Arbeiten in der ambulanten Pflege: Erfahrungsbericht einer Pflegerin

Inspiriert von der faszinierenden Welt der Medizin und Pflege, möchte unser Redaktionsteam sich mit Fachkräften austauschen, Perspektiven aufzeigen mit Interviews und Reportagen, um die Vielfalt des Pflegealltags zum Ausdruck bringen.

Steffi ist gelernte Altenpflegerin. Erst arbeitete sie fest in der stationären Pflege. Als eine Kollegin im ambulanten Dienst krankheitsbedingt ausfiel, sprang sie kurzerhand ein. Was als vorübergehende Unterstützung für ihren Arbeitgeber gedacht war, wurde später zu ihrem Traumjob. MEDWING verrät sie, was die Vorteile der mobilen Pflege sind und warum sie nicht in ihren „alten“ Pflegejob zurück möchte.

„Ich habe eigentlich immer im Schichtsystem in Altenheimen gearbeitet“, erzählt Steffi. Das sei für sie in Ordnung gewesen. Allerdings hätte sie sich oft erschöpft und ausgebrannt gefühlt. „Für Hobbys hatte ich meistens keine Energie mehr, und auch einfach keine Lust.“

In die ambulante Pflege zu wechseln, hätte sie sich früher aber absolut nicht vorstellen können. Als sie für ein paar Monate die Krankheitsvertretung für eine Kollegin übernahm, änderte sich das.

„Heute denke ich, das war meine Rettung. Plötzlich war ich nicht mehr für alles und jeden im Seniorenheim verantwortlich.“ In der stationären Pflege hätte konnte sie sich nicht abgrenzen und sagte zu oft „Ja“ und sei dabei am Ende selbst auf der Strecke geblieben, erzählt Steffi.

„Jetzt habe ich meine Tour und meine Patienten“. Ihr gefällt, dass sie sich wirklich auf eine Person konzentrieren kann. „Die Aufgaben sind im Grunde ähnlich: Grundpflege, Behandlungspflege und Wundversorgung. Aber die Arbeitsatmosphäre ist völlig anders.“

„Im Auto kann ich durchatmen.“

Manchmal stehe sie schon unter Zeitdruck. Aber wenn sie vor Ort sei, widme sie sich einer einzigen Person. „Da wird nicht ständig nach dir geklingelt und gerufen und von allen Seiten an dir gezerrt. Du kannst dich auf den Menschen vor dir konzentrieren. Viel Zeit ist zwar auch nicht. Aber du musst wenigstens nicht zig Dinge gleichzeitig machen.“

Sie genießt auch das Autofahren. In dieser Zeit tankt sie neue Kraft. „Ich höre Musik, hänge meinen Gedanken nach und habe einfach einen Moment Pause. Im Auto kann ich durchatmen.“



Kurz vor dem Burnout

Mit Ende 50 sprüht Steffi vor Energie. Sie erzählt mit Händen und Füßen und ist stolz auf das, was sie täglich leistet. Es ist schwer vorstellbar, dass sie vor nicht allzu langer Zeit vor dem Burnout stand.

Durch den Wechsel in die mobile Krankenpflege fand sie wieder Freude an ihrem Beruf: „Das ist etwas vollkommen anderes: Die Menschen, die ich versorge, sind wirklich dankbar. Die freuen sich auf mich. Da ist nicht dieses Anspruchsdenken, dass ich immer alles sofort machen muss.“ Den Kontakt mit den Angehörigen erlebt sie überwiegend als wertschätzend. Die meisten seien dankbar für ihre Unterstützung. „Die freuen sich, wenn ich komme. Und weil ich nur eine gewisse Zeit dort bin, störe ich auch die Alltagsroutine kaum.“

Viel Eigenverantwortung in der ambulanten Pflege

Vor Ort ist sie als Pflegekraft in der Regel allein. Das Diensthandy ist zwar ihr ständiger Begleiter. Aber manchmal kommt es auf eine schnelle Entscheidung an. Wenn sie klingelt und niemand öffnet, mache sie sich auf das Schlimmste gefasst, erzählt sie. „Du weißt nie, was hinter der Tür ist. Ist jemand gestürzt und kommt aus eigener Kraft nicht mehr auf die Beine? Ist der Klient möglicherweise verstorben? Hat er sich schwer verletzt? Das kann alles vorkommen.“

Dann muss sie händeln. Aber für sie liegt genau darin auch der Reiz. „Ich habe zwar meine Routine, aber es ist eben nicht langweilig. Kein Tag ist wie der andere.“

Steffis positive Erfahrungen in der ambulanten Pflege gegenüber der stationären Pflege

Steffis Herz schlägt für die häusliche Pflege. Das wird auch bei der Aufzählung der Vorteile deutlich. „Was für mich Vorteile sind, sehen andere vielleicht als Nachteile“, gibt sie zu bedenken. Beispielsweise genießt sie es, ihren Dienst allein zu erledigen. Im Team zu arbeiten, könne auch anstrengend sein, vor allem, wenn sich die Arbeits- und Kommunikationsstile stark unterscheiden. „Die ständigen Absprachen kosten Zeit. Und wenn du nicht aufpasst, redest du völlig an der anderen Person vorbei.“

Wer es genießt, Teil eines Teams zu sein, fühle sich in der häuslichen Pflege möglicherweise etwas verloren. Wobei es durchaus Teambesprechungen gäbe, nur vor Ort sei die Pflegekraft eben auf sich gestellt.

Weitere Vorteile der ambulanten Pflege aus Steffis Sicht:

  • Die Menschen in der ambulanten Pflege brauchen in erster Linie gezielte, punktgenaue Unterstützung. Den Rest übernehmen Angehörige, andere Fachkräfte oder die Pflegebedürftigen selbst.
  • Die Dokumentation ist nicht so aufwendig.
  • Zu den Klient:innen baut sich ein Vertrauensverhältnis auf. Dadurch wächst der gegenseitige Respekt. Manchmal bleibt ein kleines Zeitfenster für ein kurzes Gespräch.
  • In der Wohnung fühlen sich die zu Pflegenden wohl und zu Hause. Sie sind entspannt und als Pflegekraft bekommt man einen Einblick in die Persönlichkeit. Das kann helfen, sich auf die Klienten einzustellen.
  • Die Eigenverantwortung ist höher, da der Pflegekraft vor Ort auffallen muss, wenn sich der Zustand des Klienten verschlechtert. Bei unvorhergesehenen Problemen, Unfällen oder einem nicht geplanten Pflegebedarf sind Kompetenz, Sicherheit und Organisationstalent gefragt.
  • Es gibt keine Nachtdienste mehr, nur noch Früh- und Spätdienst. (Das kann in anderen ambulanten Pflegediensten anders sein.) Dadurch lassen sich Privatleben und Beruf besser vereinbaren.
  • Klienten mit Demenzerkrankungen sind selten, da diese in der Regel in die stationäre Pflege wechseln.

Das, was Steffi an der ambulanten Pflege schätzt, könnten andere Pflegekräfte als herausfordernd empfinden. Beispielsweise das Autofahren: Sie berichtet, dass sie sich oft rückwärts in enge Parklücken quetschen, auf winterlichen Straßen Berge hinauf kämpfen und durch den dichten Stadtverkehr wühlen muss – ohne die Nerven zu verlieren, wenn die Uhr tickt.

Beim Krisenmanagement vor Ort sind ebenfalls starke Nerven gefragt. Obwohl die Arbeit als ambulante Pflegekraft auch Stress bedeutet und die Kommunikation mit Pflegebedürftigen, Angehörigen und medizinischem Personal vermutlich nicht immer einfach ist, blüht Steffi bei all dem auf.

Die Arbeit in der ambulanten Pflege führt also nicht zwangsläufig zu negativen Erfahrungsberichten. Steffis Beispiel zeigt, dass es immer auf den Betrieb ankommt und man als mobile Pflegekraft durchaus glücklich werden kann. Von einem Burnout fühlt sie sich heute nicht mehr bedroht: „Der Wechsel in die ambulante Pflege war das Beste, was mir passieren konnte.“

Einen weiteren Erfahrungsbericht einer ambulanten Altenpflegerin findest du hier.

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