Der Ethikkodex für Pflegende des International Council of Nurses (ICN) stellt einen wichtigen Orientierungsrahmen für die berufliche Ausübung der Pflege dar. Die hier formulierten Aufgaben und Pflichten von Pflegekräften sind die Grundlage der vom Deutschen Pflegerat (DPR) entwickelten Rahmenberufsordnung und der auf Länderebene existierenden Berufsordnungen.
Der ICN-Ethikkodex wurde 1953 verabschiedet und seither zahlreiche Male überarbeitet. Zuletzt wurde er im Oktober 2021 aktualisiert. Er enthält Werte, zu welchen sich Pflegefachpersonen weltweit verpflichtet haben. Diese Werte schaffen Rahmenbedingungen zur Ausübung des Berufs und verbinden die Pflege international.
Der ICN-Ethikkodex steht für ein Versprechen von Pflegekräften an die Bevölkerung: für eine gute und sichere Pflege einzustehen. Umso dramatischer, dass ausgerechnet eine solch wichtige Zusage durch diverse Rahmenbedingungen oft ins Schwanken gerät. Leider können Pflegende nicht immer entsprechend ihrer Werte handeln. Dennoch ist und bleibt der Kodex ein wesentlicher Bestandteil des Berufes. Gerade für Neueinsteiger bietet er ein Gerüst für eine werteorientierte Praxis.
Der ICN-Ethikkodex für Pflegefachpersonen stellt eine Erklärung der ethischen Werte dar. Er beschreibt die Verantwortlichkeiten sowie die berufliche Rechenschaftspflicht von Pflegenden, Studierenden und Auszubildenden der Pflege. Innerhalb der vielen diversen Pflegerollen definiert und leitet er die Pflegepraxis. Somit dient er als Rahmen für ethische Entscheidungsfindungen. Er kann hergezogen werden, um den Handlungsweisen Pflegender eine Richtung zu geben und festgelegte professionelle Standards der Pflege zu erfüllen.
Es handelt sich also um ethische Leitlinien. Diese beziehen sich auf die Pflichten, Verantwortungen, Verhaltensweisen und das professionelle Urteilsvermögen von Pflegenden in ihren Beziehungen zu Patient:innen und Menschen mit Pflegebedarf. Auch Handlungen in Bezug auf die Interaktion mit Kolleg:innen oder Fachpersonen anderer Berufe sind hier mit inbegriffen. Gemeinsam mit den vorgegebenen Gesetzen sowie den Vorschriften und Berufsstandards der einzelnen Länder, dient der Ethikkodex als Basis beruflichen Handelns in der Pflege. Die Werte und Pflichten gelten für alle Pflegenden. Egal in welchen Arbeitsfeldern oder Praxisgebieten sie tätig sind.
Die pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse schreiten von Jahr zu Jahr voran. Das Bild der puren Nächstenliebe und der Aufopferung zur Heilung und Pflege der Armen und Kranken gehört, wenn auch tief in der Geschichte verankert, der Vergangenheit an.
Pflege ist eine eigenständige Profession mit zahlreichen Fachgebieten und enormen Forschungsmöglichkeiten. Gerade deswegen ist es umso wichtiger, Werte, die die Pflege ausmachen, nicht in den Schatten zu stellen. Denn trotz innovativer Neuerungen besteht seit langer Zeit die Erkenntnis, dass eine gute Pflege tief verwurzelt ist mit Chancengerechtheit, Inklusion und Wertschätzung aller Menschen.
Für alle Menschen besteht ein Anrecht darauf, dass...
Die Pflege steht also nicht nur für Fachkenntnisse, sondern verbindet facheigene Kompetenzen strikt mit der Achtung der Menschenrechte. Wer sich dem Dienst der Pflege widmet, steht für eine respektvolle und würdevolle Behandlung aller Menschen.
Die Pflege ist respektvoll und uneingeschränkt gegenüber Merkmalen wie:
Grundsätzlich scheinen diese Punkte eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit anderen Menschen zu sein. Die Realität sieht jedoch leider manchmal anders aus. Umso wichtiger für jede Pflegekraft, dieses Bild zu verkörpern. Die Pflege als Profession steht für ethische Werte wie Respekt, Gerechtigkeit, Empathie, Verlässlichkeit, Fürsorge, Vertrauenswürdigkeit und Integrität.
Der Ethikkodex unterteilt sich in vier wesentliche Themen. Diese sind:
Die genauen Inhalte der vier Themenkomplexe sind in der jeweils aktualisierten Version des ICN-Ethikkodex genau nachzulesen. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick gegeben.
Der erste Komplex des Kodex verweist auf die berufliche Verantwortung von Pflegefachpersonen gegenüber zu pflegenden Menschen und ihren Familien. Was bedeutet das für Pflegekräfte?
Pflegende sollen sich in Bezug auf die folgenden Punkte in der Verantwortung sehen:
Hier zeigt sich der persönliche und rechenschaftspflichtige Verantwortungsbereich für jede einzelne Pflegekraft. Pflegende verpflichten sich zu den folgenden Punkten:
Pflegende übernehmen in ihrer Berufstätigkeit täglich wichtige Positionen. Hierbei ist darauf zu achten, dass ...
Nicht nur die nationale, sondern auch die globale Gesundheitsversorgung steht für Pflegende im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit und Denkweise. Hierzu zählt:
Der ICN-Ethikkodex bietet viel Inhalt. Werte, die für manche selbstverständlich erscheinen, können aufgrund erschwerter Rahmenbedingung in ihrer Umsetzung durchaus problematisch werden. Der nicht immer stressfreie Arbeitsalltag kann womöglich an mancher Stelle dazu verleiten, gewisse Werte aus den Augen zu verlieren. Umso wichtiger, dass regelmäßige Überarbeitungen die aktuellen Arbeitsbedingungen berücksichtigen und Anwendungen für alle Pflegenden zugänglich gemacht werden.
In der Anwendung sollen Pflegekräfte den Kodex als eine Art Leitfaden betrachten, der auf gesellschaftlichen Werten und vor allem auch Bedürfnissen basiert. Nur die Pflegenden selbst haben die Macht, aus einem einsehbaren Dokument eine allgegenwärtige und umgesetzte Werteorientierung zu machen. Sie sind es, die Anwendungsvorschläge umsetzen und der Pflege weltweit nachhaltig eine besondere Rolle zukommen lassen können. Hierzu ist es besonders wichtig, dass alle Inhalte verstanden und verinnerlicht werden. Gerade in der Ausbildung und im Studium müssen hierzu die Wege geebnet werden. Denn so ist die Aussicht auf ein Hochhalten der Werte über das gesamte Arbeitsleben hinweg gefestigt.
Gute berufliche Rahmenbedingungen lassen sich nicht zuletzt daran messen, in welchem Maß Pflegefachpersonen in der Lage sind, ihre Werte in Bezug auf die Pflege umzusetzen. Diverse Probleme, wie ein viel zu niedriger Personalschlüssel, erschweren dies und verletzen die Grundwerte Pflegender. Es bleibt also festzuhalten, dass nicht nur die persönliche Einstellung gegenüber dem Beruf die Umsetzung des Kodex beeinflusst. Für die professionelle Pflege müssen Bedingungen geschaffen werden, unter denen eine werteorientierte Pflege ohne Ausnahme möglich ist.
Sarah Micucci