Alleinerziehend als Pflegekraft: So vereinbarst du Kind und Job

Inspiriert von der faszinierenden Welt der Medizin und Pflege, möchte unser Redaktionsteam sich mit Fachkräften austauschen, Perspektiven aufzeigen mit Interviews und Reportagen, um die Vielfalt des Pflegealltags zum Ausdruck bringen.

Du bist alleinerziehend und Pflegekraft? Dann kann die Balance zwischen Arbeit und Kinderbetreuung zur Herausforderung werden. Normale Öffnungszeiten von Kita und Co. lassen sich oft nicht mit dem Schichtsystem vereinbaren. Wie können alleinerziehende Pflegekräfte den Spagat im Alltag meistern? Welche staatliche Unterstützung steht ihnen zu und was für Möglichkeiten gibt es noch, um Job, Karriere, Kind und Privatleben unter einen Hut zu bekommen? Das erfährst du bei uns.

Laut Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend (BMSFSJ) gibt es aktuell in Deutschland acht Millionen Familien mit minderjährigen Kindern. In 19 Prozent dieser Familien ist das Elternteil alleinerziehend. Auch wenn inzwischen viele Papas ihre Kinder alleine großziehen, ist die Zahl der alleinerziehenden Mütter gegenüber den Vätern noch deutlich erhöht. Ein Grund, warum die Kombi aus Kind und Job vor allem in Pflegeberufen zum Karrierekiller werden kann, denn mit einem Anteil von rund 80 Prozent in der Alten- und Krankenpflege ist die Pflegebranche laut einer Statista-Umfrage aus dem Jahr 2020 nach wie vor eindeutig Frauendomäne.

Rechtslage: Muss ich als Alleinerziehende:r im Schichtdienst arbeiten?

So sehr man seinen Job als Pflegekraft auch liebt und so flexibel man gerne weiterhin wäre: Sind Kinder im Haus, ändern sich die Strukturen, erst Recht bei Alleinerziehenden. Je verständnisvoller der Arbeitgeber in diesem Falle ist, desto einfacher gelingt die Durchsetzung familienfreundlicher Arbeitsmodelle und desto zufriedener sind die Arbeitnehmer:innen. Unternehmen können also einen Großteil dazu beitragen, Pflegekräfte an sich zu binden. Flexible Arbeitsmöglichkeiten sind gerade angesichts des akuten Fachkräftemangels in der Pflege sowie für die Zukunft und Attraktivität der Pflegebranche also sicherlich eine sinnvolle Maßnahme.

Generell gilt allerdings, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, auf individuelle Bedürfnisse seiner Angestellten einzugehen. Und auch in Bezug auf Schichtarbeit ist die Rechtslage relativ eindeutig. Denn Unternehmen haben sogenanntes „Direktionsrecht“, dürfen also die Arbeitszeiten festlegen. Angestellte müssen sich an die Vorgaben halten. Vor allem dann, wenn man wie in der Pflege in einem Beruf arbeitet, der Schichtdienste erfordert, und dies auch von Jobbeginn an so im Vertrag festgehalten wurde. Da gerade in Pflegeberufen die grundsätzliche Notwendigkeit von Schichtarbeit bekannt ist, muss der Arbeitgeber auch kein anderes Modell gewähren. Im Zweifel bist du also gezwungen, als Pflegefachkraft auch Nachtschichten anzunehmen, die oftmals alles andere als kinderfreundlich sind.

Doch wie so oft bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel: Für Arbeitnehmer:innen liegt dann eine solche Ausnahme vor, wenn in ihrem Haushalt ein Kind unter 12 Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann. Laut Arbeitszeitgesetz (§ 6 4b ArbZG) besteht dann das Recht auf Umsetzung auf einen Tagesarbeitsplatz. Allerdings dürfen keine dringenden betrieblichen Gründe dagegen sprechen. Einen garantierten Anspruch auf dieses Modell haben Arbeitnehmer:innen also nicht. Sollte der Betrieb solche betriebsinternen Einwände vorbringen, können Betroffene sich aber laut Gesetz an den Betriebs- oder Personalrat wenden, um gemeinsam eine Lösung für den Arbeitgeber auszuarbeiten. Die Chancen stehen nicht schlecht, dieses Recht auch durchzusetzen.


Glückliche indische Mutter spaßt mit ihrer Tochter im Freien


Vereinbarkeit von Pflegejob und Kinderbetreuung: Welche Alternativen gibt es?

Während die Kombination aus Job und Kinderbetreuung für Alleinerziehende schon mit einem regulären „9-to-five-Job“ zur Belastungsprobe wird, kämpfen Mamas und Papas, die in der Pflege arbeiten, vor allem mit den gängigen Arbeitszeitmodellen. Denn wenn Frühschichten bereits um 6 Uhr starten, Kitas aber ihre Türen erst um 8 Uhr öffnen, kann das schon frühmorgens für organisatorische Probleme sorgen. Das führt nicht selten dazu, dass alleinerziehende Pflegekräfte aus Mangel an Alternativen ihren Job zwangsläufig aufgeben müssen.



Wer als alleinerziehende Pflegekraft Kinder betreut, muss die Branche aber nicht gleich verlassen, wenn sich die Betreuung unter den aktuellen Arbeitsbedingungen nicht realisieren lässt. Denn zumindest, bis die Kids selbständig genug sind, auch mal länger alleine zu bleiben, gibt es Alternativen, die zu einer besseren Vereinbarkeit mit Familie und deinem Job in der Pflege führen können. Ein paar dieser Möglichkeiten stellen wir dir jetzt vor:

  • Auch wenn für Alleinerziehende ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr gilt, bedeutet das noch lange nicht, dass dieser Anspruch auch umfassend genutzt werden kann. Denn nur selten decken normale Kindergärten die Arbeitszeiten von Pflegekräften ab. Vielleicht hast du das Glück, dass die Einrichtung, für die du arbeitest, eine betriebsinterne Kinderbetreuung anbietet, die auf die individuellen Arbeitszeiten von Pfleger:innen abgestimmt ist. Ist das nicht der Fall, kannst du dich an deinem Wohnort auf die Suche nach externen Anbietern (wie z. B. Vereine oder private Tagesmütter) machen, die Alleinerziehende im Schichtdienst bei der Betreuung unterstützen. Auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) kann für Alleinerziehende ein guter Ansprechpartner sein. Ebenso bietet das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Hilfe für Familien. Im Falle von ungeplanten kurzfristigen Ereignissen, wie zum Beispiel der Erkrankung eines Kindes oder dringenden privaten oder beruflichen Terminen der Eltern, gibt es in manchen Städten sogar ganz spezielle Betreuungsmodelle. Zum Beispiel die Notfall-Mamas, die in solchen Fällen anrücken, um die Kinderbetreuung zu übernehmen. Auch der Notmütterdienst bietet in Notfällen eine Betreuung im eigenen Zuhause an. Die Kosten dafür müssen zwar aus eigener Tasche bezahlt werden, sind aber von der Steuer absetzbar.
  • Alternativ bieten immer mehr Unternehmen in der Pflege sogenannte Pool-Lösungen, auch Springer-Pool genannt, an. Bei einem solchen Pool handelt es sich um ein Team von Pflegefachkräften, das zwar eine „Stammstation“ hat, im Rahmen festgelegter Wunschdienstpläne aber immer auf genau der Station eingesetzt wird, auf der gerade der höchste Bedarf besteht. Dadurch werden einerseits individuelle Arbeitszeiten außerhalb des Schichtdienstes ermöglicht, andererseits Engpässe durch Ausfälle auf den Stationen vermieden. Vor allem Alleinerziehende profitieren von diesem Modell. Nachtschichten können zum Beispiel ausgeschlossen und Teilzeitmodelle oder kürzere Einsatzzeiten ermöglicht werden – abhängig vom Planungssystem der Einrichtung. Oft werden Angestellten, die im Springer-Pool arbeiten, für ihre flexible Einsatzbereitschaft sogar Boni zum normalen Lohn gezahlt und zusätzliche Urlaubstage gewährt. Unternehmen wie die Asklepios Klink in Hamburg St. Georg, die Raphaelsklinik in Münster oder das Universitätsklinikum Ulm arbeiten bereits mit diesem System. Vielleicht gibt es auch in deiner Nähe Einrichtungen, die derartige Lösungen anbieten oder offen dafür sind?
  • Ein sehr flexibles Arbeitsmodell in der Pflege ist die Zeitarbeit. Hier bestimmst du selbst, wann du arbeiten möchtest und musst zum Teil weniger arbeiten, um auf das gleiche Gehalt zu kommen. Für alleinerziehende Pflegekräfte kann die Zeitarbeit optimal sein, um Beruf und Alltag aufeinander abzustimmen.



  • Falls es in deinem Unternehmen die Option gibt, kannst du überlegen, deinen Arbeitsbereich zu verändern. Du könntest in eine andere Abteilung, in die Verwaltung oder Beratung wechseln. Dort beschränken sich die Arbeitszeiten auf den Tag und lassen sich dadurch auch besser mit der Kinderbetreuung vereinbaren.
  • Ein Wechsel in die ambulante Pflege geht ebenfalls oft mit familienfreundlichen Arbeitszeiten einher.
  • Wer als Alleinerziehende:r die Möglichkeit hat, sein Kind nachts beaufsichtigen zu lassen, kann allerdings auch gerade die Vorteile der Schichtarbeit während der Nacht nutzen. So kannst du dich tagsüber nach der Kita oder Schule um die Familie kümmern und hast am Tag mehr von deinem Kind. Außerdem ist die Nachtarbeit durch Zuschläge zum Lohn oft gerade für Alleinerziehende finanziell sehr attraktiv.
  • Einige Pflegedienste und Einrichtungen bieten sogenannte „Mama-Touren“ für (unter anderem) Alleinerziehende an, um den Wiedereinstieg in die Pflegebranche mit Kind zu erleichtern. Auch alleinerziehende Väter sind, trotz des Namens, inbegriffen. Im Rahmen dieser Jobs können die Arbeitszeiten individuell an die Betreuungszeiten der Kinder angepasst werden. Gearbeitet wird entweder im Rahmen von Teilzeitmodellen oder verkürzten Schichten. Gibt es solche Arbeitgeber vielleicht auch in deiner Region?
  • Mit Weiterbildungen, Zusatzqualifikationen oder Spezialisierungen in bestimmten Fachbereichen kannst du der Pflegebranche treu bleiben, aber in deiner Karriere einen neuen Weg einschlagen. Dies kann dir ebenfalls neue Optionen eröffnen, für eine bessere Vereinbarkeit von Pflegeberuf und Kindererziehung zu sorgen.

Als Alleinerziehende:r ist es eine Herausforderung, die Kinderbetreuung und den Job unter einen Hut zu bekommen. Es wäre schade, wenn du die Pflege deshalb verlässt. Es gibt flexible Arbeitsmodelle und Betriebe in der Pflege, die alleinerziehenden Eltern die Chance bieten, sowohl der Familie als auch ihrem Job gerecht zu werden. Wir hoffen, dass in Zukunft immer mehr Unternehmen die Dringlichkeit sehen, familienfreundliche Arbeitsmodelle in der Pflege anzubieten. Denn wer seinen Job liebt und dafür alles gibt, sollte darin unterstützt werden, das auch weiterhin tun zu können – und das nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Kinder.

Katharina Klein


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