Im Sommer 2021 wurde Corona bereits 160.000 Mal als Berufskrankheit angezeigt. Über 70.000 Meldungen stammten von Menschen, die in Pflegeberufen arbeiten. Aufgrund des hohen Infektionsrisikos haben Beschäftigte in Gesundheitsberufen gute Chancen, COVID-19 als Berufskrankheit anerkannt zu bekommen. Wie das funktioniert, wie die rechtliche Lage aussieht und welche Leistungen dir zustehen, darüber informieren wir dich jetzt.
Wer sich am Arbeitsplatz mit COVID-19 infiziert, hat die Möglichkeit, dies beim zuständigen Unfallversicherungsträger als Arbeits- oder Wegeunfall, beziehungsweise als Berufskrankheit anzuzeigen. Eine Erkrankung durch das Virus auf diesem Weg zu melden ist ein wichtiger Schritt, denn Corona stellt für mehrere Berufsgruppen ein großes Risiko dar. Dazu zählt natürlich auch die Pflege.
Als Pflegefachkraft bist du einer hohen Gefährdung ausgesetzt. Somit solltest du wissen, wie sich eigentlich der Begriff Berufskrankheit definiert und welche Leistungen und Vorteile dir bei einer Infektion zustehen. Auch das Thema Long-COVID darf hierbei nicht aus den Augen verloren werden. Generell lohnt es sich immer, also auch bei milden oder symptomatischen Verläufen, eine Infektion mit dem Corona-Virus zu melden. So fällt bei eventuellen Spätfolgen der Nachweis leichter.
In diesem Artikel erfährst du:
Unter Berufskrankheiten zählen alle Erkrankungen, welche du bei deiner beruflichen Tätigkeit erfährst. Die Berufskrankheiten müssen in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) aufgeführt sein. Hier sind sie in der sogenannten Berufskrankheiten-Liste (BK-Liste) einzusehen.
In dieser BK-Liste findest du Erkrankungen, welche, ausgehend von den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft, durch besondere Einwirkungen verursacht werden. Ebenso bezieht sich die BK-Liste auf bestimmte Personen- beziehungsweise Berufsgruppen, die durch ihre Arbeit besonders speziellen Gefahren ausgesetzt sind.
Sollte eine Erkrankung nicht in dieser Liste verankert sein, jedoch trotzdem als Berufskrankheit gemeldet werden, besteht die Möglichkeit, in Einzelfällen eine Erkrankung „wie eine Berufskrankheit“ anerkennen zu lassen. Dies stellt jedoch eher die Ausnahme dar. Es reicht also nicht der bloße Zusammenhang einer Erkrankung mit einer beruflichen Tätigkeit. Daher zählen zum Beispiel die weit verbreiteten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sowie Erkrankungen von Muskeln und Skelett nur unter besonderen Voraussetzungen zu den Berufskrankheiten.
Ärzt:innen und Arbeitgeber:innen müssen bei Verdacht auf eine Berufskrankheit sofort eine Meldung an den Unfallversicherungsträger geben. Dies gilt auch für die Krankenkassen. Du als Betroffene:r kannst dies aber auch selbst bei deiner Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse durch eine formlose Anzeige vornehmen.
Wenn du im Gesundheitswesen, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium beschäftigt bist, kannst du eine Corona-Infektion unter Umständen als Berufskrankheit melden. Hierzu befähigt die BK-Liste unter der BK-Nummer 3101 „Infektionskrankheiten“. Eine SARS-CoV-2-Infektion kann also als Arbeits- bzw. Wegeunfall oder eben als Berufskrankheit anerkannt werden. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) gibt hierzu folgende Richtlinien an:
Zum Gesundheitswesen zählen vor allem die folgenden Arbeitsbereiche:
Bist du in einem der oben genannten Arbeitsbereiche tätig und möchtest Corona als Berufskrankheit geltend machen, müssen noch folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Wurde deine Corona-Infektion anerkannt, so trägt die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten für die Heilbehandlung sowie die medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation. Es besteht auch die Möglichkeit auf eine Erwerbsminderungsrente im Fall schwerer Verläufe oder Spätfolgen und eine Hinterbliebenenrente im Todesfall.
Ein Vorteil liegt außerdem darin, dass die Leistungen zur Rehabilitation weitaus umfangreicher sind, als die der gesetzlichen Krankenversicherungen. Auch gibt es in der gesetzlichen Krankenversicherung keine Entschädigungsleistungen. Eine SARS-CoV-2- Infektion beim zuständigen Unfallversicherungsträger zu melden lohnt sich also und ist für die Betroffenen sehr wichtig!
Sollte aus diversen Gründen eine Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige abgelehnt werden, kannst du Widerspruch einlegen. Sollte dieser Weg erfolglos bleiben, können die Betroffenen eine Klage vor dem Sozialgericht vorbringen.
Neben COVID-19 ist auch die Anerkennung von Long-COVID als Berufskrankheit für bestimmte Berufsgruppen möglich. Viele Menschen, die als genesen gelten, haben durch das Virus gesundheitliche Spätfolgen. Hierzu zählen unter anderem Atemnot, Konzentrationsstörungen oder Wortfindungsstörungen. Teilweise können die Betroffenen aufgrund dessen nicht mehr in Vollzeit arbeiten. Auch das Privatleben kann durch die Unfähigkeit, an sportlichen Aktivitäten oder dem sozialen Leben teilzunehmen, eingeschränkt sein.
Solche schwerwiegenden Einschränkungen des täglichen Lebens haben für die Menschen enorme Folgen. Daher ist die Möglichkeit Long-COVID als Berufskrankheit anerkennen zu lassen für Mitarbeiter:innen von besonders gefährdeten Tätigkeitsfeldern sehr wichtig: Mehr Geld und mehr Leistungen als von der gesetzlichen Krankenkasse – die Unfallversicherung muss alles tun, um Menschen mit Long-COVID wieder zur Regeneration zu verhelfen. Die Betroffenen sollen wieder am Leben teilnehmen können, auch am Berufsleben. Dies kann eine Umschulung beinhalten. Leistungen, die bei der Krankenkasse nicht vorliegen.
Gerade im Gesundheitswesen gibt es viele Menschen, die mit den Spätfolgen von Long-COVID zu kämpfen haben. Viele Betroffene haben Gruppen gegründet, in denen man sich austauschen kann. Ein Problem: Die Wartezeit nach der Meldung. Die gesetzliche Unfallversicherung verweist auf ein erhöhtes Aufkommen von Anträgen.
Eine große Herausforderung stellen dabei die Ermittlungen dar, ob die Corona-Erkrankungen wirklich beruflich verursacht wurden. Hier heißt es hartnäckig bleiben – immer wieder bei der Versicherung vorsprechen und auf die eigene Meldung aufmerksam machen.
Corona sowie die Spätfolgen Berufskrankheit oder Arbeitsunfall zu melden, hat für die Betroffenen viele Vorteile. Solltest du als Pflegekraft durch deine berufliche Tätigkeit an SARS-CoV-2 erkrankt sein, so informiere deinen Arbeitgeber und nutze deine rechtlichen Optionen in diesem Fall. Dabei geht es nicht nur um die Vergütung, sondern insbesondere um deine Gesundheit. Denn nachweislich sind es gerade die Vertreter:innen der Gesundheitsberufe, welche am stärksten von Long- oder Post-COVID betroffen sind.
Sarah Micucci