Überstunden in der Pflege bei Teilzeit: Das sagt das Arbeitsrecht

Inspiriert von der faszinierenden Welt der Medizin und Pflege, möchte unser Redaktionsteam sich mit Fachkräften austauschen, Perspektiven aufzeigen mit Interviews und Reportagen, um die Vielfalt des Pflegealltags zum Ausdruck bringen.

Sei es, weil du mehr Zeit mit deiner Familie verbringen willst, oder um deinen Hobbies nachzugehen: Arbeitest du in Teilzeit, hat das sicher gute Gründe. Doch was ist, wenn du regelmäßig so viele Überstunden machst, dass du stundenmäßig doch auf einen Vollzeitjob kommst? Der Personalmangel und das hohe Arbeitsaufkommen in der Pflegebranche führen dazu, dass auch Teilzeitkräfte am Ende des Monats jede Menge Mehrarbeit angehäuft haben. Wir verraten, ob das überhaupt erlaubt ist und auf welche Rechte sich Pflegefachkräfte berufen können.

Insbesondere in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sind Überstunden an der Tagesordnung und die vereinbarte wöchentliche Stundenzahl aus Tarif- oder Arbeitsvertrag ist schnell überschritten.

Du kennst das sicher: Es ist kurz vor Feierabend, doch die Arbeit ist noch lange nicht erledigt und die Kolleg:innen wissen bei der Schichtübergabe nicht, wie sie alles auf einmal schaffen sollen. Also gehst du entweder mit schlechtem Gewissen nach Hause oder du bleibst eben länger. Zufriedenstellend ist keine der Varianten.

Auf der einen Seite ist es verständlich und menschlich, dass du dein Team und die Patient:innen oder Bewohner:innen nicht im Stich lassen möchtest. Als Pflegekraft trägst du eine große Verantwortung. Du kannst nicht einfach den Computer runterfahren oder die Bürotür hinter dir zumachen. Die Arbeit mit Menschen, die auf dich angewiesen sind, macht deinen Beruf so besonders, aber es eben oft unmöglich, alles stehen und liegen zu lassen.

Auf der anderen Seite trägst du auch Verantwortung für dich selbst und vielleicht für andere Menschen aus deinem sozialen Umfeld. Vielleicht musst du pünktlich Schluss machen, weil dein Kind im Kindergarten auf dich wartet oder weil du nun einmal auch andere Verpflichtungen und Verabredungen hast. Viele Pflegekräfte wählen die Teilzeit, um ihr Leben mit ihrem Job vereinbaren zu können. Wenn dies aufgrund von ständiger Mehrarbeit trotzdem nicht möglich ist, ist dies frustrierend.


Krankenschwester mit Stethoskop und Seniorin in der Klinik


Es wäre unrealistisch zu sagen, dass du diesem Dilemma vollkommen entgehen kannst. Aber: Es ist wichtig, dass du deine Rechte kennst – vor allem, wenn du Überstunden ablehnen möchtest oder dich unfair behandelt fühlst. So hast du eine gute Entscheidungsgrundlage und behältst die Kontrolle.

Wir werfen mit dir einen Blick auf das Arbeitszeitrecht und geben dir einen Überblick, was du bei einem Teilzeitjob in der Pflege in Bezug auf Überstunden wissen musst.

Teilzeit in der Pflege: Keine Verpflichtung zu Überstunden ohne vertragliche Regelung

Überstunden lassen sich in der Pflegebranche oft nicht vermeiden. Eine gewisse Bereitschaft dazu wird von den Arbeitnehmer:innen erwartet. Und dennoch darf der Arbeitgeber keinesfalls willkürlich und ohne gegenseitiges Einvernehmen Überstunden anordnen. Erst recht nicht beliebig viele.

Denn grundsätzlich gilt: Eine Pflicht dazu, in einem Teilzeitjob Überstunden zu leisten, besteht nicht. Dazu bedarf es einer rechtlichen Grundlage wie einem Tarif- oder Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung, in denen eine Ableistung einer bestimmten Zahl von Überstunden auf Anforderung des Arbeitgebers vereinbart wurde.

Sofern eine solche Regelung im Vertrag fehlt, sind Arbeitnehmer:innen nicht dazu verpflichtet, Überstunden zu machen und können sie sogar verweigern. Und durch die Vereinbarung von Teilzeitarbeit hast du schließlich deutlich zu verstehen gegeben, dass du ausschließlich im vertraglich vorgesehenen Umfang zur Arbeitsleistung bereit bist.


Arbeitsvertrag wird unterschrieben


Überstunden dürfen ohne vertragliche Regelung rein rechtlich nur in Notsituationen angeordnet werden, in denen eine Mehrarbeit absolut unvermeidlich ist. Doch: Auch wenn viele Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen die Notwendigkeit für das Einspringen aus dem Frei oder Überstunden nach der Schicht oftmals mit einer Notfallsituation rechtfertigen: Als klassischer Notfall gilt nur eine unvorhersehbare und schwerwiegende Extremsituation (zum Beispiel ein Brand, Überschwemmungen oder (Natur-)Katastrophen.

Tipp: Pflegefachkräfte sollten vor Antritt eines neuen Jobs unbedingt eine Überstundenregelung im Vertrag vereinbaren, um für den Fall von Unstimmigkeiten eine Rechtsgrundlage zu schaffen.

Überstunden in der Teilzeit: Wo sind die Grenzen?

Auch wenn die Bereitschaft zu Überstunden mittels Unterschrift im Vertrag festgelegt wurde, kann der Arbeitgeber nicht aus freien Stücken über die Menge an Mehrarbeit bestimmen, die geleistet werden muss. Vielmehr muss er garantieren, dass die im Arbeitszeitgesetz geregelte maximale Arbeitszeit nicht überschritten wird.

Zu diesem Zweck regelt §3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG), dass Arbeitnehmer:innen maximal acht Überstunden in einer normalen Arbeitswoche (Montag bis Samstag) leisten dürfen. Bei zulässiger Sonn- und Feiertagsarbeit, wie sie in der Pflege gang und gäbe ist, findet diese Norm ebenfalls Anwendung. Gleiches gilt für die Nachtschicht.

Diese acht Stunden können auf zehn täglich erweitert werden, wenn innerhalb von sechs Monaten bzw. 24 Wochen eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden im Durchschnitt nicht überschritten wird. Sofern der Arbeitgeber mehr Stunden anordnen will, muss das ausdrücklich im Arbeitsvertrag geregelt sein.



Überstunden von Teilzeit-Pflegekräften: Freizeitausgleich oder Auszahlung?

Dazu, wie Überstunden abgegolten werden, macht das Arbeitszeitgesetz ebenfalls Vorgaben. Laut §6 V ArbZG werden sie entweder wie der normale Stundenlohn vergütet oder mit bezahltem Freizeitausgleich abgegolten. Dies gilt unabhängig davon, ob du in Teilzeit oder Vollzeit arbeitest.

In der mangelbesetzten Pflegebranche ist ein „Abbummeln“ von Überstunden eher utopisch. Eine Regelung zum Thema Überstunden gehört unbedingt in den Arbeitsvertrag, um Missverständnissen vorzubeugen, wenn’s hart auf hart kommt.

Tarifverträge für den öffentlichen Dienst enthalten oftmals Überstundenzuschläge. Diese regeln, dass Arbeitnehmer:innen einen Zuschlag auf ihren regulären Stundenlohn erhalten, wenn sie Überstunden leisten. Ein solcher Überstundenzuschlag liegt grundsätzlich bei etwa 15 bis 40 Prozent des üblichen Stundenlohns.

Pauschale Abgeltungsklauseln von Mehrarbeit widersprechen auch bei Teilzeit dem Arbeitsrecht

Rechtlich vorgeschrieben, ist ein Überstundenzuschlag, wenn die Überstunden gleichzeitig mit der Nachtarbeit (zwischen 23 und 6 Uhr morgens) geleistet werden. § 6 Abs. 5 ArbZG regelt, dass Arbeitnehmer:innen in diesem Fall Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag haben. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist ein Zuschlag von 25 Prozent angemessen.

Achtung: Viele Klauseln in Arbeitsverträgen sind unzulässig. Entdeckst du diese pauschale Abgeltungsklausel in deinem Vertrag, solltest du hellhörig werden: „Überstunden werden nicht gesondert vergütet, da sie mit dem monatlichen Festgehalt abgegolten sind.“ Diese Formulierung widerspricht geltendem Arbeitsrecht. Denn das sieht wiederum vor (siehe oben), dass die Anzahl der Überstunden und die Art der Vergütung im Arbeitsvertrag genau definiert ist, damit Überstunden überhaupt angeordnet werden dürfen.


Porträt von eine junge freundliche Krankenschwester


Überstunden ohne Anordnung müssen vom Arbeitgeber nicht anerkannt werden

Aber nicht nur Arbeitnehmer:innen sollen vor Überstunden geschützt werden, sondern auch Arbeitgeber. Der Arbeits- oder Tarifvertrag kann deshalb einen Ausschluss unaufgeforderter Überstunden enthalten und gilt für den Fall, dass Arbeitnehmer:innen eigenständig ihre Arbeitszeit überziehen.

Bedeutet für Pflegefachkräfte: Wenn du regelmäßig nach seiner Schicht freiwillig länger bleibst, um restliche Aufgaben auf deiner Station zu erledigen oder Kolleg:innen noch kurz zur Hand zu gehen, tust du dir unter Umständen keinen Gefallen. Denn genauso wie Arbeitnehmer:innen entweder gar nicht oder nur durch eine abweichende Regelung im Tarif- oder Arbeitsvertrag verpflichtet sind, Überstunden zu leisten, muss auch der Arbeitgeber keine „freiwilligen“ Überstunden dulden bzw. abgelten.

In diesem Fall besteht also kein Anspruch auf Vergütung oder Freizeitausgleich, denn Überstunden werden eben nur anerkannt und bezahlt, wenn sie vom Arbeitgeber angeordnet wurden oder vertraglich geregelt sind. Pflegefachkräfte, die regelmäßig auf eigene Faust ihre Arbeitszeit verlängern, ohne dass dies angeordnet wurde, können theoretisch sogar mit eine Abmahnung oder Kündigung erhalten.

Eine Ausnahme bildet lediglich eine absolute (und im Anschluss nachvollziehbare) Notwendigkeit. Das kann zum Beispiel eine Notsituation sein, wegen der du dich spontan dazu entscheidest, eine Schicht zu überziehen. Sofern die Schichtleitung darüber umgehend in Kenntnis gesetzt wurde, werden die Überstunden geduldet – und auch abgegolten.


Pflegekräfte auf dem Krankenhausflur


Überstunden bei Teilzeit können zu Vollzeitstelle führen

Für den Fall, dass Teilzeitangestellter ständig und über einen längeren Zeitraum auf Verlangen des Arbeitgebers eine erhöhte Arbeitszeit ableisten, sieht das Gesetz eine stillschweigende Neuregelung des Arbeitsvertrages vor. Denn dann ist die Rede nicht mehr von Überstunden, sondern es handelt sich um reguläre Arbeitszeit und Arbeitsleistung.

Arbeitnehmer:innen können jetzt verlangen, dass das Arbeitsverhältnis auf dieser Basis weitergeführt wird. Deine Teilzeitstelle in der Pflege würde sich einem Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamm aus dem Jahr 2006 zufolge automatisch zur Vollzeitstelle umwandeln. Sofern Arbeitgeber diesem Umstand entgehen wollen, sollten sie ihre Mitarbeitenden nur ab und an länger arbeiten lassen. In diesem Fall handelt es sich dann weiterhin um Überstunden.

Du kannst dich sicher damit arrangieren, den Pflege-Kolleg:innen oder Patient:innen auf der Station zuliebe mal die ein oder andere Überstunde zu schieben. Sollten diese aber trotz deines Teilzeitjobs zur Regel werden, kannst du die Aufforderung deines Arbeitgebers zur Leistung von Überstunden ablehnen, indem du dich auf deinen Arbeitsvertrag oder das Gesetz berufst. Und das, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

Noch mehr Wissenswertes erfährst du in unserer vierteileigen Serie zum Thema Arbeitsrecht in der Pflege.

Katharina Klein

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