite?

Prinzipiell darf er das, denn dein Arbeitgeber ist dir gegenüber weisungsbefugt. Anders sieht es aus, wenn die Arbeit auf einer bestimmten Station, in einer bestimmten Fachabteilung oder einem bestimmten Bereich in deinem Arbeitsvertrag oder einem anderen Vertrag fest vereinbart ist. Das beschränkt das Weisungsrecht deines Arbeitgebers. Allerdings kann deine Treuepflicht dem entgegenstehen.Tipp: Falls du länger als einen Monat anders beschäftigt bist, als dein Arbeitsvertrag vorsieht, wende ich an den Betriebsrat.

Kann mein Arbeitgeber verlangen, dass ich in der stationären Einrichtung übernachte?

Nein, das darf er nicht. Auch hier stößt das Weisungsrecht deines Arbeitgebers an eine Grenze.

Ich arbeite bei einem ambulanten Pflegedienst. Zählt die Fahrt von Zuhause zur ersten pflegebedürftigen Person oder zum Büro zur Arbeitszeit?

Wenn du von zu Hause aus zunächst zum Pflegebüro fährst, handelt es sich um die sogenannte Wegezeit. Diese wird nicht vergütet. Sie zählt also nicht zur Arbeitszeit. Falls es kein Pflegebüro gibt und du sofort von deiner Wohnung aus zum ersten zu pflegenden Menschen fährst, zählt diese Tour zur Arbeitszeit. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden (Urteil vom 10.09.2015, C-266/14). Auch die Fahrten von einem Pflegebedürftigen zum anderen werden vergütet.

Werde ich bezahlt, wenn öffentliche Verkehrsmittel sich verspäten oder ausfallen, sodass ich nicht oder zu spät zur Arbeit komme?

Das Wegerisiko liegt in dem Fall bei dir. Die entfallene Arbeitszeit wird nicht vergütet.


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Darf mein Arbeitgeber mich kurzfristig aus dem Frei holen?

Das ist nur bei besonderen Notfällen und in Ausnahmesituationen zulässig. Die üblichen Personalengpässe in der Pflege genügen dafür nicht. Ein Zurückholen aus dem Frei kann nur mit deinem Einverständnis erfolgen. Das gilt trotz Corona-Pandemie. Dein Arbeitgeber hat zwar das sogenannte Direktionsrecht und kann Ort und Zeit deiner Arbeitsleistung bestimmen. Davon macht er allerdings bereits Gebrauch, wenn er deine Arbeitszeit im Dienstplan festlegt. Dieser steht in vielen Einrichtungen etwa vier Wochen vor Beginn des jeweiligen Monats fest.Kurzfristige Änderungen des Dienstplans bedürfen deiner Zustimmung. Es gibt keinen Paragrafen, der eine angemessene Vorankündigungsfrist beinhaltet. Als wegweisend gilt das Urteil vom Arbeitsgericht Berlin (5. Oktober 2012, Az. 28 Ca 10243/12): Dieses betrachtet eine Vorankündigungsfrist von vier Tagen als angemessen.

Darf mein Arbeitgeber meinen Urlaub wegen Personalknappheit streichen?

Wenn er deinen Urlaub genehmigt hat, kann dein Arbeitgeber seine Zusage nicht ohne Weiters widerrufen. Das regelt das Bundesurlaubsgesetz. Als Ausnahme gelten hier dringende, existenzbedrohende betriebliche Gründe. Organisatorische Probleme oder eine falsche Planung des Pflegepersonals rechtfertigen den Urlaubswiderruf nicht.

Ist meine Umkleidezeit vergütungspflichtig?

Ja. Die Zeit, die du als Pflegekraft brauchst, um deine Dienstkleidung an- und auszuziehen, gehört laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 06.09.2017 (5 AZR 382/16) zur Arbeitszeit. Als solche ist sie vergütungspflichtig. Ausnahme: Im Tarifvertrag findet sich dazu eine andere Regelung.

Darf ich während der Arbeitszeit auf Toilette gehen?

Ja. Diese Zeit wird vergütet. Allerdings darfst du nicht absichtlich länger auf der Toilette verweilen. Dadurch verweigerst du deine Arbeitsleistung. Das kann eine Abmahnung und sogar eine Kündigung nach sich ziehen. Dein Arbeitgeber darf aber weder die maximale Dauer deines Toilettengangs bestimmen noch die Häufigkeit des Toilettenbesuchs einschränken. Das würde dein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzen (ArbG Köln, 21.01.2010, 6 Ca 3846 / 09).

Darf mein Arbeitgeber mir eine Nebentätigkeit verbieten?

Nebenbei kellnern, einen Online-Shop betreiben oder eine Katzenpension führen? Dein Arbeitgeber darf dir eine Nebentätigkeit nicht generell untersagen. Das ist nur dann zulässig, wenn durch diese Nebentätigkeit seine Interessen beeinträchtigt werden. Beispielsweise darfst du deinem Hauptarbeitgeber mit deiner Nebentätigkeit keine Konkurrenz machen (Handelsgesetzbuch §60).

Dieser Artikel dient unverbindlichen Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar.


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