Freiberuflich als Pflegekraft arbeiten hört sich gut an, ist seit einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom letzten Juni aber nicht mehr möglich. Leiharbeit und Selbstständigkeit sind nun die verbleibenden Alternativen, um weiterhin flexibel arbeiten zu können. Wir erklären die Details dieser Arbeitsmodelle.
Ein selbstständiger Maler entscheidet selber, wo er die Wände streicht. Montag bei Familie Müller das Wohnzimmer, Mittwoch die Küche bei Familie Hansen. Bis zum Sommer 2019 haben so auch Ärzte und Pflegekräfte auf Honorarbasis gearbeitet. Um Personalmangel bei Grippewellen oder Urlaubszeiten zu vermeiden, wurden für diese Wochen selbstständige Fachkräfte in Kliniken oder Pflegeheimen engagiert. Für Honorarärzte und -krankenpfleger bedeutete das besseres Gehalt und mehr Flexibilität, denn sie konnten selbst bestimmen, zu welchen Zeiten sie arbeiten wollten. Bestimmte Sozialabgaben wie zum Beispiel die Arbeitslosenversicherung musste diese nicht abführen. Doch es hagelte Kritik. Die Deutsche Rentenversicherung sah die Tätigkeit als Honorarkraft als Scheinselbstständigkeit an und befürchtete einen Betrug in Millionenhöhe.
Vor dem Bundessozialgericht (BSG) wurde der Sachverhalt dann stellvertretend verhandelt. Der Fall: Eine Seniorenresidenz hatte mehrmals auf einen selbstständigen Pfleger zurückgegriffen, weil Personal fehlte. Der Altenpfleger erhielt für seinen Einsatz zweimal so viel Geld wie die festangestellten Kollegen. Vor Gericht wurde die Frage gestellt: Ist eine Honorarkraft selbstständig? Der zuständige Richter entschied: Nein. “Pflegekräfte, die als Honorarpflegekräfte in stationären Pflegeeinrichtungen tätig sind, sind in dieser Tätigkeit regelmäßig nicht als Selbstständige anzusehen, sondern unterliegen als Beschäftigte der Sozialversicherungspflicht”, hieß es im Urteil, welches auch für Honorarärzte gilt. Denn Altenpfleger, Ärzte und Krankenschwestern seien bei ihrer Arbeit weisungsgebunden, müssten sich nach einer Führungskraft und dem Dienstplan richten, könnten nicht frei entscheiden, wann sie ihre Arbeiten verrichten. Mit der abhängigen Beschäftigung müssten dann auch Sozialabgaben abgeführt werden. Das Prinzip der Honorarbasis wurde mit dem Urteil abgeschafft. Die Empörung war groß, weil sich viele Honorarkräfte in ihrer Freiheit beschränkt fühlten. Viele wechselten in die Zeitarbeit, um ihre Flexibilität im Beruf wahren zu können. Die mit dem Verbot einhergehende Festanstellung wollten viele nicht. Wer weiterhin unabhängiger arbeiten möchte, kann dies nun auf zwei Arten tun.
Früher hieß es “Zeitarbeit” und genoss keinen guten Ruf, heute setzen immer mehr Pflegekräfte auf flexible Arbeitszeitmodelle. Denn sie bedeutet vor allem eines: mehr Flexibilität für familiäre Verpflichtungen, Termine oder einfach für die Freizeitgestaltung.
Aufgrund des Pflegenotstands gibt es immer mehr Pflegekräfte, die nach einem alternativen Arbeitsplatz ohne Nachtschichten, Überstunden und kurzfristigen Dienstplanänderungen suchen. Flexible Arbeit kommt für sie wie gerufen. Das Prinzip ist einfach: Man wird bei der Agentur sozialversicherungspflichtig angestellt, hat Kündigungsschutz und erhält Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung und bekommt sogar Weihnachts- oder Urlaubsgeld. Zusätzlich ist das Gehalt als flexible Pflegekraft bis zu 30 Prozent höher, man kann seinen Dienstplan selbst gestalten und arbeitet in wechselnden Einrichtungen. Somit ist man selbstständig, aber trotzdem abgesichert und in seiner Berufsausübung frei. Das Verbot der Honorararbeit umgeht man durch die Festanstellung bei der Zeitarbeitsfirma. Übrigens, Zeitarbeit, Leiharbeit und Leasing meinen ein und dasselbe Arbeitszeitmodell.
Wie du die perfekte Leiharbeitsfirma für dich findest, erklären wir hier.
Eine andere Möglichkeit für flexibles Arbeiten ist es, sich als Pflegekraft selbstständig zu machen. Der Unterschied zur Honorarbasis: Man arbeitet nicht in einem Pflegeheim, sondern macht Hausbesuche. In den letzten Jahren ist es in Deutschland zum Trend geworden, denn immer mehr Pflegefachkräfte wählen die Selbstständigkeit. Einzige Voraussetzungen: Eine abgeschlossene Berufsausbildung in dem Bereich, den man anbieten möchte und die Bereitschaft, das wirtschaftliche Risiko zu tragen. Um selbstständig arbeiten zu können, muss man sich beim Finanzamt und dem Gesundheitsamt anmelden und sollte eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen. Danach folgt einiges an Papierkram: Man muss viele Anträge und Verträge ausfüllen, um von den Kranken- und Pflegekassen zugelassen zu werden. Mit seinen Patienten muss man zusätzlich immer einen Versorgungsvertrag über die Leistungen abschließen.
Hat man den Papierkram hinter sich, dann ist man sein eigener Chef und genießt einige Vorteile. Flexible Arbeitszeiten, höhere Verdienstmöglichkeiten und man kann selber entscheiden, wann man wie viele Patienten versorgt und wie viel Zeit man sich für sie nehmen kann. Der größte Nachteil: Durch die fehlende Sozialversicherung hat man keinen Urlaubsanspruch oder bekommt im Krankheitsfall kein Krankengeld. Auch die Abrechnung mit den Krankenkassen kann kompliziert werden.
Eine Gefahr in dem Modell ist die Scheinselbstständigkeit. Wenn man mehr als 80 Prozent des Jahres nur einen einzigen Arbeitgeber - in diesem Fall einen Patienten hat - gilt man nicht als selbstständig. Hier greift das gleiche Prinzip wie bei der verbotenen Honorarbasis, denn in diesem Fall müssten entsprechend Sozialabgaben geleistet werden.
Wie du deine Schichten individuell an deine Lebenssituation anpasst, erklären wir hier.
Maja Lietzau